Kleider machen Leute – oder: von Erfahrungen innerhalb eines vielfältigen Amtslebens

Ein Beitrag zur Debatte um Kleidungskultur bei Pfarrpersonen

Kleider machen Leute. Dank des deutschen Lehrplans sind wohl die meisten von uns in der Schulzeit in die Geschichte des Schneidergesellen Wenzel Strapinski eingetaucht, der sich trotz Armut gut kleidete. Gottfried Keller gelang mit seiner Novelle „Die Leute von Sedwyla“ 1874 nicht nur eine der bekanntesten deutschen Erzählungen zu verfassen, sondern greift ein zentrales Thema auf, an dem keiner von uns vorbei kann: Kleidung und, dass wir mit ihr (bewusst oder unbewusst) Signale aussenden, die unter Umständen etwas über unseren Beruf, unsere Lebens- oder politische Einstellung, finanziellen Status und so vieles mehr aussagen.

Kleider machen oberflächlich betrachtet Leute.

Doch die Emotionalität, die auf ein Posting der Kirchlichen Studienbegleitung Bayern (KSB) folgte, in der sich Regionalbischöfin i. R. Susanne Breit-Keßler zu der Frage positionierte, was Pfarrpersonen anziehen sollten, verließ meiner Meinung nach jegliche Netikette. Das Sonntagsblatt. 360 Grad Evangelisch berichtete hierzu.

Die darauffolgenden Diskussionen haben mich angeregt, das Thema „Kleidung“ innerhalb meines beruflichen Lebensweges als Theologin und Pfarrerin näher zu betrachten. Daher öffne ich nun für euch meinen „dienstlichen“ Kleiderschrank, wie er sich veränderte und welche Gedanken damit verbunden sind.

Praxisjahr für Theologiestudierende – von Uniformen und Serviceorientierung

Nach vier Semestern Grundstudium und der damit akquirierten „Sprachenreife“ kam ich der damals üblichen Verpflichtung nach, mindestens ein Jahr außerhalb des kirchlichen Dienstes zu arbeiten. Eineinhalb Jahre arbeitete ich als Flugbegleiterin bei Japan Airlines (JAL) und war das erste Mal mit Fragen bezüglich Uniform konfrontiert worden. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Wahl der Kleidung zumeist eine individuelle Entscheidung gewesen, die sich teilweise an vermuteten Erwartungen (wie z.B. öffentlichen Veranstaltungen) orientierte. Nun wurde im Beruflichen der Maßstab von der Fluglinie vorgegeben, in dem nur wenig eigener Spielraum für Individualismus war.

Im „Style Book for Cabin Attendants“ (dt. „Stilbuch für Flugbegleiter“, Üs. MG) schrieb der damalige Geschäftsführer Yoshiro Ashiba:

Keep in mind that customers are always looking at you.

Naturally, the uniforms you wear are important for projecting the proper image to our customers but, as always, we should reconfirm now that it is you as an individual who determines wether your customers receive an impression of a caring, dependable and professional attendant when they encounter you.

Japan Airlines, Cabin Services Dep.: Style Book for Cabin Attendants, p. 1

(Übersetzung: siehe Anmerkung 1)

Hierbei war alles genau geregelt: Ob Hierarchie, Schuhwerk, Frisur, Nagellack oder Make-Up. Alles unterlag den Vorschriften der Fluggesellschaft.

Die Uniform hatte zum Ziel die Serviceorientierung der Fluggesellschaft, ein attraktives Äußeres und Funktionalität zu vereinen, um JAL als erstklassigen Dienstleister darzustellen. Die Individualität der Person und die Freiheit zur eigenen Gestaltung fand hierbei nur in engen Grenzen einen Raum.

Kleider machen Leute und Flugbegleiter in ihrer Rolle als Dienstleistende transparent.

Auslandsdienst in der Church of Scotland – von Individualität und Freiheit

Nach erfolgreichen bayerischen Examen und Ordination ging es zum Auslandsdienst in der Church of Scotland. Hier legte ich das dortige reformierte Examen ebenso ab und durfte drei Jahre als Inselpfarrerin auf Orkney arbeiten.

Während in den deutschen Landeskirchen unterschiedliche Kleiderordnungen herrschen, schreibt die Church of Scotland als sogenannte „Broad Church“, die verschiedene Frömmigkeitsformen in sich versucht zu vereinen, keine solche vor. Aufgrund der schmerzhaften Geschichte, die von Streitigkeiten und Kirchenspaltungen dominiert worden war, stellte die freiheitliche Gestaltung des Amtes auf dem Boden der eigenen innerprotestantischen Glaubensrichtung ein hohes Gut da. Ich durfte dort ebenso meinen bayerischen Talar mit Samtsattel tragen, wie Kollegen einen Cassock, der seinen Ursprung in der römisch-katholischen Kirche hat. Manch ein Kollege trug durchaus sehr farbenprächtige Gewänder und mit etwas Neid schielte ich ab und an zum Kollegen, der in „Kirchenlila“ einen wunderschönen Cassock trug – eine Farbe, die in Bayern Regionalbischöfinnen und -bischöfen vorbehalten ist und mir als einfacher Pfarrerin wohl immer verwehrt bleiben würde. Nach erfolgreich bestandenen schottischen Examen schenkte mir meine Gemeinde eine Stola, die mich nicht nur als „Menschenfischerin“ sichtbar werden ließ, sondern auch durch das maritime Bild meinen damaligen Tätigkeitsort anklingen ließ.

Kleidung war in der Church of Scotland eine Frage der eigenen freiheitlichen Entscheidung und konnte als Spiegel der persönlichen religiösen Verortung diese öffentlich sichtbar werden lassen.

Kleider machen Leute, schenken Freiheit und können unter Umständen ein äußerer Ausdruck religiöser Verortung der Pfarrperson sein.

Gemeindepfarramt in Bayern – von der Frage nach Freiheit und Vorschriften

Wieder in die bayerische Landeskirche zurückgekehrt, musste ich die gestalterische optische Freiheit abrupt hinter mir lassen. Zwar hatte ich nie meinen bayerischen Talar mit Samtsattel abgelegt, was ich jedoch unter dieser Amtskleidung trug, hatte ich stets in Eigenverantwortung gewählt.

Nun war es nicht die Landeskirche, sondern ein Kirchenvorstand, der die Freiheit der Kleidung unter dem Talar festlegte: selbst die zu tragenden Schuhe und Strümpfe mussten eine gedeckte Farbe haben – und am besten schwarz sein. Für mich war dies nur eine vieler Ausdrucksformen eines Ringens um eine Sichtbarkeit von Kirche, wie sie z.B. durch diejenigen geschieht, die Gottesdienste leiten.

Noch heute empfinde ich die damalige Bekleidungsregelung als eine Einschränkung. Wahrscheinlich hätte ich von mir aus kein gewagtes Schuhwerk noch schrillbunte Socken unter meinem sehr schlichten bayerischen Talar getragen, aber es war der Inhalt, der mir zu schaffen machte: Wer durfte in welchem Maß bis hin zur selbstgewählten Bekleidung unter der Amtsrobe über eine Pfarrperson entscheiden, die eigentlich aufgrund des Evangelischem einer persönlichen Freiheit des Glaubens verpflichtet war? Aus einer freiheitlich orientierten Kirche wie der Church of Scotland kommend, war es für mich hartes Brot… Doch was Paulus damals über die Rücksicht auf das Gewissen schrieb, wurde mir Richtschnur: mag es Opferfleisch oder Socken sein.

Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf. Niemand suche das Seine, sondern was dem andern dient.

1. Kor 10,23-24

Kleider machen Leute, aber nicht alles ist hilfreich.

New York, New York – bunte Vielfalt als Spiegel der göttlichen Schöpfung

Mit meiner Tätigkeit als EKD-Auslandspfarrerin in New York öffneten sich für mich neue Welten: theologisch konnte ich in einer Vielfalt wachsen, derer ich in dieser turbulenten und vielfältigen Stadt auf Schritt und Tritt begegnete. Buntes Miteinander war der Erfahrungshorizont, der mich zutiefst prägte und durch die Multireligiösität, die mir in der interreligiösen Arbeit an der UN, aber auch innerhalb der NYPD entgegen kam, ein wunderbarer Schatz, der mir eine eigene Identität als lutherische Pfarrerin in einer vielgestaltigen, globalisierten Welt ermöglichte.

Spiegel hierfür war meine klerikale und durchaus feminine Kleidung, die ich bei einer Bekannten aus meiner schottischen Zeit erworben hatte: Kleider, Blusen und Röcke für Frauen im Pfarramt. Zugegebener Maßen ließ ich Lila aus besagten Gründen aus. Doch neben vielfachem, gedeckten Schwarz, gibt es auch in meinem Kleiderschrank klerikale Kleidung in Alltagsblau, Pfingstrot oder Trinitatisgrün. Dazu schönes Schuhwerk. Es bereitete mir Freude, feminine Aspekte in meine Berufskleidung zu integrieren, wobei ich die lebhafteren Farben nie unter meinem Talar, sondern zu Empfängen und wichtigen Ereignissen je nach Anlass und Kirchenjahr trug.

(Kleidung von „House of Ilona“. Leider stellt Camelle Ilona diese nicht mehr her.)

In dieser beruflichen Phase tat mir die Möglichkeit sehr gut, feminine geistliche Kleidung zu tragen, denn zumeist habe ich in einem schmerzhaft dominanten männlichen Umfeld erlebt, wie weibliche Sichtweisen wenig gehört und noch weniger gesehen wurden.

Kleider machen Leute und geben Frauen die Möglichkeit, einem traditionell männlichem Beruf eine feminine Note zu verleihen.

Im Einsatz der Bundespolizei – Uniform und äußere Uniformität

Mit dem Beginn meiner Tätigkeit als Polizeiseelsorgerin in der Bundespolizei wurde mir eine neue Verantwortung übertragen: mit der Uniform war ich in die doppelte Verantwortung gegenüber der Bundesrepublik und der Kirche gestellt. Bereits im Bewerbungsgespräch fragte mich mein jetziger Vorgesetzter, ob ich Vorbehalte gegen das Tragen einer Uniform hätte.

Ihren Ausdruck bekam die Doppelverantwortung durch eine polizeiliche Uniform auf deren Schultern ich sprichwörtlich mein Kreuz trug. So ließ ich äußerlich meine evangelische und feminine Gestaltungsfreiheit hinter mir und tauchte als Seelsorgerin in die Welt einer Sicherheitsbehörde ein.

Beim Tragen der Uniform ist Genauigkeit nicht nur in der Tätigkeit gefordert, sondern im Dienst und verleiht diesem Anspruch den äußeren Ausdruck durch das richtige Tragen der Uniform. Die Polizeidienstvorschrift (PDV) 014 regelt die Bestimmungen zum Erscheinungsbild und das Tragen der Dienstkleidung in der Bundespolizei. Hierin werden die Grundformen aller zu tragender Dienstkleidung sowie die zur jeweiligen polizeilichen Aufgabe und aus verschiedenen Anlässen notwendigen Abweichungen geregelt. Ein mir sehr wertgeschätzter Kollege, wies mich in die Regularien ein und half mir damit manche dienstliche Klippe zu umschiffen.

Ich lernte durch meine Tätigkeit als Seelsorgerin in der Bundespolizei, dass das Tragen einer bestimmten Form von Kleidung – nämlich der Uniform einer Sicherheitsbehörde – mit viel Verantwortung einhergeht.

Kleider machen Leute und machen unter Umständen die Verantwortung des Amtes transparent.

Eine kleine Reflexion zu Dienstkleidung anhand meiner eigenen dienstlichen Stationen als Pfarrerin und Seelsorgerin.

Gottfried Keller hatte Recht: Kleider machen Leute. Aber wir sollten Aspekte, die mit ihr in unserer Tätigkeit als Pfarrpersonen transportiert und vielleicht sogar dadurch vielschichtig diskutiert werden, nicht vergessen: Dienstleistung, Freiheit, Hierarchie, Einschränkung, Identität, Gleichberechtigung und Verantwortung.

Kleider machen Leute und machen Aspekte von Dienstleistung, Freiheit, Hierarchie, Einschränkung, Identität und Verantwortung sichtbar.

Ich wünsche mir so sehr, dass die von Frau Breit-Keßler begonnene Diskussion in evangelischer Freiheit, aber auch Würde geführt wird. Denn eine Antwort ist ebenso schwer zu geben, wie Kleidung vielgestaltig ist – eine adäquate Umsetzung kann wohl nur im jeweiligen Umfeld verantwortlich getroffen werden und erfordert eine gewisse Flexibilität im Denken, Reden und Agieren.


(1) Denken Sie daran, dass Kunden Sie immer ansehen. Natürlich sind die Uniformen, die Sie tragen, wichtig, um bei unseren Kunden den richtigen Eindruck zu vermitteln, aber wir wollen ebenso bekräftigen, dass Sie als Einzelperson darüber entscheiden, ob Ihre Kunden den Eindruck eines fürsorglichen, zuverlässigen und professionellen Flugpersonals haben, wenn sie Ihnen begegnen. (Üs. MG)

Lesen gegen Hass 3: Vergesst den Ukraine-Krieg nicht!

Während ich den in Orange-, Grün- und Gelbtönen gehaltenen Graphic-Novel las, umgab mich leise Begleitmusik. Als ich zur nächsten Seite umblätterte, musste ich erstaunt innehalten.

I’m gonna lay down my burden, 
Down by the riverside,  
Down by the riverside,  
Down by the riverside.  
Gonna lay down my burden,  
Down by the riverside,  
Down by the riverside. 


I ain’t go study war no more,  
study war no more, 
ain’t go study war no more. 
I ain’t go study war no more, 
study war no more, 
ain’t go study oh war no more.

Gospel „Down by the riverside“

Ich erhöhte die Lautstärke während ich verdutzt die nächste Seite des Graphic Novel umblätterte. In der elften Kalenderwoche erzählten eine ukrainische Journalistin und ein russischer Künstler jeweils von der sie umgebenden Traurigkeit über einen Krieg, der beide zutiefst betraf. In dieser Woche hatte der russische Künstler ein Konzert des ukrainischen Sängers Ivan Dorn besucht, währenddessen dieser Aufnahmen aus dem Krieg zeigte, die zu Tränen rührten.

Sich mit Krieg nicht auseinanderzusetzen wie dies im alten Gospel beschrieben wird, ist gegenwärtig unmöglich. Hilfreich ist es zu wissen, dass dieser höchstwahrscheinlich im Anschluss an den Sezessionskrieg im Juni 1865 bzw. des ersten Weltkrieges als Ausdruck einer Kriegsmüdigkeit entstand. Die Gospel-Lyrik von „Down by the Riverside“ hat biblische Wurzeln, die in vielfacher menschlicher Ungerechtigkeitserfahrung und dem Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit ihre sehnsuchtsvolle Quelle haben. Grundlage für diesen Gospel waren Bibelabschnitte wie Mi 4-5 und die zu Tage tretende Diskrepanz zwischen Sehnsucht nach einem Friedensreich und harter, ja manchmal sogar brutaler Realität in Auseinandersetzung, Gewalt und Tod.

Als Christin und Theologin sehne ich mich ebenso nach einem solchen Friedensreich, aber angesichts der vielen Kriege, vor allem des Ukraine- und Israel-Gaza-Krieges werde ich ratlos. Was soll ich meinen Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern sagen? Welchen Deutungshorizont kann ich ihnen in dieser schwierigen Zeit geben? Selbstverständlich könnte ich multiple Lehren wie sie beim biblischen Pazifismus, bei Augustin, Thomas von Aquin und Kant zu finden sind, im Unterricht ausbreiten. Aber reichen diese ethischen Modelle und postulierten Handlungsmaximen? Sind sie nicht vielmehr überheblich, wenn auf sie allein zurück gegriffen wird – noch dazu wenn die lehrende Person, die in einem sicheren Land lebt, keine Kriegserfahrung und – betroffenheit hat?

Daher werde ich in meinem berufsethischen Unterricht andere zu Wort kommen lassen und hierdurch einen Anknüpfungspunkt für einen Umgang mit Krieg und Frieden suchen, der in einer persönlichen Perspektive Betroffener liegt. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass Polizistinnen und Polizisten in ihrer Handlungskompetenz eine ganz konkrete Schlüsselkompetenz für unsere Demokratie und Gesellschaft übertragen bekommen, die sich in der Wahrung der Menschen- und Grundrechte im Umgang mit dem Einzelnen ausdrückt.

Einen Zugang zu einer persönlichen Perspektive kann der Graphic Novel „Im Krieg“ von Nora Krug schenken. Nach „Heimat: ein deutsches Familienalbum“ und „Über Tyrannei – zwanzig Lektionen für den Widerstand“ ist dies der dritte Graphic Novel von Nora Krug, den ich in meiner Reihe „Lesen gegen Hass“ vorstelle. Dieser ist in Englisch, Deutsch und Koreanisch erschienen.

In diesem Bildroman begleitet die deutsch-amerikanische Illustratorin eine ukrainische Journalistin und einen russischen Künstler. Aus einem persönlichen Blickwinkel werden zwei Leben im Krieg portraitiert und zwei Tagebücher über ein Jahr nebeneinander Woche um Woche dargestellt. Hierzu hatte Nora Krug wenige Tage nach der russischen Invasion der Ukraine zu einer ukrainischen Journalistin in Kiew und einem russischen Künstler in Sankt Petersburg aufgenommen. Es sind persönliche Einblicke, die dem Leser und der Leserin in deren Leben geschenkt wird. Wir begleiten sie in ihrem Kriegserleben zu ihren Familien und Freunden, zu ihrer Arbeit und dem Meistern eines Lebens, das durch den Krieg komplett auf den Kopf gestellt wurde.

Der Bildroman schafft eine persönliche Ebene, die Betroffenheit und Nähe schenkt und damit einen Zugang für einen Unterricht jenseits abstrakter Kriegs- und Friedenstheorie ermöglicht. Dies ist wichtig, denn Polizistinnen und Polizisten handeln stets im Konkreten und beeinflussen unter Umständen Leben nachhaltig in deren Verlauf.

Ich gebe zu, dass auch ich manchmal angesichts der vielen Kriege, vor allem des Überfalls der Hamas auf Israel und Russlands auf die Ukraine trotz meiner Lebenswirklichkeit in einem demokratischen Land zu leben, in dem Frieden herrscht, kriegsmüde werde. Gerne würde ich mit in den Gospel einstimmen und singen: „I ain’t go study war no more“. Aber ich bin es denen schuldig, die konkret unter Krieg, Gewalt und Tod leiden, dass die gestärkt werden, die für unsere Demokratie einstehen werden. Gegenwärtigen und zukünftige Generationen, die durch Bildung und Unterricht zugerüstet werden.

In meinem Falle sind es die angehenden Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei. Wie diese Frieden und Gerechtigkeit umsetzen, kann im Rahmen des geltenden Gesetzes und des eigenen Gewissens nur jeweils die einzelne Person entscheiden und in ihrem Handeln transparent werden lassen. Und bei anderen sind es die jeweiligen Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, Kinder, Enkel oder Patenkinder, die ihnen anvertraut sind.

Ich drehte die Musik noch etwas lauter – meine Gedanken verloren sich im sehnsuchtsvollen Klang des Gospels und Bildern von Musikerinnen und Musikern rund um den Globus, die diesem Sehnen vielgestaltig Ausdruck verliehen.

#WeRemember : Bildung als wichtigste „Waffe“ gegen Antisemitismus

Gedanken einer Polizeiseelsorgerin

Grußwort zum Internationalen Tag des Holocaust-Gedenken, Israelitische Kultursgemeinde Bamberg

Das folgende Grußwort habe ich im Rahmen der Gedenkveranstaltung anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocausts in der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg gesprochen. Es sind persönliche Perspektiven, einer Polizeiseelsorgerin, die nicht nur das Gedenken, sondern auch die Tätigkeit angesichts schwieriger gesellschaftspolitischer Entwicklungen in den Mittelpunkt stellt:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Die Zeit vergeht wie im Flug. Vor drei Jahren saß ich im Flugzeug und sah gespannt aus dem Fenster während meine alte Heimat New York immer kleiner wurde und schließlich unter den Wolken verschwand. Unendlich viele Gedanken gingen mir durch den Kopf während ich eine Stadt und ein Land hinter mich ließ, das fast sieben Jahre meine Heimat war.

Besonders schmerzhaft war es, meine jüdische Freundin Pam, ihre so wunderbar engagierte jüdische Tafel und ihre Synagoge, die mir eine geistliche Heimat geworden war, zurücklassen zu müssen.

Tröstlich für uns beide war der Grund meines Rückzuges nach Deutschland – ein Auftrag, zu dem ich berufen worden war: im größten bundespolizeilichen Aus- und Fortbildungszentrum als Seelsorgerin die nächsten Generationen von Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärterinnen nicht nur zu begleiten, sondern sie innerhalb des Faches Berufsethik zu wappnen, um gegen Antisemitismus, Rassismus und jegliche Form des Extremismus vorzugehen und als Hüterinnen und Hüter unser Grundgesetz gegen jedweder Angriffe tätig zu schützen.

Es waren Tränen der Trauer, aber auch der Zuversicht, die damals flossen, denn wir beide wussten aufgrund der Geschehnisse in USA, wie notwendig dies war. Dort hatten wir gemeinsam die sehr diskutable Trump-Administration durchlebt, gingen gemeinsam zu hunderttausenden aufgrund eines antisemitischen Anschlages in New Jersey auf die Straßen und setzten Zeichen gegen diese schlimme, mörderische Irrlehre, die unverhohlen in einer der ältesten Demokratien zu Tage trat, durch Wort und Tat. Damals war ich froh und dankbar, dass dies in Deutschland nicht so war. Doch um dem vorzuschützen drang ich zu einer Rückkehr, um im Herzen der Demokratie die zu wappnen, die für sie im Extremfall einzustehen hätten: Polizistinnen und Polizisten in der Bundespolizei.

Aber die Zeit vergeht wie im Flug. Drei Jahre sind so schnell ins Land gegangen und was ich vorher als Prävention betrachtete, die eine weit weg stehende, vielleicht sogar in Deutschland eher unwahrscheinliche Variante von besorgniserregenden Geschehnissen betrachtete, trat nun sichtbar in unserem Land die Öffentlichkeit:

mit der Enthüllung einer Zusammenkunft rechter Kräfte in der Villa Adlon am Lehnitzsee in Potsdam am 25. November 2023 wurde bittere Realität, was ich befürchtet hatte und daher mit Bildung dagegen vorgehen wollte.

Während ich den Berichterstattungen lauschte, wurde Anklänge an die lang vergangene Geschehnisse umgehend vor meinem inneren Auge wach. Vielleicht ging es Ihnen ja genau so wie mir?

Damals, am 20. Januar 1942, waren hochrangige Vertreter des NS-Regimes zu einer Besprechung in einer Villa in Berlin-Wannsee zusammengekommen, die als Wannsee-Konferenz in die Geschichte einging, um ihren mörderischen Plan zu vereinbaren, auszuarbeiten und schließlich umzusetzen.

Aus meiner Sicht ein wahrer Alptraum.

Die Analogien haben viele aufgeschreckt und zu Demonstrationen auf die Straßen Deutschlands gegen das menschenverachtende Gedankengut gesandt. Ich bin dankbar um diese wichtigen Zeichen der Demokratie – denn mit dem Grundgesetz ist das Demonstrationsrecht in Art. 8 GG gesichert. Ich kenne eine Reihe von Pfarrkolleginnen und -kollegen, die das erste Mal dieses Recht in Anspruch nahmen und an einer der Demonstrationen gegen rechts teilnahmen. Auch ich war selbstverständlich Teil dieser Zeichensetzung, so wie ich es in meiner New Yorker Zeit gegen Antisemitismus, Rassismus und andere Formen des Hasses war. Noch gut erinnere ich mich an eine Demonstration, wo wir zu hunderttausenden über die Brooklyn Bridge marschierten, um gegen den unverhohlenen Antisemitismus, der in der Amerikanischen Gesellschaft zu Tage getreten war, mit meiner Partnerorganisation American Jewish Committee ein unübersehbares Zeichen zu setzen: wir sind viele und eine Mauer gegen Hass! Was damals so war, erlebte ich nun hier in Bamberg ebenso.

Dennoch bin ich als Pädagogin, Ethikerin und Pfarrerin der Meinung, dass es mehr bedarf als Zeichen der Solidarität. Bildung ist die wichtigste Waffe, die wir haben, um die gegenwärtigen und kommenden Generationen zu stärken und für unseren Kampf um Demokratie, Menschenrechte und ein Grundgesetz, das alle schützt, zu gewinnen.

Nie wieder darf geschehen, was im damaligen mörderischen NS-Regime geschah. Über 6 Millionen Menschen wurden brutal ermordet. Aber auch dies ist nicht nur das dunkelste Kapitel unserer Menschheitsgeschichte, sondern es wird seit dem 7. Oktober weitergeschrieben!

Nie wieder darf geschehen, was am 7. Oktober durch den brutalen Überfall der Hamas und deren Morden geschehen ist. Ich habe keine Worte für diese Geschehnisse – aber für mich sind sie eine Fortsetzung des Holocaust und zwar auf dem Boden des Heiligen Landes, das eigentlich ein Schutzort und eine sichere Heimat für Jüdinnen und Juden sein soll.

Die evangelische Seelsorge in der Bundespolizei steht mit ihren Seelsorgerinnen und Seelsorgerinnen im gesamten Bundesgebiet und wir als Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum vor Ort hier in Bamberg dafür ein,

dass Menschenhass mit keinem Wimpernschlag, keiner Geste geduldet wird,

dass Mord und Qual aufgrund von Religion, Abstammung und Nationalität keinen Ort in unserem Land hat,

dass unser Grundgesetz, das zum Mittelpunkt die Menschenwürde hat, geschützt und als für alle gleichermaßen gültig umgesetzt wird.

Dies habe ich nicht nur damals als ich New York verließ, meiner jüdischen Freundin versprochen, sondern dem bin ich als deutsche Staatsbürgerin zutiefst verpflichtet. Wir stehen mit Israel und verurteilen jegliche Form des Antisemitismus, Rassismus und Extremismus. Unsere Hauptwaffe hierbei ist Bildung, die jeder angehende Polizist und Polizistin erhält.

Lassen Sie uns daher zusammenstehen – Zeichen der Solidarität und der aktiven Geschwisterlichkeit nicht nur punktuell setzen, sondern es durch unser Leben und Handeln weben.

Am Israel Chai.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 

Pfarrerin Miriam Groß, IKG Bamberg, 28.1.2024
(Bild: Patrick Nitzsche, Antisemitismusbeauftragter der Stadt Bamberg)

Von Erinnerungen an JAL, Extremsituationen und berufsethischem Unterricht

Ich rüttelte ungeduldig mit kleinen, aber bestimmten Bewegungen an der Besteckschublade. Mal um Mal verkeilte sie sich aufgrund der unterschiedlich großen Besteckteile: ob kleiner Espresso-Löffel, spitz-zulaufende Fleischgabel, Buttermesser oder Kinderbesteck, alles besondere aus der heimischen Bestecksammlung war hier verstaut. Ich seufzte als die Schublade sich endlich öffnete. Als „Übeltäter“ stellte sich ein kleiner Babylöffel in Flugzeugform heraus. Vorsichtig nahm ich den in die Jahre gekommenen Löffel heraus, auf dessen Oberfläche in bunter Schrift „JAL BABY CRUISE“ aufgedruckt war. Nachdenklich sah ich den Löffel an, mit dem so viele Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit bei Japan Airlines (JAL) verbunden war.

Gestern erst war ein Passagierflugzeug des Typs A350 meiner ehemaligen Fluggesellschaft am Flughafen Haneda mit einem Flugzeug der Küstenwache zusammengestoßen und vollkommen in Flammen aufgegangen. Alle 379 Passagiere überlebten dank des schnellen Reagierens der Besatzung. Welch eine große Leistung! Vor solchen und anderen Notfällen haben alle Crew großen Respekt – während meiner Fliegerzeit hatte ich keine größeren Notfälle mit begleiten müssen. Schlüssel, um diese und andere Extremsituationen zu überstehen, ist eine gründliche Ausbildung für diese Situationen.

Während meiner Ausbildung zur Flugbegleiterin bei JAL hatte ich daher gemeinsam mit meinen Kolleginnen ein ausführliches Notfalltraining in deren Trainingszentrum in Tokyo durchlaufen. In all dem Ernst machten all die Inhalte unglaublich viel Spaß, denn die Situationen wurden äußerst realistisch simuliert und so lange wiederholt, bis auch das kleinste Detail wie im Schlaf saß. Noch heute kann ich mich an die Kommandos in Japanisch und Englisch erinnern. Aus meiner Trainingszeit habe ich noch eine kleine Erinnerungskarte für die wichtigsten Punkte bei einer Notfall-Landung, die Crew zu beachten haben, um richtig reagieren zu können. Während Pausen habe ich immer wieder kurz die dunkelgrüne Karte herausgezogen und mich an die Stichpunkte wieder in Erinnerung gerufen. Man wusste ja nie… Bis heute bin ich dankbar, dass ich in den über 1200 Flugstunden dieses Wissen nie anwenden musste.

Was übrig lieb, sind wunderbare Erinnerungen an eine besondere Zeit – von manchem erzähle ich viele Jahre später meinen Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern im berufsethischen Unterricht, wenn es um Extremsituationen geht. Von randalierenden Passagieren und Herzstillständen. Und von der Ausbildung für Extremsituationen in Tokyo. Sie reichte von Bränden an Bord über Notlandungen mit Evakuierung über Rutschen bis hin zu stürmischen Wasserlandungen und Rettungsbooten. Schlüssel für ein Meistern dieser und anderer Extremsituationen ist es, die Abläufe zu verstehen, in ihrer Abfolge einzustudieren bis sie automatisch ablaufen. In der polizeilichen Ausbildung sind dies zahllose Abläufe, die so in Extremsituationen das Leben der Betroffenen retten werden.

Die Crew der JAL-Maschine hatte die Ausbildung, die ich vor langem erhalten hatte sicherlich in derselben Intensität und Genauigkeit durchlaufen und hart geübt bis die Abläufe in Fleisch und Blut übergegangen waren, und so allen 379 Passagieren das Leben gerettet.

Der Babylöffel von JAL lag leicht in meiner Hand. Er schien so klein und die Erinnerungen an die längst vergangene Zeit so weit weg. Die verbleichende Schrift stimmte mich etwas wehmütig, da ich sicherlich nie wieder einen Umlauf fliegen würde oder für andere Extremsituationen ein Training in dieser Weise erhalten würde. Doch wenigstens meine Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter würden von den spannenden, etwas verrückten, aber für polizeiliche Perspektiven sehr praxisnahe Geschichten einer Polizeipfarrerin profitieren.

My dear Jewish friend 19: Important Alliances to combat Antisemitism and hate

The downpour of rain came steady and hard. As I excited the car and stepped on the sidewalk I pulled my Police cap as deep as possible into place and quickly made my way to the old church of St. Johannes in the center of Munich. Due to present renovations it was quite a challenge to find the entrance to this traditional Lutheran church, which was build in 1916. After placing my wet Police cap and jacket on the wardrobe I was warmly greeted by Dr. Philipp Hildmann, who would be inducted into his office as the director of the „Bayerisches Bündnis für Toleranz- Demokratie und Menschenwürde schützen“ (Engl.: Bavarian Alliance for Tolerance – Protecting Democracy and Human Dignity).

He had invited me to be part of the intercessory prayers at his introductory service on Dec 12. What an honour in times like these, where Antisemitic crimes are on the rise in Germany and around the world. Since the attack of the Hamas on Israel Oct 7 the unbelievable high number of 1100 incidents have occurred until Dec 21 in Germany (Source: Bundeskriminalamt). According to Holger Münch, the President of the Bundeskriminalamt the dimension in the area of ​​these crimes are new (Neue Zürcher Zeitung). He emphasized that Antisemitism increased on both the left and right spectrum, but was also imported. „Many people have come to our country from regions where Israel is seen as an enemy and where the idea prevails that Jews must be fought,“ said Münch (Source: Jüdische Allgemeine; translation MG). An important area to combat this terrible hate crime will therefore be education, where new members of our German society learn about our history and values, which have their highest expression in Democracy and human dignity.

The present developments show drastically how important it is to form strong alliances against Antisemitism, extremism and any form of hate. As a Police Chaplain involved in educating the next generations of police officers within the German Federal Police I hope to make a difference through the education I provide.

As Philipp stood at the altar surrounded by our new Bishop Christian Kopp and the Roman Catholic Bishop Dr. Bertram Maier, numerous representatives of the churches, government and institutions, my heart stopped for a beat as I prayed for this courageous man, who is the face of one of the most important alliances in Germany. His task will be a hard one in these unbelievable difficult times, but we as his partners will stand strong together with him. We will carry him through in times of trouble and need.

The weather on this day might have been barren outside of the church, but within it was warm and welcoming. As I excited the old building and quickly made my way to the car through the continuing downpour I knew: Philipp might experience many a challenge and most likely countless rainy days, but the people, institutions and organisations of the Alliance will keep him and anyone secure as we move forward to combat Antisemitism, extremism and hate in any form.

Lesen gegen Hass 2: Literaturtipps zur Antisemitismusprävention für Pädagoginnen und Pädagogen

Schülerinnen und Schülern für ein Thema durch eine besondere Zugangsweise zu sensibilisieren ist für Pädagoginnen und Pädagogen von großer Relevanz. Graphic Novels stellen für mich im Sekundär- und Tertiärbereich der deutschen Schulbildung eine wichtige Zugangsmöglichkeit dar. Hierüber schrieb ich in einem vorhergehenden Blogpost (Link).

Nun stelle ich verschiedene Literaturtipps zur Antisemitismusprävention vor, die vor allem an Pädagoginnen und Pädagogen gerichtet sind, die in Sekundär- und Tertiärstufen unterrichten. Die meiste Literatur ist in deutscher Sprache erhältlich – wo dies nicht der Fall ist, weise ich darauf hin.

Dieser Blogeintrag soll eine Hilfe für Kolleginnen und Kollegen sein, um ihr eigenes Wissen gegen Antisemitismus zu stärken und durch Bildung gegen diese menschenverachtende, tödliche Häresie durch Bildung vorgehen zu können. Für die Vorstellung der Literatur habe ich einen Weg gewählt, der versucht, eine zeitliche Achse mit der Grundsätzlichkeit der Bücher zu kombinieren. Die Abfolge stellt keine Wertung in deren Bedeutung da, vielmehr gehören diese zu einer Vielzahl wichtiger Publikationen und wecken hoffentlich weiteres Interesse zur Vertiefung dieses Themas.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung ist die wichtigste Waffe gegen Antisemitismus und jegliche Form des Menschenhasses. Lest gegen Hass und gebt dieses Wissen an die euch anvertrauten Schülerinnen und Schüler weiter!

„Die Natur des Vorurteils“ von Gordon Allport

Aus dem Englischen – als Übersetzung erhältlich

„The Nature of Prejudice“ (1954) wurde von Gordon Allport (1897-1967) verfasst, einem amerikanischen Psychologen, der mit diesem Werk die Grundlage für die Vorurteilsforschung gelegt hat. Laut Springerverlag ist es das meistgelesene Buch innerhalb der Sozialpsychologie.

Für mich war dieses Buch trotz der inkongruenten Bezugsgruppe (weiße, protestantische, amerikanische Männer) ein Augenöffner für eine Erklärung und einen Umgang mit Vorurteilen, die sich bis hin zu extremen Hass entwickeln können. Nicht nur stellte Allport das Aggressionskonzept von Sigmund Freud in Frage, sondern führte stattdessen ein Feedback- und Kommunikationsmodell ein. Der nachhaltigste Beitrag, der Politik und Gesellschaft veränderte, war sein Plädoyer für einen Kontakt zwischen Gruppen, die Vorurteile gegeneinander hegten, um somit Vorurteile vorzuschützen und daraus eventuell entstehenden Hass zuvor zu kommen.

Wer sich für die sozialpsychologische Betrachtung der Entstehung von Vorurteilen und Hass interessiert und durch einen theoretisch fundierten Hintergrund hiergegen in Schule und Bildungseinrichtungen vorgehen möchte, sei dieses Buch ans Herz gelegt.

„Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten – Tagebücher 1933 bis 1945“ von Victor Klemperer

In Deutsch erschienen

Der deutsche Literaturwissenschaftler, Romanist und Politiker Victor Klemperer (1881-1960) ist einer der wichtigsten Zeitzeugen der NS-Schreckensherrschaft und deren mordender Brutalität, die akribisch vorbereitet und Sprache als ein grundlegendes Macht- und Beeinflussungsinstrument verwendet hatte.

In seinen Tagebüchern „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten (1933–1945)“ dokumentierte er seine bitteren Alltagserfahrungen, die er als intellektueller protestantischer Konvertit jüdischer Herkunft innerhalb der der deutschen Gesellschaft des Nationalsozialismus sammeln musste. Für mich ist Klemperer einer der wichtigsten Chronisten, die das Leben in dieser Schreckensherrschaft in alltäglicher Sprache und Sicht transparent werden lassen.

Besonders bewegend und erschreckend sind für mich die schonungslosen Einblicke in eine diktatorische Alltagswelt, die alle Bereiche des Lebens ergriffen hatten. Die Erfahrung der Komplizenschaft vieler einst verlässlichen Personen in Nachbarschaft, Beruf und Familie zeigen, wie diese Diktatur in ihrer Schärfe erst durch sie ermöglicht wurde und sollte uns nachdenklich gegenüber unseren eigenen Handlungsweisen stimmen.

„Hitler – 1889 bis 1945“ von Ian Kershaw

Aus dem Englischen – als Übersetzung erhältlich

Ian Kershaw (*1943), englischer Historiker und Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse, nimmt in seiner Hitler-Biografie nicht nur die Person des Diktators in den Blick, sondern die gesellschaftlichen und politischen Umstände, die es ihm ermöglicht hatten, das schlimmste Unrechts- und Mordsystem der Neuzeit zu etablieren.

Kershaw beschreibt anschaulich und lebendig, mit faszinierender Kenntnis des Protagonisten seines Buches untermauert mit historischen Quellen den Aufstieg des verhinderten Kunstmalers und kleinen »Weltkriegsgefreiten« zum mächtigsten Mann Deutschlands, der eine totale Diktatur errichtete, die Welt in einen schlimmen Krieg stürzte und, der mit vielen Komplizen verantwortlich ist für die Ermordung von Millionen europäischer Juden.

Wichtig wurde mir durch diese Lektüre: ohne die Person Hitler sind die Schrecken des Zweiten Weltkrieges nicht vorstellbar. Aber: Ohne die Gefolgschaft der Deutschen ebenso wenig. Mögen wir diese Warnung ernst nehmen und uns selbst in unseren Handlungen einen kritischen Spiegel vorsetzen!

„LTI – Notizbuch eines Philologen“ von Victor Klemperer

Auf Deutsch erschienen und in viele Sprachen übersetzt

Im Englischen heißt dieses Werk übersetzt aus dessen ursprünglicher Bezeichnung „Lingua Tertii Imperii“ bezeichnend „The Language of the Third Reich“. Es ist die zweite Buchempfehlung von Klemperer, die ich aufgrund deren Grundsätzlichkeit gerne weitergeben möchte.

In diesem Buch analysiert Klemperer die Sprache des Nationalsozialismus und dessen Wirkmacht in bewegender und nachdenklicher Weise. Meine Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter weise ich stets darauf hin, dass Sprache ihre wichtigste Waffe darstellt. Umso wichtiger ist es daher, historische Kenntnis darüber zu haben, wie Sprache zum Bösen innerhalb unserer deutschen Geschichte verwendet wurde.

An dieser Stelle sei ebenso vermerkt, dass LTI 2003 unter dem Titel „Die Sprache lügt nicht“ (Originaltitel: „La langue ne ment pas“) für das Fernsehen als deutsch-französischer Dokumentarfilm von Stan Neumann adaptiert worden war. Dieser Film wurde im Juli 2005 beim Jerusalemer Filmfestival ausgezeichnet.

„Verbrannte Wörter – Wo wir noch reden wie die Nazis- und wo nicht“ von Matthias Heine

Auf Deutsch erschienen

Der deutsche Journalist und Buchautor Matthias Heine (*1961) nimmt uns in seinem Buch „Verbrannte Wörter“ mit auf eine wichtige Reise durch die deutsche Sprache und analysiert, inwieweit einzelne Begriffe einen nationalsozialistischen Hintergrund tragen oder vielleicht auch trotz einer Vermutung überraschender Weise doch nicht.

Wie steht es mit dem Begriff „Bombenwetter“, der immer noch verwendet wird?

Der „Aktion“, die immer noch in Organisationen wie „Aktion Mensch“ oder „Aktion Sühnezeichen“ zur Verwendung kommen?

Oder dem harmlos daherkommenden Ausdruck des „Hiwi“ als studentischer Hilfskraft?

Es sind erstaunliche Entdeckungen, die der Leser bei der Lektüre dieses Buches machen darf. Stets sind die einzelnen Begriffe gut eingebettet in geschichtliche Fakten und Referenzen, wie LTI als Quelle herangezogen. Der Autor macht am Ende jedes Begriffes eine kleine Empfehlung und regt dabei zur Entscheidung über eine etwaige Verwendung im eigenen Wortschatz an. Bei manchem hätte ich eine andere (strengere) Schlussfolgerung gezogen – doch in vielem kann ich dem Autor gut in einem Applizieren auf die sprachliche Praxis folgen.

„Hitlers amerikanisches Vorbild: Wie die USA die Rassengesetze der Nationalsozialisten inspirierten“ von James Q. Whitman

Als Übersetzung aus dem Amerikanischen erhältlich

James Q. Whitman, Professor für vergleichendes und internationales Recht an der Yale-Universität ist einer der angesehensten Rechtshistoriker der USA. Er deckt in seinem Buch „Hitlers amerikanisches Vorbild“ eine überraschend schmerzhafte Tatsache auf: Die „Jim-Crow-Gesetze“ und der tief verankerte Rassismus in den USA waren eine massgebliche Anregung für die Rassengesetze der Nationalsozialisten. Es ist ein schmerzhaft wichtiger Aspekt, der mit diesem Buch beleuchtet wird und Sprengkraft auf dem amerikanisch-deutschen Verhältnis haben kann.

In meiner Dissertation, die auf amerikanisch-deutschen Horizont die Versöhnungsarbeit aufgreift, habe ich mich daher in einem Kapitel mit diesem „Zyklus des Bösen“ befasst und hierzu auch schmerzhafte Aspekte in Hitlers „Mein Kampf“ herausgearbeitet. (Tröstend begegnete mir bei meiner Recherche für meine Dissertation ein „Zyklus des Guten“ – doch dies ist vielleicht ein Thema für einen späteren Blogeintrag.)

„Plantations and Death Camps – Religion, Ideology, and Human Dignity“ von Beverly Eileen Mitchell

Gegenwärtig nur in Amerikanisch erhältlich

Während meines Dissertationsstudiums am Wesley Theological Seminary, Washington D.C., durfte ich mehrere Seminare bei Prof. Dr. Beverly Mitchell besuchen. Die historische Theologin hat nicht nur durch ihre Biografie und ihren scharfen Verstand einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen, sondern durch ihr Buch „Plantations and Death Camps“ mir die Augen hin zu einer Analogie des Grauens geöffnet.

In ihrem Buch vergleicht sie die menschenverachtende und vernichtenden Systeme der Plantagen und Konzentrationslager miteinander. Eine Zeitgleiche der Brutalität, die in die Abgründe menschlicher Seelen blicken lässt, die Macht, Gewinn und Unterdrückung über jegliche Menschlichkeit und Verbundenheit gesetzt hat. Die „Ideologien des Todes“, wie sie Mitchell bezeichnet, haben schlimme, verachtende und tödliche Konsequenzen diesseits und jenseits des Atlantiks hervorgebracht.

Das Buch ist ein Plädoyer, dies nie wieder geschehen zu lassen und regt zu einer eigenen biografischen Reflexion an. In einem vergangenen Blogeintrag (Link) schreibe ich hierüber.

„… trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ von Viktor E. Frankl

Auf Deutsch erschienen

Viktor Frankl (1905-1997), der österreichische Psychiater, verbrachte mehrere Jahre in deutschen Konzentrationslagern. Hier wurde er mit unvorstellbarem Leid konfrontiert und musste sich mit der Frage auseinandersetzen, wie er und andere an diesen Orten der Unmenschlichkeit noch einen Sinn im Leben entdecken und die eigene Menschlichkeit bewahren konnte.

Für ihn war die Erfahrung, dass es möglich ist, auch noch unter inhumansten Bedingungen einen Sinn im Leben zu sehen, eine zentrale Entdeckung. Zukunftshoffnungen, von denen man getragen wurde, konnten über schwerstes Leid hinweghelfen – die Hoffnung, die Liebsten wiederzusehen oder, wie er sich vorstellte, nach einer Überwindung des Leides Vorlesungen geben zu dürfen, die die Auswirkungen des Lagers auf die Psyche zum Mittelpunkt hatten.

Dieses „Trotzdem“ hat bei mir tiefen Eindruck hinterlassen, vieles relativiert und die Gottesfurcht in den Mittelpunkt gestellt:

„So oder so – einmal kommt der Tag, für jeden der Befreiten, an dem er, rückschauend auf das gesamte Erlebnis des Konzentrationslagers, eine merkwürdige Empfindung hat: er kann es nun selber nicht verstehen, wie er imstande war, all das durchzustehen, was das Lagerleben von ihm verlangt hat. Und wenn es in seinem Leben einen Tag gab – den Tag der Freiheit-, an dem ihm alles wie ein schöner Traum erschien, dann kommt einmal der Tag, an dem ihm alles, was er im Lager erlöst, nur mehr wie ein böser Traum vorkommt. Gekrönt wird aber all dieses Erleben des heimfindenden Menschen von dem köstlichen Gefühl, nach all dem Erlittenen nichts mehr auf der Welt fürchten zu müssen – außer seinen Gott.“

… trotzdem Ja zum Leben, S. 139.

Einige von vielen Büchern, die Pädagoginnen und Pädagogen helfen können, sich durch Lektüren gegen Antisemitismus zu wappnen und dieses Wissen im Unterricht weitergeben zu können.

Lest gegen den Hass! Mit euren Schülerinnen und Schülern. Mit euren Kolleginnen und Kollegen. In Familien und Freundeskreisen.

Und kommt durch Unterhaltungen und Diskussionen auf Antisemitismus zu sprechen – einer menschenverachtenden und tödlichen Irrlehre, die Demokratie und Menschenwürde diametral entgegengesetzt ist. Damit sie in den Herzen und Gedanken nicht auf fruchtbaren Boden falle.

Lesen gegen Hass: Graphic Novels als pädagogische Waffe gegen Antisemitismus

Als Seelsorgerin bei der Bundespolizei wurde mir die wichtige Aufgabe einer ethischen Unterrichtung unseres polizeilichen Nachwuchses und deren Begleitung sowie aller im Aus- und -fortbildungszentrum tätigen Personen übertragen. Mein Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und jegliche Form des Hasses stellt einen wichtigen Schwerpunkt meiner Arbeit dar – und führt fort, was ich in meiner New Yorker Zeit begonnen hatte: dem Hass die Stirn mit Bildung und Engagement zu bieten.

Gerade jetzt, in einer solch krisenhaften Zeit, in der Israel durch die Hamas mit unaussprechlichem Leid überzogen wird, ist es wichtiger denn je gerade mit den heranwachsenden Generationen über die Häresie des Antisemitismus auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen.

Aber wie nur?, fragt sich sicher der eine oder die andere Pädagogin.

Graphic Novels sind für mich ein Schlüssel, der Generationen, die visueller geprägt sind, einen Zugang zu dem vielschichtigen und schweren Thema des tödlichen und menschenverachtenden Antisemitismus schenken kann. Ein Startpunkt für wichtige Diskussionen, die mit denen geführt werden müssen, die unsere Demokratie stärken sollen – mögen sie Bürgerinnen und Bürger oder Polizistinnen und Polizisten sein.

Ich gebe zu, dass die Welt der Comics sich mir als Kind und Jugendliche nie wirklich erschlossen hat. Einen Zugang fand ich erst als mir eine jüdische Freundin aus New York den Graphic Novel „Belonging“ (dt. „Heimat“) von der deutschen Schriftstellerin Nora Krug schenkte. Ab diesem Moment war ich fasziniert von Inhalt und Kunst, die in tiefgründigen Büchern zusammen kamen.

Dieser Blogeintrag soll euch eine Hilfe in dieser schweren Zeit sein, in der ihr vielleicht in euren Schulklassen, Seminaren, Gesprächskreisen oder Tagungen aus der Sprachlosigkeit herausfindet in ein Thema das so wichtig, wie seit der Katastrophe des Nationalsozialismus kaum sein: eine Bekämpfung des immer noch gravierenden Antisemitismus.

Lesen gegen Hass!

Die einzelnen Graphic Novels wurden von mir aufgrund der geschichtlichen Abfolge in dieser Art und Weise geordnet, da sie in ihren Inhalten aufeinander aufbauen oder korrelieren. Alle Novels gibt es in Deutsch.

„Das Komplott. Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion“ von Will Eisner

Will Eisner (1917-2005) ist der wohl bekannteste US-amerikanische Comiczeichner, der die Entwicklung des Comic maßgeblich geprägt hat. Auf ihn geht die Form des „Graphic Novel“ zurück. „Das Komplott“ ist seine letzte große Arbeit und nimmt ein Thema ins Visier, das grundlegend für den Antisemitismus des 20. Jahrhunderts bis zur Neuzeit ist: es stellt die Entstehung und Wirkung der sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“ da. Die Schrift wurde zur Grundlage des Hasses im Nationalsozialismus und schmerzlich betrachtet darüber hinaus bis zum heutigen Tage. Trotz eines Verbotes werden die Protokolle in viele Sprachen übersetzt und in alle Welt exportiert, um so zu einer Grundlage für Hass gegen Jüdinnen und Juden zu sein.

Ein Wissen über die Entstehung dieser Schrift sowie einer Warnung über dessen konstatierte „Weltverschwörung“ kann zu einer Aufklärung maßgeblich beitragen.

„Maus. Die Geschichte eines Überlebenden“ von Art Spiegelman

Art Spiegelman (* 1948) erzählt in „Maus“ die Geschichte seiner Eltern, die Holocaust-Überlebende waren und nach der Ermordung seines Bruders und weiter Teile seiner Familie 1951 nach USA ausgewandert waren. Spiegelman zeichnete viele Jahre für The New Yorker. „Maus“ ist und bleibt sein wichtigstes Werk, wobei ihn dieses aufgrund dessen Rezeption und Verbreitung belastend begleitet. Im Februar 2022 war das Buch im US-Bundesstaat Tennessee aus dem Lehrplan der 8. Klasse gestrichen worden.

„Maus“ ist ein Buch voller Hadern und Ringen um eine schwere Familiengeschichte, in der ein Sohn die Wahrheit über den familiären Hintergrund und das Leid seiner Eltern sowie Verwandten im Holocaust erfahren möchte. Die symbolträchtigen Figuren (Mäuse und Katzen) geben eine optische Tiefe, die das Herz berühren und große Betroffenheit hervorrufen.

„Beate & Serge Klarsfeld – die Nazijäger“ von Pascal Bresson und Sylvain Dorange

Berühmt wurde Beate Klarsfeld durch die Ohrfeige des damaligen Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger im Jahr 1968 bei einem CDU-Parteitag. Hiermit beginnt auch dieser Graphic Novel als einem perfekten Einstieg in die Nachkriegsgeschichte und dessen gebrochene Justiz, die die Täter des Nationalsozialismus nur punktuell zur Rechenschaft gezogen hatte.

Im Graphic Novel begleitet der Leser und die Leserin mit der deutschen Beate und dem französischen Juden Serge ein mutiges Paar, das sich aufgrund dessen persönlicher Betroffenheit der Jagd nach Nazis verschrieben hat: Serges Vater wurde Ausschwitz deportiert und dort ermordet. Beate hingegen will Gerechtigkeit für die Tätergeneration des Nationalsozialismus herbeiführen.

Ein Buch voller Emotionen und Menschlichkeit – und vor allem der Botschaft, dass sich Gerechtigkeit mit viel Engagement und Durchhaltevermögen seinen Weg bahnen kann.

„Heimat: ein deutsches Familienalbum“ von Nora Krug

In ihrer Suche nach der eigenen Familiengeschichte, dessen Gebrochenheit und einer eigenen Heimat, holt Nora Krug viele der Enkel- und Urenkelgeneration durch dieses Ansinnen ab.

Nora lebt seit 17 Jahren in New York und tut sich selbst schwer mit ihrer deutschen Herkunft. Ein Gefühl, das viele in dieser Generation ebenso trägt. Durch ihren jüdischen Mann geht sie daher auf die Suche nach der eigenen Familienvergangenheit und der Frage, was Heimat eigentlich für sie bedeutet. Ein wunderbar ehrliches autobiografisches Werk entfaltet sich Seite um Seite vor dem Leser.

Ihre grafische und schriftstellerische Kunst ist beeindruckend und wirft beim Leser Fragen zur eigenen Reflexion auf. Ein Buch, das Menschen in ihrer Frage nach den eigenen Wurzeln, der Suche nach Heimat und der gebrochenen deutschen Geschichte abholt.

„Weisse Wölfe – eine grafische Reportage über den rechten Untergrund“ von David Schraven und Jan Feindt

Die Reportage thematisiert die heiklen Themen eines international verwobenen Naziterrors sowie punktuell auch die gefährlichen „Turner-Tagebücher“, die in Deutschland verboten sind. Sie erzählen die Geschichte einer fiktiven rechten Terrorzelle in den USA und wurden Grundlage eines rechten Terrors, die ihren schmerzhaften und menschenverachtenden Ausdruck im Terror des NSU in Deutschland fanden.

Der Leser und die Leserin begleiten den Journalisten Schraven bei seinen Recherchen in der rechten Szene von Dortmund, seine Treffen mit Informationen und Informanten aus der Antifa und Neonazikreisen. Gleichzeitig wird in einem zweiten Handlungsstrang von der Radikalisierung eines seiner Dortmunder Informanten sowie dessen Verstrickungen in militante Neonazikreise berichtet.

Die Radikalisierung eines Schülers ist der schmerzhafte Dreh- und Angelpunkt dieses Graphic Novels, der sicher viel Diskussions- und Gesprächsstoff über Einflussnahme, Freundesgruppen und Sog in Hassnetzwerke bietet.

„Über Tyrannei – zwanzig Lektionen für den Widerstand“ von Timothy Snyder, illustriert von Nora Krug

Im Jahr 2017 verfasste der US-amerikanische Historiker Timothy Snyder (* 1969) auf dem Hintergrund starker politischer Umwälzungen in den USA eine Schrift, die den politischen Nerv unserer Zeit trifft: die zunehmend bedrohte Demokratie und der unter Umständen notwendige Widerstand zu deren Verteidigung. Dabei geht es darum, dass wir nicht erst handeln, wenn diese bereits sich in Gefahr befindet, sondern bereits bei den ersten Anzeichen.

Wie bei „Heimat“ ist Nora Krug mit ihrer Gestaltung ein künstlerisches Meisterwerk gelungen, das aufgrund seiner Ästhetik und der Zuhilfenahme tiefgründiger Kunst über die Wortebene hinaus wirkt.

Einige von vielen Büchern, die helfen können, zu sensibilisieren und eine pädagogische Waffe gegen Antisemitismus darstellen.

Lest gegen den Hass! Mit euren Schülerinnen und Schülern. Mit euren Kolleginnen und Kollegen. In Familien und Freundeskreisen.

Und kommt durch Unterhaltungen und Diskussionen auf Antisemitismus zu sprechen – einer menschenverachtenden und tödlichen Irrlehre, die Demokratie und Menschenwürde diametral entgegengesetzt ist. Damit sie in den Herzen und Gedanken nicht auf fruchtbaren Boden falle.

Von biblischen Sprüchen, dem Umgang mit anderen und wichtigen Prägungen

Predigt zur Vereidigung des 80. Studienjahrgangs am 6. Oktober 2023

Was gibt man jungen Kolleginnen und Kollegen mit auf den Ausbildungs- und Studienweg, wenn sie mit dem Eid den wichtigsten Schwur ihres Berufslebens sprechen? Als Pfarrerin beschäftigt mich diese Frage mal um mal. Es ist eine große Verantwortung, denn ich erinnere mich noch sehr genau an meine eigene Ordination, an dessen Wortlaut und die Predigt des zuständigen Oberkirchenrates Herrn Völkel. Daher hoffe ich, dass die Worte meiner Predigt sie auf ihrem beruflichen Weg stärken, begleiten und vielleicht auch herausfordern.

Für den 80. Studienjahrgang habe ich einen besonderen biblischen Vers ausgewählt, der den Umgang mit anderen und wichtige Prägungen in den Blick nimmt:

Anbei der Wortlaut meiner Predigt – hierbei sei darauf hingewiesen, dass das gesprochene Wort gilt:

Vor wenigen Wochen durften wir Sie, liebe Polizeikommisarsanwärterinnen und -anwärter, in Bamberg begrüßen. Für viele war es so, als ob sich ein neues Universum öffnete und sie sich in einer neuen Welt und einem anderen Kontext befanden.

Vielleicht hat Sie auch ein kleines Star Wars-ähnliches Gefühl ereilt, frei nach dem Motto:

[Vor langer Zeit] in einer Galaxie, weit, weit entfernt…

Weit entfernt von dem, wie Ihr Leben vorher strukturiert war. Mit den Notwendigkeiten, bürokratischen Erfordernissen, aber auch den Vorzügen einer großen Sicherheitsbehörde.

Sie tauchen nun Stück für Stück in die dienstliche Welt der Bundespolizei ein, die Sie auf einen wichtigen und essentiellen Beruf vorbereiten wird, damit Demokratie und Menschenwürde geschützt und gestärkt werden.

Der wichtigste Bestandteil Ihrer Studienzeit stellen all diejenigen da, die Ihnen helfen in dieser Galaxie Bundespolizei zu wachsen, geformt und geschliffen zu werden – ob Lehr-, Stamm- oder Rahmenpersonal – viele Lehrmeisterinnen und Lehrmeister werden für Sie da sein und sie begleiten.

Durch das Zusammentreffen und den Umgang mit unterschiedlichsten Personen werden Sie einen besonderen Schliff erhalten, der Sie befähigen wird, diesen verantwortungsvollen Beruf durchzuführen.

Nicht umsonst heißt es im Buch der Sprüche 27,17:

Eisen wird mit Eisen geschärft, und ein Mensch bekommt seinen Schliff durch Umgang mit anderen.

Die Beziehung zu Personen, von denen wir lernen und durch die wir wachsen können, ist ein elementarer Bestandteil jeder Ausbildung, jedes Studiums und jeder weiteren Fortbildung.

In der neuen Disney Plus Star Wars-Serie „Ahsoka“, deren 8. und erst einmal letzte Folge vorgestern veröffentlicht wurde – vielleicht hat der eine oder die andere sie ebenso am Mittwoch angesehen- , wird die Beziehung zwischen der Lehrmeisterin „Ahsoka“ und ihrem Padawan bzw. Lehrling Sabine zum eigentlichen Mittelpunkt eines Geschehens, das sich rund um die junge Republik im Star Wars-Universum dreht und den Gefahren eines wiedererstarkenden, bösen Imperiums, gegen das es sich zu wehren gilt.

Während erstere demokratische Werte vertritt und die Würde jedes Lebewesens hochhält, ist das dunkle Imperium an Macht und Gewinn, aber wenig an einem Recht Einzelner orientiert.

Die beiden Hauptfiguren machen mitten in dieser Auseinandersetzung von Demokratie und Diktatur transparent, wie wichtig das Vertrauen zu anderen ist. Ob romantischer, freundschaftlicher, familiärer oder disziplinierender Natur – die Suche nach einer authentischen Beziehung zu einer anderen Person erfordert Mut und Vertrauen.

Lehrmeisterin Ahsoka aber tut sich aufgrund ihrer vorhergehenden Erfahrungen schwer, solchen Mut und solches Vertrauen anderen gegenüber aufzubringen. Viel lieber gibt sie ihr Schicksal in die Hände des Droiden Huyang als einem Repräsentaten künstilicher Intelligenz. Manchmal frage ich mich, ob auch wir mehr technischen Mitteln – einem Computer, einem Smartphone oder unserer Digitaluhr – näherstehen, als Menschen aus Fleisch und Blut.

Der biblische Vers soll uns Mahnung und Anspruch zugleich sein, denn er nimmt zwar das Bild eines technischen Mittels, nämlich des Eisens auf, überträgt aber das Geformt- und Geprägt-Werden auf den menschlichen Umgang mit anderen.

Die Star Wars-Serie zeigt durch Ahsoka eine Person, die hadert, sich auf andere zu verlassen. Nur zögerlich lässt sie ihre ehemalige mandalorianische Padawan Sabine aufgrund einer strategischen Notwendigkeit wieder in ihr Leben.

Dabei heißt es:

Eisen wird mit Eisen geschärft, und ein Mensch bekommt seinen Schliff durch Umgang mit anderen.

Ahsoka und Sabine sind beide auf ihre Art eisern und gleichzeitig fällt es ihnen schwer, sich gegenseitig zu schärfen. Erst als Ahsoka beschließt, Sabine zu vertrauen und sie zusammenarbeiten, wachsen sie jeweils auf eine unterschiedliche Art und Weise. Und doch weigern sie sich an vielen Stellen, sich voll und ganz auf eine solche Teamarbeit einzulassen, und entscheiden sich gelegentlich immer noch dafür, Herausforderungen allein anzunehmen.

Das erinnert mich an Worte Jesu in Johannes 15, wo Jesus die Metapher des Weinstocks und der Reben verwendet, und sagt, dass „keine Rebe aus sich selbst Frucht bringen kann“. Wir stehen nie im luftleeren Raum, sondern sind in soziale Systeme, dienstliche Institutionen und Organisationen eingeflochten.

Das Prinzip einer tiefverbundenen Gemeinschaft und dessen Notwendigkeit ist auch Ihr Studieren und Ihren Dienst in der Bundespolizei von essentieller Wichtigkeit.

Oder anders ausgedrückt: Wenn wir versuchen, ein Leben in Selbstgenügsamkeit und Isolation wie Ahsoka zu führen, machen wir uns anfällig für eine Vielzahl von Fallstricken, die wir hätten vermeiden können, wenn wir jemanden gehabt hätten, auf den wir uns stützen könnten.

Erst am Anfang dieser Woche hat eine Studiengruppe aus Ihrem Jahrgang im berufsethischen Unterricht davon erzählt, dass sie eine starke Dienstgemeinschaft durch das Studium hindurch und darüber hinaus sein möchte, die sich stützt und trägt, aber auch an der einen oder anderen Stelle ermahnt und eventuell korrigiert.

Ein praktischer Ausdruck des heutigen Bibelverses:

Eisen wird mit Eisen geschärft, und ein Mensch bekommt seinen Schliff durch Umgang mit anderen.

Möge Gott Sie auf dem Weg Ihres Studiums begleiten und möge Er Ihnen Menschen auf diesem Weg schenken, durch deren Umgang Sie den nötigen Schliff und Prägung für Ihren Dienst in der Bundespolizei erhalten.

Amen.

Predigt anlässlich der Vereidigung des 80. Studienjahrgangs am 6. Okt 2023

My dear Jewish friend 17: Lederhosen, lessons of the past for a brighter future

– Updated Version (Aug 27, 16:50 GMT +2) : including Rick Landmans memories of his father –

I stood in awe as I looked down at the brown lederhosen, which had been carefully placed in my hands. My gloved hands touched the matured leather. I could see by look and experience that this pair of German traditional clothing had been devotedly worn and looked after neatly as well. What I held in hands was the Lederhosen of Henry Landman. His son Rick, a dear friend, had told me about this special piece of clothing. Now Mrs. Müller, the deputy director of the Jewish Museum Augsburg Schwaben had especially brought it from the archives for me to see as I visited the museum on this hot August afternoon.

I was moved to tears, because it not only made me feel close to Rick, but held an important artefact of history in my hands. If the Lederhosen could speak, they would tell the hurtful, but ever so strong story of Henry Landman.

Rick Landman writes about this difficult chapter in his fathers life via Facebook:

The Gestapo arrested my dad on the day after Kristallnacht (November 10, 1938) at 5 am while he was still in bed. When he got up he put on his Lederhosen and when he reached Dachau he turned them in. They put them in a brown paper bag with his Dachau Number on it. When he was later released they returned them to him to be able to go home. His father who was released earlier was able to get him a Temporary Transit visit to get to London. He was 18 and too old for the Kindertansport.
On April 15, 1939, my dad as an unaccompanied teenager made his way to London and he either took the Lederhosen with him, or packed them in the lift that he sent to NYC the week before.
Growing up in NYC I remember my dad wearing them while doing the gardening. [If you check out my COMMENTS] you can see a photo of my dad trying on the Lederhosen before we sent them to the Museum, and a photo of me wearing my Lederhosen in the Catskills when I was a child.

Rick Landman, via Facebook

Henry had been arrested in this very traditional German clothing I held in my hands many years later in Augsburg. At his release he was handed all his belongings back, which included the Lederhosen. Henry emigrated to the U.S. just in time and returned six years later in the very different clothing of a US-Soldier to Germany to liberate the Jewish people.

Father like son, Rick is a very inspiring person. On his website he gives touching insights in to his biography. For the 70th anniversary of the liberation of Dachau he wrote for the „Gedächtnisbuch für Häftlinge des KZ Dachau“ about his late fathers experience as a liberator of Dachau:

[…] In 1945, the town of Dachau had one major road with a few side streets off to the sides.  When he arrived the street was full of people shouting, eating, looting, and running around either in exuberance of their new freedom or fear of what will happen next.   Colonel Porter gave him a jeep, and while riding down the street, a woman in a long black dress jumped into the middle of the street waving her hands trying to get my father’s attention. His jeep stopped and my father hopped out in his U.S. Army uniform, carrying his rifle and went up to her asked her what she wanted.  Her face showed a combination of urgency and fear, but she calmed down and motioned him to go with her into a small house with a bakery on the ground floor.  She wanted to get off the street before she would tell him why she was so frantic.  When inside, she explained that someone was hiding downstairs who wanted to surrender directly to an American soldier.  She said that she just wanted him out of her house and didn’t know what to do.

The man who ran into her store was still wearing his S.S. uniform and was more afraid of the newly liberated concentration camp prisoners than he was of the U.S. Army.  My father went down a spiral staircase pointing his rifle as he slowly descended, and there hovering in the corner, was probably a former Captain in charge of the S.S. officers at Dachau Concentration Camp.  When the Nazi officer saw my father, he stood up and saluted him with an American salute and he said that he wanted to surrender to an American, and be away from the mob of former inmates.  The whole thing was so bizarre to my father who could still remember being in Dachau as an inmate.  Even if this man was not the same Captain as in 1938, the thought of my father being the savior of an S.S. officer was quite ironic.  In retrospect, my father wondered if the Captain was actually the son of the screaming woman, and she tricked him into saving her son.

My father didn’t explain who he was and why he spoke German and just let them wonder if all of the U.S. soldiers were as conversant as he.  The Captain walked upstairs with his hands over his head, and then my father and the other soldier who was watching the jeep put the Captain on the hood of the jeep and told him to hold on to the metal bar that was attached to the front bumper.  This bar was the latest invention of the Americans to try to keep them from being decapitated.  The Germans would tie a thin wire around a tree on one side of the street and then cross the street and tie it to another tree, hoping that the American soldiers in the convertible jeeps would ride by and have their heads sliced off.

My father didn’t have to worry this day about any decapitation.  In addition to the outreaching metal stick, he had a Nazi officer in the front who would feel any wire before they would.  As my father drove down the main street of Dachau with this prominent Nazi on the hood, he remembered that six years earlier he was released from Dachau and was told that he better get out of Germany, because the next time he ended up in that camp, he wouldn’t be getting out alive.  Now six years later, he was an American soldier saving the life of a man in charge of all that killing.

Rick Landman, https://www.gedaechtnisbuch.org/henry-heinz-landman-and-70/

Such remarkable and moving experiences – I do not know, how Henry was able to see it all through. Both, the Lederhose I was allowed to see on this remarkable day in August, and the jacket of Henry Landman´s uniform, are in the safe keeping of the Jewish Museum Augsburg Schwaben as an important reminder of history. While this part of history is well documented thanks to the Landman family, Rick and I want to work on reconciling the broken past of our Franconian home town.

You have to meet him! He’s only a few miles away in Manhattan. What a delight it would be, to connect two of my favourite people and maybe someday have both of you with us here in Germany as we try to reconcile history through friendship and important lessons of the past for a brighter future.

Von Wanderungen, geschwollenen Füßen und prägenden Erfahrungen

Mein Blick schweifte über das spektakuläre Panorama, das sich vor mir ausbreitete, während ich meine geschwollenen, heißen Füße von mir streckte, die in den von trockenem Staub überzogenen Dienststiefeln steckten. Die Aussicht, die der Staffelberg in das Maintal und das Coburger Land schenkte, war eine wunderbare Belohnung für einen stundenlangen Marsch, der viele von uns an die Grenzen der Leistungsfähigkeit geführt hatte. Im ersten Ausbildungsjahr durchlaufen angehende Polizistinnen und Polizisten begleitet durch ein engagiertes Lehrpersonal mehrere Außenausbildungen – der Orientierungsmarsch ist hierbei der anstrengendste Abschnitt.

Mich erfüllte an diesem heißen Sommernachmittag tiefe Dankbarkeit und erinnerte mich an eine Bibelstelle, die eine solche zum Mittelpunkt ihrer Gedanken hat. Hierbei reflektiert ein unbekannter Autor die Geschichte Israels, deren Wüstenwanderung und die Überwindung dieser schweren Herausforderung in dankbaren Worten der erfahrenen Bewahrung. Mit etwas Amüsement stellte ich fest, dass die Israeliten laut Bibel selbst nach vierzig Jahren keine geschwollenen Füße hatten. Meine Füße hingegen fühlten sich an wie in einer viel zu heißen Sauna, pochten und schmerzten trotz einer durchaus weniger weiten Distanz als das Volk Israel durchlaufen hatte.

Deine Kleider sind nicht zerrissen an dir, und deine Füße sind nicht geschwollen diese vierzig Jahre.

Dtn 8,4

Als Mittvierzigerin und Seminarälteste hatte mich dieser Orientierungsmarsch zugegebener Maßen an das Maximum meiner physischen Leistungsfähigkeit gebracht. An jedem beruflichen Ort, an den ich berufen wurde, ist es mein Anspruch, mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzer Kraft und ganzem Verstand präsent zu sein. Das galt für jeden beruflichen Abschnitt- ob Land-, Insel-, Großstadt-, EKD-Auslandspfarrerin oder Polizeiseelsorgerin. Die geschwollenen Füße nebst anderem kleinen „Souvenir“ nahm ich dabei gern in Kauf, denn es ist meine Aufgabe, meine Nächsten in deren Lebens- und Arbeitsumfeld zu begleiten. Nahe bei den Menschen zu sein, die uns Gott anvertraut hat, ist aus meiner Sicht die Aufgabe von Gottes „Bodenpersonal“.

An diesem heißen Sommertag, an dem wir Temperaturen bis 32C hatten und meine Uhr am Ende von unserer Wanderung 34,4 km anzeigte, war ich die Beschenkte. Denn ich durfte miterleben, wie eine Lehrgruppe weiter zusammenwuchs, einander in schweren Phasen der Wanderung unterstützte und auch ich als Teil ihrer Gruppe in meinem persönlichen Tiefpunkt vom Seminarleiter und Auszubildenden gestützt wurde.

Die Gruppe angehender Polizistinnen und Polizisten durchzog das tiefe Tal einer herausfordernden Wanderung in imponierender Weise und ging von einer Kraft zur anderen bis sie endlich gemeinsam mit uns als Lehrpersonal den spektakulären Staffelberg erklommen hatte. Und vielleicht war es ja für den einen oder die andere wie für mich eine spirituelle Erfahrung, die Gemeinschaft, Umgang mit Grenzen, tiefen Leistungstälern und Kraftorten miteinander verband.

Psalm 84 bettet dies in wunderbare Glaubensworte, die ich auch meinen Auszubildenden von ganzem Herzen wünsche:

Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten
und von Herzen dir nachwandeln!
Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, /
wird es ihnen zum Quellgrund,
und Frühregen hüllt es in Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur andern
und schauen den wahren Gott in Zion.

Psalm 84,6-8