Von unterschiedlichen Ausbildungen und wichtigen Erfahrungen für die Arbeit einer Polizeiseelsorgerin

Mit etwas Wehmut schaltete ich den Fernseher aus und tauchte gedanklich aus der ferne Japans in unserem Bamberger Wohnzimmer auf. Neun Folgen lang hatte ich zwei japanische Auszubildende in deren Lehrjahr in Kyoto begleitet. Die japanische Serie in Originalsprache hatte mich mitten in Oberfranken in eine ferne Welt mitgenommen und dabei alte Erinnerungen wachwerden lassen. Sprache, Gepflogenheiten, Kultur und so manche japanische Tradition war mir nach all der Zeit immer noch ungewöhnlich vertraut.

Weil das „Praxisjahr der Theologiestudierenden“ mindestens ein Jahr berufliche Tätigkeit außerhalb kirchlicher Strukturen erforderte, hatte ich als Zwanzigjährige eine Ausbildung zur Flugbegleiterin bei Japan Airlines (JAL) durchlaufen, um eineinhalb Jahre über den Wolken zu arbeiten. Nach einer Ausbildung am Frankfurter Flughafen, schloß sich ein achtwöchiger Aufenthalt in Tokyo an. Dies war der Anfang eines Eintauchens in die fernöstliche Kultur Japans – eine für mich zur damaligen Zeit durchaus fremde Welt.

Die Ausbildung und Tätigkeit als Flugbegleiterin war eine Lernerfahrung, die damals für mich gut war, aber zugegeben lange Zeit nicht direkt für meine berufliche Tätigkeit als Pfarrerin und Seelsorgerin fruchtbar gemacht werden konnte. Dies kam viele Jahre später mit meinem Wechsel zur Bundespolizei.

Noch heute erinnere ich mich an die Worte eines Loses, das ich damals bei einem Tempel gezogen hatte. Auf ihm war unter anderem zu lesen: „Even if you are righteous and have a chance to be successful, nothing can be achieved unless you work hard.“ oder in Deutsch: „Selbst wenn Sie rechtschaffen sind und eine Chance haben, erfolgreich zu sein, können Sie nichts erreichen, wenn Sie nicht hart arbeiten.“

Dieser Satz hat mich immer wieder an Lebensstationen begleitet. Das Engagement um Gerechtigkeit ist für mich als Pfarrerin ein wichtiger Aspekt meiner Berufung. Und gleichzeitig bin ich mir sehr bewusst, dass ich viele wunderbare Bildungs- und Berufs-Chancen geschenkt bekommen habe, die aber nur durch harte Arbeit wirklich erreichbar waren.

Meine jungen Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter erhalten ebenso die einmalige Chance, einen der wohl spannendsten, aber auch verantwortlichsten Berufe erlernen zu dürfen. Das Streben um Recht stellt hierbei einen wichtigen Aspekt dar. Das Erlernen dieses Berufes kommt jedoch mit großen Herausforderungen – daher wird von ihnen harte Arbeit gefordert, manchmal bis zur Erschöpfung.

„Even if you are righteous and have a chance to be successful, nothing can be achieved unless you work hard.“

No. 87 The Best Fortune, Temple in Asakusa

Auch das kenne ich aus meiner Ausbildungszeit bei JAL. Ein normaler Ausbildungstag lief so ab:

4:00 Uhr Aufstehen

Mindestens zweieinhalb Stunden Fahrt zur Ausbildungsstätte quer durch Tokyo

6:30 / 7 Uhr Frühstück an der Ausbildungsstätte

7:30 Uhr Dienstbeginn und Unterricht

17 Uhr Unterrichtende und Heimfahrt

Mindestens zweieinhalb Stunden Fahrt zum Wohnheim quer durch Tokyo

19 Uhr Abendessen

ca. 20 Uhr Lernen

Gnadenlos wurden wir eingegliedert in ein japanisches Bildungssystem, denn schließlich würden wir bald als Deutsche in einer japanischen Fluggesellschaft arbeiten. Zumeist allein oder zu zweit in einer japanischen Crew. Für uns angehende Flugbegleiterinnen war es ein wahrer Kulturschock. Ich begegnete dem Ganzen mit viel Neugier und einer guten Portion Willenskraft, die beste Leistung abzulegen und mich in dieses System einfinden.

Es waren anstrengende Ausbildungstage, die früh begannen. Ich kann meine Polizeischülerinnen und -schüler gut verstehen, deren Dienst täglich um 6.55 Uhr beginnt und gegen 16:30 / 45 Uhr endet. Auch sie tauchen in eine unbekannte Kultur ein. Hierarchie, Disziplin, Ambitioniertheit und Engagement sind elementar, um diese Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen.

„Even if you are righteous and have a chance to be successful, nothing can be achieved unless you work hard.“

No. 87 The Best Fortune, Temple in Asakusa

In der letzten Dienstwoche durfte ich eine Lehrklasse bei einer sogenannten „Alarmübung“ begleiten. Das hieß für die jungen Polizeischülerinnen und -schüler um 2:30 Uhr geweckt zu werden und dann in ihrer Lehrklasse von einem Punkt aus wieder an den Ausbildungsort zurückzufinden. Selbstverständlich mit dem jeweiligen Lehrgruppenleiter und mir sowie einem engagierten Team, das im Hintergrund alle notwendigen Vorkommnisse, Regelungen und Fahrten organisiert. Genau bedeutet das: 15 Kilometer durch die Dunkelheit. Dies erfordert Wissen, Teamgeist und Motivation.

Durchhaltevermögen und harte, engagierte Arbeit sind essentiell für den Beruf eines Polizisten und einer Polizistin. Wer hätte gedacht, dass ich aus den damals bei Japan Airlines gemachten Erfahrungen so viele Analogien für die Ausbildung meiner Schülerinnen und Schüler ziehen würde! Und ganz nebenbei einige interessante Erfahrungen in den Unterricht einfließen lassen könnte – ob Randalierer an Board, Herzstillstand oder Notfallausbildung für Land- und Wasserlandung. Für mich mehr als nur unterhaltsame Erfahrungen, denn sie erzählen von dem Unerwarteten, den Überraschungen und Notfällen, die über sie hereinbrechen können. Sie darauf wenigstens ein bisschen vorbereiten zu können, gibt meinen eigenen Erfahrungen mehr Tiefe.

„Even if you are righteous and have a chance to be successful, nothing can be achieved unless you work hard.“

No. 87 The Best Fortune, Temple in Asakusa

Ich gab mir einen Ruck, legte die Fernbedienung auf den Sofasessel und ging in die Küche, um etwas Sushi zuzubereiten. So konnte meine Familie einen kleinen Geschmack von Japan erhalten und meine Sehnsucht nach einem fernen und doch so nahen Ort etwas stillen, um dann am nächsten Tag wieder vor meine Lehrklassen zu treten.

Die Waffe der Frau – von Bildung, Gleichberechtigung und eigenen Erfahrungen

Erstaunt sah ich auf die Werbung, die im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt enthalten war. Normalerweise warf ich diese mit einem beherzten Schwung umgehend ins Altpapier. Doch heute stutzte ich, denn angeblich war dem monatlichen Blatt des Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrervereins in großen weißen Lettern auf einem pinken Umschlag ein wichtiger Inhalt angekündigt:

DIE WAFFE DER FRAU.

Als Adressatinnen waren im durchsichtigen Sichtfeld als „alle Frauen in Deutschland“ angegeben – abgesandt von Senta Berger, Birgit Schrowange und Marion Knecht.

Nun war meine Neugierde geweckt, denn das monatliche Blatt war nicht unbedingt dafür bekannt, dass dort Frauen ihre Stimme erhoben. In der gegenwärtigen Ausgabe stammte einer von insgesamt zwölf Artikeln aus der Feder einer Frau.

Die Post warb für eine Patenschaft eines Mädchens in einem Schwellenland. Zurecht hob man dort die Wichtigkeit von Bildung hervor, die eine essentielle Voraussetzung für Gleichberechtigung ist. Ich pflichte den drei Verfasserinnen des Briefes bei, dass Bildung von großer Wichtigkeit ist, damit Frauen ihr Potential erreichen und ein besseres Leben zugänglich wird.

Ich hatte das Glück in einem reichen Land geboren worden zu sein, in dem viele Bildungschancen zugänglich sind. Schule, Abitur, Studium, Vikariat, Examen in Bayern und Schottland, Dissertation in USA. Ich hatte das Privileg, mehrere Sprachen lernen zu dürfen und einige weitere Zusatzqualifikationen zu erwerben. Schon immer war ich davon überzeugt, dass Bildung ein wichtiger Schlüssel zur Gleichberechtigung darstellt – oder wie die Autorinnen schrieben, die Waffe einer Frau darstellen.

Also erweiterte ich ständig meinen fachlichen Horizont. In allem wurde ich von meinem Mann unterstützt, der den Mut besaß, mir den Vorrang im beruflichen Werdegang zu schenken. Er wurde Familienmanager. Ich kehrte nach dem damals durchaus kurzen Mutterschutz stets umgehend in den Beruf zurück. Elternzeit oder ähnliches hatte ich nie in Anspruch genommen.

Doch leider fügt sich zu all dem „westlichen“ Privileg mit etwas Bitterkeit die gesammelte Erfahrung über die Grenzen dieses Systems hinzu. Es ist wie ein roter Faden, der sich durch meinen beruflichen Werdegang zieht: die Grenzen des Systems stellen oftmals nicht die für eine Position notwendigen Qualifikationen und Abschlüsse da, sondern Männer in Schlüsselpositionen. Manchmal scheint es mir, so als ob es sich hierbei um Männer handelt, die ungern auf Augenhöhe zusammenarbeiten wollen. Oder Männer, die von der ihnen zugesprochenen Macht wenig abgeben wollen und einer Frau dieselbe Funktion nicht zutrauen.

Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogeintrags, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich spreche nicht für eine Frauenquote, sondern dafür, dass ich anhand meiner Qualifikationen und Fähigkeiten mein ganz persönliches berufliches Potential leben darf. Aber leider ist es meine Erfahrung, dass ich aufgrund der simplen Tatsache meines Geschlechts doppelt so hart arbeiten muss, um eine annähernde Anerkennung zu erhalten. Und manchmal ist es sogar noch bitterer: vor geraumer Zeit musste ich miterleben, wie ein Mann eine Funktion erhielt, obwohl er offensichtlich die dafür notwendige fachliche Eignung nicht vorweisen konnte – einfach weil er ein besseres (Männer-)Netzwerk hatte. In ökumenischen Kontexten habe ich sogar noch schlimmeres erlebt. Da wurde ich von einer Mitwirkung in einem Gottesdienst ausgeschlossen, WEIL ich eine Frau war.

Erfahrungen, die nachdenklich machen.

Zustimmend und dennoch mit einem bitteren Geschmack auf den Lippen steckte ich den Werbebrief zurück in seinen pinkfarbenen Umschlag. Ja, Bildung ist die Waffe einer Frau. Aber sie öffnet nicht von sich aus Türen und gibt Zutritt zu größerem Potential. Das geht nur, wenn die Männer, die diese Türen der beruflichen und gesellschaftlichen Möglichkeiten bewachen, es auch zulassen.

Aus der Sicht einer Polizeiseelsorgerin: Von Protesten, Gleichaltrigen und dem Wunsch nach Menschlichkeit

Ich schüttelte die neueste Ausgabe der Zeit mit einem routinierten Ziehen zurecht, um die voluminösen Seiten gerade zu ziehen. Dann versank ich wieder in der neuesten Ausgabe der ZEIT. Doch kaum hatte ich die erste Seite umgeblättert, drängten abrupt die großen Baggerschaufeln des Kohleabbaus am Dorf Lützerath und die Geschehnisse rund um das gegenwärtig zu räumende Dorf in die Stille meines Wohnzimmers. Nachdenklich folgte ich den Worten der Autorin, die einen jungen 17-jährigen Klimaaktivisten mit dem Decknamen Taco und dessen Familie begleitet hatte und nun davon berichtete. Ihre Worte waren einfühlsam und ausgewogen. Immer wieder blieb ich im Text an dem Alter des jungen Mannes hängen, das dem vieler Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern entsprach, die ich in meiner Lehrtätigkeit begleiten durfte.

Die Worte des letzten Absatzes gingen mir nicht aus dem Kopf:

[…] Taco hat sich entschieden: Er will bleiben, die Räumung in Lützerath abwarten. Sollte die Polizei ihn vom Gelände tragen werde er sich nicht wehren. […]

Her mit der Kohle. Vermummte werfen Steine, Väter besorgen ihren Söhnen Gummistiefel fürs Demonstrieren. Wie gewaltbereit ist der Protest in Lützerath, von Laura Cwiertnia, aus: DIE ZEIT Nº 3, 12. Januar 2023

Immer und immer wieder las ich sie. Fiktive, aber durchaus realistische Gedanken gingen mir durch den Kopf. Was, wenn sie aufeinandertreffen würden? Ein siebzehnjähriger Klimaaktivist und ein siebzehnjähriger Polizeischüler? Im zweiten Lehrjahr durchlaufen die Auszubildenden verschiedene Praktika und kommen dort, um in ihre Tätigkeit hineinzuwachsen, mit Bürgerinnen und Bürgern in sehr unterschiedlichen Situationen und an verschiedenen Orten Kontakt.

Wie viel Verständnis würde auf beiden Seiten wachsen, wenn sie einander jenseits eines Konfliktes begegnen würden? Wenn sie im jeweils anderen die Menschlichkeit entdecken dürften?

Es ist ein unglaubliches Spannungsfeld, in das diejenigen, die ich in der polizeilichen Ausbildung begleiten darf, hineinwachsen müssen. Oft sehen sie bereits in jungen Jahren Dinge, die andere Erwachsene selten bis nie sehen werden. Gewalt hinterlässt Spuren. Eine Uniform mag vor dem Schlimmsten einen relativen Schutz bieten, aber die Spuren in der Seele kann auch eine Körperschutzausstattung nicht verhindern.

Was wäre, wenn man mehr Begegnungsfläche für beide Seiten schenken könnte? Wenn junge Klimaktivistinnen und -aktivisten mit jungen Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern zu Gesprächen und einem Kennenlernen der jeweils anderen Seite zusammen kämen? Vielleicht würden sie ja viel Gemeinsames entdecken. Oder in so mancher schwieriger Situation diese Erfahrung dabei helfen, dass es zu keinen massiven, gewaltbereiten Auseinandersetzungen kommen würde.

Wünschen würde ich es Taco und meinen Polizeischülerinnen und -schülern, denn als Seelsorgerin habe ich Angst. Um beide. Nicht umsonst fragt sich die Autorin ohne eine Seite im Untertitel genau zu benennen:

Wie gewaltbereit ist der Protest in Lützerath?

Als Pfarrerin kann ich jenseits jeglicher politischer Diskussion um Lützerath für die involvierten Personen nur hoffen, dass die durch die Politik angeordnete Räumung des Dorfes und das dadurch ausgelöste Demonstrationsgeschehen so friedlich wie nur irgendmöglich bleibt. Zum Wohle aller.

Ich seufzte tief und schlug die Zeitung mit einem energischen Ruck zu. Die nächsten Tage würden zeigen, ob es überwiegend friedlich bleiben würde.

Endemische Gedanken: wenn das Schweigen endlich bricht und prägende Erfahrungen bleiben

Aus Gründen ist es Zeit, endlich das Schweigen zu brechen und in diesem Blogeintrag über prägende pandemische Erfahrungen als Pfarrerin und Polizeiseelsorgerin zu schreiben.

Jahresanfang und eine Woche Urlaub. Für mich die perfekte Kombination, um etwas Ordnung zu schaffen und dadurch offen zu werden für die nächsten zwölf Monate des noch recht jungen Jahres. Als ich den Inhalt meines Nachtkästchens ausleerte, fiel mir eine Stoffmaske in die Hand, die ich vor fast genau zwei Jahren direkt aus meinem Fluggepäck in der Schublade des Nachtkästchens verstaut hatte. Nachdenklich setzte ich mich auf den Rand meines Bettes. Laut Christian Drosten, dem Leiter der Virologie an der Berliner Klinik Charité, befinden wir uns bereits am Ende der Pandemie und in Deutschland am Beginn einer Endemie. Das heißt nicht, dass das Virus uns nicht weiterhin im Griff hat, dennoch trifft es nicht in der vorher vorhandenen Härte, Intensität und Gefährlichkeit. Eine Endemie bedeutet, dass wir weiterhin vorsichtig und rücksichtsvoll sein müssen, aber lernen mit der sich verbreiteten Krankheit umzugehen. Dazu benötigt es auch das Element der Reflexion, um aus dem Erlebten zu lernen.

Die Stoffmaske wirkte an diesem ersten Samstag des neuen Jahres wie ein Relikt aus einem anderen Leben, das inzwischen weit weg erschien. Ich seufzte tief. Bilder in wirrer Reihenfolge erschienen vor meinem inneren Auge. Ich schüttelte mich, während so manche Emotion der in New York erlebten Pandemie von mir wieder Besitz ergriff. Die Maske musste aufbewahrt werden. Wie lange ich auf meiner Bettkante saß, weiß ich nicht- doch irgendwann gab ich mir einen Ruck und suchte all die anderen Stoffmasken, die wir aufgehoben hatten.

Ich fand unsere Sammlung an Stoffmasken im abgelegensten Schrank unserer Wohnung in der untersten Schublade hinter vielen Halstüchern. Während in Deutschland schon bald FFP2-Masken Pflicht geworden waren, trugen wir in den USA relativ lange waschbare Masken aus Stoff. Im Nachhinein schützen diese Masken nicht so gut, waren aber nun für mich wichtige Erinnerungsstücke – persönliche Artefakte einer sehr intensiven Dienstzeit geworden.

Vier Masken hatte ich besonders gerne getragen. Sie waren nicht nur gut geschneidert gewesen, sondern verbanden mich emotional mit wichtigen Stationen einer intensiv erlebten Dienstzeit:

Auf der Maske aus schwarzem Baumwollstoff war in großen Buchstaben FAITH ______OVER ______ FEAR aufgedruckt. Diese Maske steht für den Beginn und die erste Welle der Pandemie, die ich in New York als einem der ersten Corona-Hotspots der westlichen Welt erlebt hatte. Es waren Monate, in denen ich als Pfarrerin und Polizeiseelsorgerin meine Berufung noch nie so intensiv gespürt hatte, wie in dieser Zeit. Eine Lehre dieser Zeit ist für mich, dass in Gefahr Berufung erst richtig beginnt. Noch gut erinnere ich mich an die Angst, mich selbst anzustecken- im Krankenhaus während ich Sterbende begleitete oder in den beengten New Yorker Bedingungen als ehrenamtliche Polizeiseelsorgerin, wo ein sicherer Abstand oftmals schwer möglich war.

Das Symbol der Synagoge war schon etwas abgegriffen – für mich strahlte es in seinem einfachen Weiß auf dieser azurblauen Maske umso mehr. Diese besondere Maske war mir von meiner jüdischen Synagoge geschenkt worden, wo ich mich ehrenamtlich engagiert hatte. Eine der bitteren Auswirkungen der Pandemie war in USA eine schnell eingetretene Massenarbeitslosigkeit, die vor allem aufgrund des nur rudimentären Sozialsystems die Ärmsten der Armen getroffen hatte. Diese Arbeit durfte daher nicht zum Erliegen kommen. Mit viel Fantasie und Engagement versuchten wir trotz der uns umgebenden viralen Gefahr für die zu sorgen, die sonst hungern würden.

Und dann nahm uns mitten in diesem pandemischen Chaos ein politisches Ringen Recht und Gerechtigkeit den Atem. Auf schwarzem Untergrund prangte neben dem Profil der Richterin Ruth Bader Ginsburg, die eine der größten Kontrahentinnen des damaligen Präsidenten Donald Trump war, in bunten Lettern die Aufschrift WOMEN BELONG IN ALL PLACES WHERE DECISIONS ARE BEING MADE. Ich hatte in USA ein Ringen um eine politisch gerechter gestaltete Welt erlebt, in der es einen Kampf um Inklusivität bzw. Exklusivität gab. Erinnerungen an wunderbare Frauennetzwerke und eine durchbangte Wahlnacht sind mir immer noch sehr präsent.

Eine weitere mir wichtige Maske strahlte und glitzerte mir auf einem galaktischen Hintergrund entgegen. Sie erinnert mich an die Träume, die mich in dieser intensiven Dienstzeit antrieben: Träume von Gesundheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Eine große Aufgabe, die wir nur gemeinsam Wirklichkeit werden lassen können. Wenn jeder eine Kleinigkeit dazu in seinem jeweils eigenen Bereich dazu tut, kann dies gelingen. In New York und jetzt in Bamberg versuche ich weiterhin meinen kleinen Teil dazu beizutragen.

Die Zahl der persönlichen Artefakte endete jäh mit meinem beruflichen Wechsel zur Bundespolizei – sicherlich auch verbunden mit der Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske. Mit meiner Rückkehr nahm so mancher Kollege wieder Kontakt zu mir auf. Eine Unterhaltung kurz nach meiner Rückkehr im Januar 2021 wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Anstatt mir ein offenes Ohr zu leihen, kritisierte er meinen beruflichen Wechsel zur Bundespolizei. Ich sei schon wirklich dumm gewesen. Wenn ich eine normale Pfarrstelle gewählt hätte, hätte ich sicherlich noch einige Monate eine ruhige Kugel schieben können. In Ruhe umziehen. Ankommen. Mich einfinden. Stattdessen hätte ich den Strudel des polizeilichen Dienstes gewählt. Ich war sprachlos über dieses opportunistische Denken, das ich bei diesem Kollegen wahrnehmen musste.

Als ich in Deutschland ankam, fragte man mich nicht nach meinen Erfahrungen noch bot man mir die Möglichkeit an, diese zu verarbeiten. Ein Sonderurlaub war bei einem solchen Wechsel nicht vorgesehen. Noch heute frage ich mich warum eigentlich, wenn ich viele dienstliche Sonderbelastungen getragen hatte? Supervision oder psychologische Begleitung wurde mir ebenso wenig angeboten. Also stürzte ich mich ins Neue und verarbeitete das Erlebte auf meine Weise.

Nach fast zwei Jahren sind diese Erfahrungen nun ein für mich wertvoller Teil meines Selbst geworden. So manches kann ich in den berufsethischen Unterricht der BPOL nebst zahlreicher Reportagen, die über meinen Dienst in New York gedreht wurden, einfließen lassen. So wird nun für andere zum Segen, was ich erlebt habe.

Für mich steht am Ende dieser endemischen Gedanken vor allem diese wichtige Lektion im Mittelpunkt der pandemischen Dienstzeit: eine Berufung zeigt sich in Gefahr – das verbindet mich zutiefst als Pfarrerin mit den mir anvertrauten Polizeikräften, die ich begleiten darf. Die eigene Berufung so stark spüren zu dürfen, ist ein großes Geschenk der pandemischen Dienstzeit, das mich begleiten wird – egal, wo ich meinen Dienst versehe.

Im anderen einen wertvollen Menschen entdecken: von Respekt für Einsatzkräfte und langfristiger Vertrauensbildung

Als ich auf insgesamt drei Regalen in großen Lettern die Schilder „AUTOS“ bereits auf der Rolltreppe entdeckte, spürte ich das Kribbeln einer kindlich freudigen Begeisterung. Meine geheime Mission würde aufgrund der schon von weiten sichtbaren Fülle an „Kaufgut“ sicherlich erfolgreich sein. Da mein Patenkind in einiger Zeit aufgrund einer notwendigen Operation ins Krankenhaus gehen musste, wollte ich ihn mit einem kleinen „Krankenhaus-Paket“ überraschen und Mut machen. Ein Besuch würde aufgrund der gegenwärtigen Infektionswelle kaum möglich sein. Daher hoffte ich, dass ihm durch die kleinen Geschenke etwas näher sein würde: ein kuscheliger Schlafanzug – ein Kuscheltier, das mit einem großen Reißverschluss versehen, Sorgen fressen konnte – eine Buch nebst selbsteingesprochener Audiodatei – und ein Spielzeugauto. Aber nicht irgendeines, hatte ich mir fest vorgenommen. Denn das Patenkind war ein begeisterter Polizeifan und wusste natürlich genau, dass seine Patin bei der Bundespolizei arbeitete.

Meine Füße setzten auf dem mit hellen Kacheln versehenen Einkaufsgeschoss auf und setzten mit entschlossenen Schritten das Tempo der Rolltreppe fort. Doch schon bald verlor ich nach der Durchsicht des zweiten Regals den Mut. Das konnte doch nicht wahr sein! Wo waren sie, die Polizeifahrzeuge? Bis dato war ich immer der Überzeugung gewesen, dass sie zu jedem Kinderzimmer gehörten und daher überall angeboten würden. Als ich schon fast aufgab, fiel mir auf der Stirnseite des letzten Regales ganz unten links einige Einsatzfahrzeuge auf. Unter ihnen zu meiner Erleichterung ein Volkswagen Crafter auf dessen Seite in großen Lettern POLIZEI aufgedruckt war. Noch dazu konnte man durch leichtes Drücken eine Polizeisirene erklingen lassen. Als das Geräusch erklang waren es sehr ambivalente Gefühle, die in mir Raum nahmen:

Erinnerungen an einen Besuch bei der Landespolizei als ich selbst Kindergartenkind war, wurden plötzlich so wohltuend präsent. Damals war es auch ein Volkswagen gewesen – ein alter Bus, in den wir uns setzen durften. Wo uns der Polizist unter unseren staunenden Augen alles erklärte und ganz nebenbei viel Vertrauen zwischen ihm und uns schuf.

Aber auch schwere Gedanken mischten sich in die freudige Jagd nach einem geeigneten Spielzeug, denn die Aufschrift „TRY ME“ war in makaberer Weise in der Silvesternacht von Personen umgesetzt worden. „Try me“ bedeutet aus dem Englischen übersetzt nicht nur „Probiere mich aus“, sondern je nach Kontext auch „Fordere mich doch heraus!“. Sicher ist vielen Einsatzkräften besonders in dichten Zeiten wie einem Jahreswechsel oder anderen Tagen im Jahreskreis bewusst, dass der Dienst nicht einfach werden könnte, dass der Dienst unter Umständen sogar eine Herausforderung darstellt. Aber das, was in der letzten Silvesternacht zahlreichen Einsatzkräften der Polizei und Feuerwehr passierte, lässt mich als Polizeiseelsorgerin wütend werden. Gewalt an Einsatzkräften, die zur Hilfe eilen, ist indiskutabel und darf nicht toleriert werden.

Mein Blick geht aber nicht nur zurück, sondern auch in die Zukunft. Meine eigene lange zurückliegende Erfahrung hat mich von Kindesbeinen an positiv geprägt. In New York habe ich auf diese Erfahrung aufgebaut und meine Konfirmandinnen und Konfirmanden im Rahmen eines Praxistages mit zu meiner damaligen Polizeistation genommen. Während die Polizeikollegen sie mit in die Station nahmen, ihnen Türen öffneten, die anderen so nicht zugänglich waren und Einsatzfahrzeuge erklärt bekamen, sah ich in ihren Augen ein Strahlen, das sich sicherlich als eine gute Erinnerung an die manifestierte, die für unsere Sicherheit sorgen.

Innerhalb des Community Policing Projects konnte ich viele vertrauensbildende Projekte besonders mit Kindern und Jugendlichen erleben: die Youth Police Academy, die in den langen Sommerferien kostenlose Camps anboten und spannende Einblicke in die Polizeiarbeit schenkten; die NYPD Explorers, mit denen die deutsche Jugendfeuerwehr im polizeilichen Bereich vergleichbar ist; Familienfeste; Basketballturniere mit Cops und so vieles mehr. Die grundlegende Konstante hierbei war, dass Bürgerinnen und Bürger mit Polizistinnen und Polizisten in Kontakt kamen und so manches Vorurteil fiel. Im anderen den Menschen entdecken – ob in zivil oder Uniform- das prägt beide Seiten und hilft, den anderen zu verstehen.

Als Polizeiseelsorgerin würde ich mir aufgrund dieser Erinnerungen wünschen, dass wir Polizei und Bürgerschaft, alt und jung, egal welcher Herkunft oder finanziellem Status, die Möglichkeit geben, im anderen einen wertvollen Menschen zu entdecken. Das ist aus meiner Sicht die beste langfristige Prävention gegen solche schweren Silvesternächte.

Ich drückte nochmals gedankenverloren auf den kleinen Volkswagenbus. Vielleicht sollte ich eher die große Aufschrift der Verpackung „TRY ME“ mit „TESTE MICH“ im Bezug auf meine Ideen übersetzen. Wenn ich in entscheidender Position tätig wäre, würde ich ein Projekt anstoßen, durch das die evangelische Seelsorge in der Bundespolizei diese Menschen zusammenbringt und Vertrauen schafft. Bis vielleicht eine solche Person den Mut fasst, werde ich dies im Kleinen als Pfarrerin umsetzen. Bei meinen Konfirmanden hatte ich in New York den Anfang gemacht. Nun war es mein Patenkind, das durch seine Patin einen spielerischen Zugang erhielt. Und wer weiß, welche anderen Möglichkeiten Gott in unsere Hände legen möge.

Neujahrsgedanken: von Nächstenliebe und Respekt für Einsatzkräfte

Wie das alte Jahr endete, so begann das neue mit einer kleinen Laufrunde. Die Sorge um das eigene (körperliche) Wohl gehört für mich als Polizeiseelsorgerin integral dazu, damit ich auch anderen helfend zur Seite stehen kann. Nicht umsonst heißt es in Mk 12,31 nach dem Gebot der Gottesliebe eben auch: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Also: Laufschuhe an und einige Meter zur Fitness beisteuern… Im Gegensatz zum Neujahrstag musste ich einen Tag später beim Laufen nicht bei jedem Schritt darauf aufpassen, ob ich in Scherben oder andere spitze, gefährliche Gegenstände treten würde. Die fleissigen Hände der Stadtreinigung hatte viele Spuren einer für manche recht feucht-fröhlichen Silvesternacht beseitigt.

Als ich an einem „gesprengten“ Abfall vorbeilief, hielt ich kurz inne und seufzte. Musste so etwas wirklich sein? Aber im Gegensatz zu anderen Orten, handelte es sich hierbei „nur“ um einen Sachschaden. Die Berichte über in Gefahr gebrachte, sogar attackierte Einsatzkräfte an Silvester schockierte mich zutiefst. Die Schilderungen aus Berlin und anderen Orten machen mich sprachlos. Es scheint mancherorts zu unglaublichen Übergriffen gegen die zu geben, die für unsere Gesundheit und Sicherheit von Berufswegen sorgen. Ein lieber Freund, der als Notarzt nicht nur den schweren Dienst mit Tag- und Nachtschichten auf sich nimmt und seine Familienzeit daran anpasst, wurde von dem Sohn einer Patientin nicht nur angegriffen, sondern schwer verletzt.

Ich mache mir Gedanken um „meine“ Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter, die ich in ihrer polizeilichen Ausbildung begleiten darf. Was diese jungen Menschen alle eint, ist der Wunsch, einen helfenden Beruf zu erlernen. Nicht selten höre ich von deren Sprachlosigkeit und auch ihren Zweifeln, ob diese schwere und anspruchsvolle Berufung es wert sei Gewalt von denen erleben zu müssen, die sie eigentlich ursprünglich zur Hilfe riefen.

Als ich an einem „Böllerrest“ vorbeilief, musste ich an meine Zeit als Polizeiseelsorgerin in New York denken und auch die sieben Silvesternächte, die wir dort erlebt hatten. Aufgrund des Böllerverbotes waren es stattdessen Tonnen von Confetti, die die Straßen bedeckten. Aber ob diese Nächte aufgrund des Verbotes dort friedlicher verliefen, wage ich zu bezweifeln. Doch gleichzeitig erinnere ich mich an ein Jahr, indem die Einführung von „Body Cams“ heftig diskutiert worden war. Personen des öffentlichen Lebens und Vertreter von Institutionen waren zu einer Abstimmung eingeladen worden, die eruierte, ob diese Aufnahmemöglichkeit eingeführt werden sollte. Das Ergebnis, so versprach NYPD, sollte in Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Megametropole verbindlich umgesetzt werden. Damals stimmte ich für eine Verwendung von „Body Cams“ im Polizeidienst. In den darauf folgenden Jahren nach deren Einführung kam es neben der intendierten Transparenz polizeilicher Handlungen ebenso zu einer Dokumentation der Handlungen von Personen, die Teil der polizeilichen Maßnahmen waren. Besonders faszinierend fand ich damals, dass die Zahl der Übergriffe auf Polizeikräfte fielen und insgesamt ein besserer, deeskalierender Umgang miteinander feststellbar war. Irgendwie faszinierend, denn beide Seiten schienen nun vermehrter das ernst zu nehmen, was ich als Theologin als Gebot der Nächstenliebe bezeichnen würde: nämlich den anderen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.

Erfahrungen aus fast sieben Jahren New York als Auslandspfarrerin und ehrenamtliche Polizeiseelsorgerin. Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland ebenso durch eine flächendeckende Einführung von „Body Cams“ ähnliche Erfahrungen zum Schutze aller sammeln dürften.

Während ich an so manchem von Confetti und Böllerresten gesäumten Weg entlanglief, sprach ich ein kleines Gebet für diejenigen Einsatzkräfte, die in der Silvesternacht und an anderen Tagen Gewalt erleben mussten, damit die schrecklichen Wunden heilen mögen. Und gleichzeitig für diejenigen, die meinen, Gewalt gegen Einsatzkräfte ausüben zu müssen, damit sie von diesem falschen Weg abkommen. Bis beides eintrifft, bleibt mir wohl nur, meinen Freund darin zu stärken, dass die erlebte Gewalt sein Menschenbild nicht nachhaltig zum Wanken bringt, und für meine angehenden Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter in ihrer Ausbildung zuhörend und unterstützend da zu sein.

Von Jahreswechsel und Segenswünschen

Das Jahr 2022 geht zu Ende. Wie sicherlich Millionen andere Menschen, gönne ich mir die Zeit zur Rückschau. Das fast vergangene Jahr zu würdigen ist für mich wie ein kleiner Abschluss dessen was war, und macht mich bereit für das Neue, das vielleicht kommen wird.

2022 war ein sehr durchwachsenes Jahr. Das erlebte Spektrum der zwölf Monate des fast vergangenen Jahres hat mich kaum zu Atem kommen lassen.

Faszinierende Höhen erleben und dunkle Tiefen meistern,

wunderbare Erfahrungen machen und tiefe Verletzungen überdauern,

neue Freunde gewinnen und liebe Menschen verlieren,

Glücksmomente auskosten und schmerzhafte Enttäuschungen verarbeiten,

nie geahnte Leistungen vollbringen und gesundheitliche Herausforderungen schultern,

geschenkte Liebe dankbar entgegennehmen und erlebten Haß stehen lassen…

All diese Geschenke und Herausforderungen des fast vergangenen Jahres seien in Gottes gute Hände zurück gelegt. Möge er alles zum Segen werden lassen.

Gebet am Altjahresabend
Pfarrerin Miriam Groß

Was wird 23 bringen? Über die Bedeutung der Zahl haben sich viele den Kopf zerbrochen.

23 ist ungerade und eine Primzahl.

Der Biorhythmus nach Swoboda/Fließ wiederholt sich alle 23 Tage.

Ein einfacher menschlicher Chromosomensatz besteht aus 23 Chromosomen.

Den Spekulationen möchte ich in meinem Blog keinen Raum einräumen. Doch tröstlich fündig bezüglich der neuen Jahreszahl wurde ich in der Bibel: Psalm 23 ist ein wunderschöner Glaubenstext, der von großem Vertrauen in Gott spricht. Die Worte haben viele Generationen getragen. Für mich steht dieses kommende Jahr unter dem Motto dieses Psalms. Aus eigener Erfahrung schätze ich die tiefe Weisheit der Worte, die in meinem Leben schon oft eine große Relevanz hatten.

Zum Jahreswechsel möchte ich euch angelehnt an Psalm 23 einen kleinen Segenswunsch weitergeben.

Ich danke euch, allen Leserinnen und Lesern meines kleinen Blogs, dass ihr meinen Worten und Gedanken Raum und Zeit geschenkt habt. Möge Gottes Segen euch in 2023 begleiten!

Eure Miriam Groß

Der HERR ist mein Hirte, Möge der HERR in diesem Jahr mit dir sein,

mir wird nichts mangeln. damit du nicht darben musst.

Er weidet mich auf einer grünen Aue Möge er für dich sorgen

und führet mich zum frischen Wasser. und dir alles Notwendige zukommen lassen.

Er erquicket meine Seele. Möge er deine Seele nähren.

Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Möge er dich auf rechtem Weg führen.

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, Und solltest du durch dunkle Zeiten gehen.

fürchte ich kein Unglück; wünsche ich dir, dass du furchtlos bist;

denn du bist bei mir, denn Gott wird mit dir sein,

dein Stecken und Stab trösten mich. denn er wird dich leiten und bewahren.

Du bereitest vor mir einen Tisch Er möge für dich sorgen –

im Angesicht meiner Feinde. gerade dann, wenn Menschen es schlecht mit dir meinen.

Du salbest mein Haupt mit Öl Möge dir Gutes entgegenkommen

und schenkest mir voll ein. und mögest du ab und an Überfluss an Schönem erleben.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, Dein ganzes Leben sollst du wissen, dass du gesegnet bist,

und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar. damit du dich traust, im Glauben Wurzeln zu schlagen.

Pfarrerin Miriam Groß

Anbei ein kleines Grußvideo mit Segenswunsch zum neuen Jahr:

My dear Jewish friend 14: Inter-religious education and lessons to grow

After two public Christmas holidays, where we celebrated among our family, I headed back to work regenerated and full of hope despite the challenges on personal, professional, and political level.

For another year the Chanukah decorations – my small electric Chanukiah and the large wooden Dreidel from Israel – would rest in the large cupboard of my office. After placing the Chanukiah in front of a stack of Bibles longing to be used. Then, I carefully placed the Dreidel in front of it. The wooden art piece would forever remind me of a special lesson about Chanukah, inter-religious education, and own theological reflections on this Jewish celebration. As I slowly turned the dark Dreidel on its socket I remembered the astonished voice of a young police cadet.

But let me start with the lesson itself… : After the murderous crimes of World War II the number of Jews living in Germany presently is under 1% of the German population. Most of my police cadets have never had an encounter with Jews and only small knowledge about the living faith of Judaism. Therefore, during the festive season of Chanukah, I taught them about the history of this important festival showing them the Chanukiah and even playing a fun round of Dreidel. While I explained the historical background of your festival I could see that one police cadet sitting in the center of the class room looked very puzzled. He persistently raised his hand. I nodded, as I could feel the urgency of his question. „Mrs. Groß, please forgive my question, but I am confused. Are you Jewish?“ Now it was me being the astonished one. I set down the Dreidel on my desk. „No, I am not Jewish. But I have lived in New York for almost seven years. My children brought home many Jewish traditions. Some of my best friends are Jewish, and through Judaism I was able to understand a lot of my Christian faith.“ While the class then eagerly turned to playing a round or two of Dreidel, the question of the young police cadet stuck and evoked a deeper research on what Chanukah, Judaism and Christianity might have in common. Who would ever think, that an inter-religious lesson I had designed for my police cadets to help them with their ethical decision making, would help me to reach a deeper level of understanding of both faiths.

In the Christian Holy Scriptures we hear from Jesus celebrating most likely Chanukah:

At that time the festival of the Dedication took place in Jerusalem. It was winter, and Jesus was walking in the temple, in the portico of Solomon.

John 10:22-23 NRSV

The German Bible translation „Bibel in gerechter Sprache“ even directly speaks of Chanuka:

Damals fand in Jerusalem das Chanukkafest statt.

John 10:22 Bibel in gerechter Sprache

There is no further biblical proof, if Jesus celebrated Chanukah. But the reference seems very convincing to me and I will definitely add to my answer that Jesus was a Jewish Rabbi and most likely celebrated Chanukah like other Jews did.

With a soft push I closed the cabinet door, where the special objects of my teaching are stored. The Dreidel will forever remind me of this special lesson – by now I am convinced that I am challenged to grow as I teach as much as I challenge my young cadets to learn about other faiths, cultures, and festivals.

Love from Bamberg to my Jewish friend.

My dear Jewish friend 13: Shining lights of hope beyond Chanukah and Christmas

I sighed as I looked at the Chanukah decorations on our Christian Christmas tree. A few days earlier I had carefully placed a porcelain dreidel and festive window with a brightly lit Chanukiah in the center of our Christmas tree.

It was the eve of Christmas day and our two holiday seasons, Chanukah and Christmas, share one festive day, my thoughts had you on my mind. I vividly remember one Chanukah evening I was invited to speak about my family´s history, which represents like so many that of broken German history and more so the responsibility for present and future.

But now it was time to dim the light on this beautiful small window and our electric Chanukiah, which has accompanied us through your beautiful festival of lights. The lights of your beautiful festival might have been dimmed and those of Christmas will seize in a few days as well, but there is a light beyond that shines through us into this world.

A beautiful poem of Philip M. Raskin reminds us that the light will continue to shine:

The Rabbi tells his old, old tale,
     The pupils seated round.
“…And thus, my boys, no holy oil
     In the Temple could be found.

The heathens left no oil to light
     The Lord’s eternal lamp;
At last one jar, one single jar,
     Was found with the high priest’s stamp.

Its oil could only last one day—
     But God hath wondrous ways;
For lo! a miracle occurred:
     It burned for eight whole days.”

The tale was ended, but the boys,
     All open-eyed and dumb,
Sat listening still, as though aware
     Of stranger things to come.

Just wait, my boys, permit me, pray,
     The liberty to take;
Your Rabbi—may he pardon me—
     Has made a slight mistake.

Not eight days, but two thousand years
     That jar of oil did last,
To quell its wondrous flames availed
     No storm, no flood, no blast.

But this is not yet all, my boys:
     The miracle just starts.
This flame is kindling light and hope
     In countless gloomy hearts.

And in our long and starless night,
     Lest we should go astray,
It beacon-like sheds floods of light,
     And eastwards points the way,

Where light will shine on Zion’s hill,
     As in the days of old.
The miracle is greater, boys,
     Than what your Rabbi told

Philip M. Raskin – 1880-1944

As we as a Christian family are emerging ourselves into twelve days of the Christian festive season I know from our friendship that there is a light shining in both of us. A light of joy for the better, which we try to bring into our broken world large or small. May it kindle light and hope in countless gloomy hearts, which struggle.

Love from Bamberg on Christmas to my Jewish friend.

Von bärigen Symbolen und Hilfe für die, die helfen

Vorsichtig faltete ich die kleinen Hände um die Mandel und drückte sie sanft fest. Dann stach ich den nächsten Bären aus dem kalten Butterplätzchenteig aus. Während sich mein Backblech langsam mit einem Teil der Plätzchen-Hundertschaft für meinen Dienstort in der Bundespolizei füllte, wanderten meine Gedanken in eine längst vergangene Zeit.

Noch gut kann ich mich an eine amerikanische Comic-Sendung erinnern, in der „Care Bears“ (dt.: Glücksbärchis) als kuschelige Wesen sich um das Wohl von Menschen bemühten. Dort, wo die kleinen Bärchenplätzchen eine Mandel umarmten, trugen die Bären ein Symbol auf dem Bauch, das für die Gabe des jeweiligen Bärchen stand. Waren Menschen, und vor allem Kinder, in Schwierigkeiten geraten, so halfen sie mit ihrer jeweiligen Gabe.

Am Anfang meiner Tätigkeit bei der Bundespolizei stolperte ich über ein ganz anderes Bärenbild. Als ich vom Begriff des „Bärenführers“ erfuhr, war ich sehr verwundert. Aus der mittelalterlichen Geschichte hatte dieses Bild für mich eine durchaus negative Konnotation. Ein Bärenführer zähmte damals den wilden Bären und zwang ihn zu Tätigkeiten, die weder naturgemäß noch artgerecht waren. Die „Bärenführer“, die ich jedoch bei der Bundespolizei erlebt habe, wiesen die jungen Kolleginnen und Kollegen als erfahrene Vorgesetzte aufmerksam in die neue Tätigkeit als Polizistinnen und Polizisten im Praktikum ein und waren darauf bedacht, dass es dem anvertrauten Nachwuchs gut ging.

Ich schüttelte den Kopf, während ich das nächste Backblech voller Bären in den heißen Backofen schob. Was für „bärige“ Gedanken… Ich beschloss das Symbol des Bären als eines der Sorge und der Zuneigung zu deuten. Denn dies durfte ich vielfach am größten polizeilichen Aus- und -fortbildungszentrum der Bundespolizei erleben: Lehrende, die sich um den polizeilichen Nachwuchs kümmern und dort engagiert ihren Dienst tun. Die Seelsorge ist ein Teil dieser Sorge und ist gerne für die helfend da, die anderen helfen. Kurzerhand entschloss ich „Care Bären“ zu backen und als kleine „bärige“ Zeichen dieser Sorge weiterzugeben. Das Ergebnis könnt ihr hier sehen:

Ein herzliches Dankeschön an das Team der Druckerei des AFZ Bamberg, das mich bei der Umsetzung dieser Idee mit Rat und Tat unterstützt hat. ❤️