Neujahrsgedanken: von Nächstenliebe und Respekt für Einsatzkräfte

Wie das alte Jahr endete, so begann das neue mit einer kleinen Laufrunde. Die Sorge um das eigene (körperliche) Wohl gehört für mich als Polizeiseelsorgerin integral dazu, damit ich auch anderen helfend zur Seite stehen kann. Nicht umsonst heißt es in Mk 12,31 nach dem Gebot der Gottesliebe eben auch: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Also: Laufschuhe an und einige Meter zur Fitness beisteuern… Im Gegensatz zum Neujahrstag musste ich einen Tag später beim Laufen nicht bei jedem Schritt darauf aufpassen, ob ich in Scherben oder andere spitze, gefährliche Gegenstände treten würde. Die fleissigen Hände der Stadtreinigung hatte viele Spuren einer für manche recht feucht-fröhlichen Silvesternacht beseitigt.

Als ich an einem „gesprengten“ Abfall vorbeilief, hielt ich kurz inne und seufzte. Musste so etwas wirklich sein? Aber im Gegensatz zu anderen Orten, handelte es sich hierbei „nur“ um einen Sachschaden. Die Berichte über in Gefahr gebrachte, sogar attackierte Einsatzkräfte an Silvester schockierte mich zutiefst. Die Schilderungen aus Berlin und anderen Orten machen mich sprachlos. Es scheint mancherorts zu unglaublichen Übergriffen gegen die zu geben, die für unsere Gesundheit und Sicherheit von Berufswegen sorgen. Ein lieber Freund, der als Notarzt nicht nur den schweren Dienst mit Tag- und Nachtschichten auf sich nimmt und seine Familienzeit daran anpasst, wurde von dem Sohn einer Patientin nicht nur angegriffen, sondern schwer verletzt.

Ich mache mir Gedanken um „meine“ Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter, die ich in ihrer polizeilichen Ausbildung begleiten darf. Was diese jungen Menschen alle eint, ist der Wunsch, einen helfenden Beruf zu erlernen. Nicht selten höre ich von deren Sprachlosigkeit und auch ihren Zweifeln, ob diese schwere und anspruchsvolle Berufung es wert sei Gewalt von denen erleben zu müssen, die sie eigentlich ursprünglich zur Hilfe riefen.

Als ich an einem „Böllerrest“ vorbeilief, musste ich an meine Zeit als Polizeiseelsorgerin in New York denken und auch die sieben Silvesternächte, die wir dort erlebt hatten. Aufgrund des Böllerverbotes waren es stattdessen Tonnen von Confetti, die die Straßen bedeckten. Aber ob diese Nächte aufgrund des Verbotes dort friedlicher verliefen, wage ich zu bezweifeln. Doch gleichzeitig erinnere ich mich an ein Jahr, indem die Einführung von „Body Cams“ heftig diskutiert worden war. Personen des öffentlichen Lebens und Vertreter von Institutionen waren zu einer Abstimmung eingeladen worden, die eruierte, ob diese Aufnahmemöglichkeit eingeführt werden sollte. Das Ergebnis, so versprach NYPD, sollte in Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Megametropole verbindlich umgesetzt werden. Damals stimmte ich für eine Verwendung von „Body Cams“ im Polizeidienst. In den darauf folgenden Jahren nach deren Einführung kam es neben der intendierten Transparenz polizeilicher Handlungen ebenso zu einer Dokumentation der Handlungen von Personen, die Teil der polizeilichen Maßnahmen waren. Besonders faszinierend fand ich damals, dass die Zahl der Übergriffe auf Polizeikräfte fielen und insgesamt ein besserer, deeskalierender Umgang miteinander feststellbar war. Irgendwie faszinierend, denn beide Seiten schienen nun vermehrter das ernst zu nehmen, was ich als Theologin als Gebot der Nächstenliebe bezeichnen würde: nämlich den anderen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.

Erfahrungen aus fast sieben Jahren New York als Auslandspfarrerin und ehrenamtliche Polizeiseelsorgerin. Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland ebenso durch eine flächendeckende Einführung von „Body Cams“ ähnliche Erfahrungen zum Schutze aller sammeln dürften.

Während ich an so manchem von Confetti und Böllerresten gesäumten Weg entlanglief, sprach ich ein kleines Gebet für diejenigen Einsatzkräfte, die in der Silvesternacht und an anderen Tagen Gewalt erleben mussten, damit die schrecklichen Wunden heilen mögen. Und gleichzeitig für diejenigen, die meinen, Gewalt gegen Einsatzkräfte ausüben zu müssen, damit sie von diesem falschen Weg abkommen. Bis beides eintrifft, bleibt mir wohl nur, meinen Freund darin zu stärken, dass die erlebte Gewalt sein Menschenbild nicht nachhaltig zum Wanken bringt, und für meine angehenden Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter in ihrer Ausbildung zuhörend und unterstützend da zu sein.

Von bärigen Symbolen und Hilfe für die, die helfen

Vorsichtig faltete ich die kleinen Hände um die Mandel und drückte sie sanft fest. Dann stach ich den nächsten Bären aus dem kalten Butterplätzchenteig aus. Während sich mein Backblech langsam mit einem Teil der Plätzchen-Hundertschaft für meinen Dienstort in der Bundespolizei füllte, wanderten meine Gedanken in eine längst vergangene Zeit.

Noch gut kann ich mich an eine amerikanische Comic-Sendung erinnern, in der „Care Bears“ (dt.: Glücksbärchis) als kuschelige Wesen sich um das Wohl von Menschen bemühten. Dort, wo die kleinen Bärchenplätzchen eine Mandel umarmten, trugen die Bären ein Symbol auf dem Bauch, das für die Gabe des jeweiligen Bärchen stand. Waren Menschen, und vor allem Kinder, in Schwierigkeiten geraten, so halfen sie mit ihrer jeweiligen Gabe.

Am Anfang meiner Tätigkeit bei der Bundespolizei stolperte ich über ein ganz anderes Bärenbild. Als ich vom Begriff des „Bärenführers“ erfuhr, war ich sehr verwundert. Aus der mittelalterlichen Geschichte hatte dieses Bild für mich eine durchaus negative Konnotation. Ein Bärenführer zähmte damals den wilden Bären und zwang ihn zu Tätigkeiten, die weder naturgemäß noch artgerecht waren. Die „Bärenführer“, die ich jedoch bei der Bundespolizei erlebt habe, wiesen die jungen Kolleginnen und Kollegen als erfahrene Vorgesetzte aufmerksam in die neue Tätigkeit als Polizistinnen und Polizisten im Praktikum ein und waren darauf bedacht, dass es dem anvertrauten Nachwuchs gut ging.

Ich schüttelte den Kopf, während ich das nächste Backblech voller Bären in den heißen Backofen schob. Was für „bärige“ Gedanken… Ich beschloss das Symbol des Bären als eines der Sorge und der Zuneigung zu deuten. Denn dies durfte ich vielfach am größten polizeilichen Aus- und -fortbildungszentrum der Bundespolizei erleben: Lehrende, die sich um den polizeilichen Nachwuchs kümmern und dort engagiert ihren Dienst tun. Die Seelsorge ist ein Teil dieser Sorge und ist gerne für die helfend da, die anderen helfen. Kurzerhand entschloss ich „Care Bären“ zu backen und als kleine „bärige“ Zeichen dieser Sorge weiterzugeben. Das Ergebnis könnt ihr hier sehen:

Ein herzliches Dankeschön an das Team der Druckerei des AFZ Bamberg, das mich bei der Umsetzung dieser Idee mit Rat und Tat unterstützt hat. ❤️