Church of Scotland: Eine Kirche im freien Fall

Die Sonnenstrahlen tauchten das große Symbol der Church of Scotland in gleißendes, helles Licht. In einem senkrechten Oval war ein brennender Dornbusch abgebildet, hinter dem die schottische Flagge ersichtlich war. Der weiße Rahmen mit der Aufschrift „Nec tamen consumebatur“ („und er wurde nicht verzehrt“) unterstrich die Abbildung der biblischen Berufungsgeschichte des Mose (Ex 3,2).

Ich stand vor dem Kirchenamt der reformierten Church of Scotland und betrachtete das Symbol mit gemischten Gefühlen. Seit meiner ersten Auslandsverwendung (2007-2010) als Pfarrerin in Orkney, einer kleinen schottischen Inselgruppe, war mir die reformierte Kirche sehr ans Herz gewachsen. Das Symbol begleitet mich seitdem als Erinnerung an wichtige Erfahrungen, die mich beruflich und privat tief geprägt haben. Doch heute sah ich zum ersten Mal mit großer Sorge auf das wunderschöne Emblem der schottischen reformierten Kirche, während die soeben gehörten Worte einer Kollegin in meinen Ohren widerhallten. In ihnen schwang viel Trauer und gleichzeitig Wehmut als wir uns über die vergangene gemeinsame Zeit unterhielten. Und fast hatte ich den Eindruck als ob kirchliche Dornbusch lichterloh brannte…

„New tamen consumebatur“ – „und er wurde nicht verzehrt“

Das im Emblem der Church of Scotland verwendet Symbol des brennenden Busches führt uns zum Buch Exodus und der Geschichte von Moses. Moses war einem Leben in unvorstellbarem Luxus und Wohlstand in Ägypten entflohen, nachdem er einen ägyptischen Sklaventreiber aus Empörung über dessen Brutalität getötet hatte. Nun war er Schafhirte in der Wildnis. Der biblischen Geschichte zufolge trifft Moses eines Tages beim Hüten seiner Schafe auf einen Busch, der seine Aufmerksamkeit erregt, weil er zu brennen scheint, aber noch nicht verzehrt ist. Als er näher kommt, hört er eine Stimme, die ihm sagt, er solle seine Schuhe ausziehen, weil er auf heiligem Boden stehe. Dort vor dem brennenden Dornbusch begegnet er dem lebendigen Gott, der ihm den göttlichen Namen offenbart und Moses in eine neue Berufung ruft: er soll die hebräischen Sklaven Ägyptens in die Freiheit führen.

Diese biblische Geschichte ist von solch großer Faszination und Kraft, das sie viele Menschen inspiriert hat.

„New tamen consumebatur“ – „und er wurde nicht verzehrt“

So kam es mit der Reformation zu einer Neuinterpretation des Bildes vom brennenden Dornbusch. Insbesondere Johannes Calvin interpretierte das Bild des brennenden Dornbuschs als Symbol der Kirche auf Erden, die mit vielen Schwierigkeiten und Nöten konfrontiert war und dennoch vom Geist Gottes getragen und am Leben erhalten wurde. In diesem Sinne glaubte er, dass die Kirche für immer brannte und doch nicht vom Feuer verzehrt wurde.

Als die Verfolgung reformierter Christen, insbesondere in Frankreich, zuzunehmen begann, wurde dieses Bild des brennenden Dornbuschs immer deutlicher. Die französisch-reformierte Kirche der Hugenotten war im 16. Jahrhundert unter besonderem Druck, und doch eine Kirche, die nicht ausgelöscht, sondern, wie sie glaubten, von Gottes Gegenwart getragen und ihr Glaube an Gottes Gnade kundgetan werden konnte Christus.

Eines der größten Massaker der Reformation fand in Frankreich statt, bekannt als das Massaker am Tag des Heiligen Bartholomäus am 24. August 1572. Es fand während der Feierlichkeiten zur Hochzeit der Schwester des Königs, Margarete, mit dem protestantischen Heinrich von Navarra (dem späteren Heinrich IV. von Frankreich) statt. Viele der reichsten und prominentesten Hugenotten hatten sich im weitgehend katholischen Paris versammelt, um an der Hochzeit teilzunehmen. In der darauf folgenden Tragödie wurden etwa 2000 Protestanten auf den Straßen von Paris ermordet. Diesem Massaker folgten unzählige weitere in anderen französischen Städten.

Das Massaker am Tag des heiligen Bartholomäus im Jahr 1572 erschütterte die reformierte Kirche Frankreichs zitierst und verursachte Auswanderungswellen von Hugenotten in andere umliegende Länder, aber auch Nordirland und Schottland bis hin nach Südafrika.

Die reformierte Kirche war unglaublichem Leid ausgesetzt worden, doch die Botschaft Gottes war weitergetragen und diese Kirchengemeinschaft vom politischen Feuer und Hass nicht verzehrt worden.

„New tamen consumebatur“ – „und er wurde nicht verzehrt“

Das Emblem des Dornbusches fand erstmals 1685 durch William Mure auf der Titelseite seines Buches „The Joy of Tears“ Verwendung, das die Probleme der schottischen Kirche thematisierte. Ab 1691 fand man es auf offiziellen Dokumenten der Church of Scotland und ist seitdem in Verwendung. Das Symbol hat nichts von seiner Aktualität verloren. Im Gegenteil, denn die schottische Kirche befindet sich unter hohem Druck und dessen Zukunft steht massiv auf dem Spiel.

Als ich 2007 nach Orkney entsandt wurde, um die damals neue ökumenische Partnerschaft zwischen der Evangelischen Kirche in Bayern (ELKB) und der Church of Scotland (CoS) einen praktischen Ausdruck zu verleihen und in einigen Jahren Impulse für meine Heimatkirche mit nach Hause zu bringen, erlebte ich die ersten großen Wellen dieser massiven Veränderung. Damals verstand sich die Church of Scotland noch als Nationalkirche. Doch bereits in meiner dreijährigen Amtszeit war diese aufgrund der Bankenkrise, die von Amerika aus auch Europa und damit Schottland erschüttert hatte, vor große finanzielle Probleme gestellt worden. Die finanzielle Verflochtenheit mit Übersee hatte der CoS viel finanziellen Schaden eingebracht, der nun eingespart werden musste. Neben Pfarrstellenkürzungen waren es besonders Kirchengebäude und Pfarrhäuser, die veräußert werden mussten, um die schlimmsten Auswirkungen zu lindern. Ich selbst habe im Auftrag meiner damaligen Gemeinde drei Kirchengebäude veräußert – eine diffizile Aufgabe, die bis dorthin nicht auf dem Horizont meiner Vorstellungen von pfarramtlichen Tätigkeiten gewesen war. Nun musste ich als junge Pfarrerin meine Gemeinde durch diesen Trauerprozess und durch juristische Tiefen begleiten, während ich gleichzeitig versuchte, ihnen beim Heilen und Zusammenwachsen zu helfen.

„New tamen consumebatur“ – „und er wurde nicht verzehrt“

An diesem Apriltag in 2023 war ich erschüttert wieder vor die Türe des Kirchenamtes in Edinburgh getreten. Die gehörten Worte mussten verarbeitet werden. Seit meines Weggangs in 2010 hatten sich die Mitgliedszahlen in dramatischer Weise verändert. Seit 2011 waren die Mitgliederzahlen laut des Berichts der General Assembly von 2022 um 34% gefallen. Ab 2017 befand sich die CoS im freien Fall.

“See, I make all things new”: Report Church of Scotland General Assembly 2022, S. 08 Supplementary Report of the Assembly Trustees, S. 14.

Dr. John Chalmers, Moderator der Church of Scotland 2022, sieht laut Glasgow Times den Grund vor allem im Kontaktverlust mit Millenials bis Generation Z. Diese seien weiterhin auf der Suche nach spiritueller Heimat, würden aber nicht in der Kirche fündig. Daher würde viel Engagement nun in diesen Bereich investiert werden, um die Kirche wieder zukunftsfähig machen zu können.

„Our contact with children and our reach to millennials and Generation Z are marginal. These missing generations are our children and our children’s children. They are not without a desire for spiritual nourishment. They are still in search for meaning and they share many of our values. But all evidence suggests the ways in which these generations will pursue their search for meaning will not be through a top-heavy religious institution. We must invest seriously in new ventures, pioneer ministry and church planting. The time has come for us to cast our bread upon the water before the last one of us finds it is time to switch off the lights and redistribute what is left to other charities with similar aims.“

The Very Rev. Dr. John Chalmers

Meine Kollegin berichtete mir von schmerzhaften Zusammenlegungen, Stellenstreichungen und harten Sparmaßnahmen, die die gesamte Kirche in Sorge um die Zukunft versetzte. Die schiere Zahl an zum Kauf zur Verfügung stehende Kirchen erschreckte mich in den kommenden Tagen meines Schottlandaufenthaltes. Und hinterließ einen bitteren Geschmack beim Betrachten des Emblems. Würde der Dornbusch doch dem Austritts- und Finanzfeuer nicht mehr standhalten können und bald nichts mehr als etwas Asche von der einst so stolzen Nationalkirche, die ich am Beginn meiner Amtszeit kennenlernen durfte, übrig bleiben?

Es sind solche Erfahrungen, die uns in Deutschland hellhörig machen sollten, wenn wir die eigene Mitgliederentwicklung betrachten. Auch hier stehen schmerzhafte Einsparungen an und ein spürbarer Mitgliederschwund wird schon bald nicht nur in Verkäufen von Gebäuden, Schließungen von Einrichtungen und Zusammenlegungen von Gemeinden resultieren. Vielmehr sehe ich auch hier die Zukunft unserer Kirche schneller als gedacht in Frage gestellt. Wenn wir hierauf nicht mit unseren Kernkompetenzen wie Seelsorge und Diakonie auf der einen Seite, und einem Bemühen um die jüngeren Generationen auf der anderen Seite reagieren, fürchte ich um einen ähnlichen Verlauf wie in der Church of Scotland.

Trotz des gleißenden Sonnenlichts war es mir an diesem sonnigen Apriltag eiskalt über den Rücken gelaufen. Bei meinem Besuch hatte ich mit vielem gerechnet, aber nicht damit, eine einst stolze Kirche als eine Kirche in Not wieder aufzufinden. Ich hoffe sehr, dass die inzwischen kleine Church of Scotland Wege aus dieser Not mit Gottvertrauen und Engagement finden wird.

Was uns im Inneren zusammenhält…

Nachdenklich wog ich den kleinen Beutel in meiner Hand. Die Platte nebst sieben Schrauben hatte sich in den letzten zehn Monaten in meiner Hand befunden und den zerschmetterten Knochen zusammengehalten, damit, was vorher eins, nun aber zerbrochen, wieder zusammenwachsen konnte. Die medizinische Prothese nebst Hilfsmittel fühlte sich ungewöhnlich leicht an. Kein Wunder, denn Titan weißt eine hohe Korrosionsbeständigkeit, Festigkeit und geringes Gewicht auf und wird daher vielfach in der Medizin für Implantate, Prothesen und ähnliches verwendet.

Für mich war es ein Geschenk, dass nun der Knochen geheilt war. Doch während ich den kleinen Beutel in meinen Händen hielt, Platten und Schrauben bewundernd betrachtete, wurde eine Frage immer lauter: Was hält uns Menschen im Inneren zusammen, wenn wir drohen zu zerbrechen? Nicht selten war ich in meinem Leben vor schweren Fragen und komplexen Herausforderungen gestanden. Die Verletzung war nicht nur eine physische Herausforderung, sondern hat mich gezwungen dem auf die Spur zu kommen.

Fündig wurde ich in den alten Geschichten, die uns die Bibel überliefert. Trotz der zeitlichen Ferne sind sie in vielem wie aus dem Leben gegriffen. Es sind Erzählungen von Menschen, die drohten zu zerbrechen. Manche hatten sogar Todesangst. Besonders faszinierend fand ich bei meiner Suche nach Antworten die Geschichten, die von maximalen menschlichen Fehlverhalten und tiefen Krisen erzählten. Es sind Geschichten, die uns von einer anderen, einer göttlichen Logik erzählen, die uns Hoffnung und Zuversicht im eigenen Versagen, gerade dann, wenn wir drohen zu zerbrechen, schenken wollen. Sie sind manchmal sperrig. Lassen unsere Gedanken anecken und unsere menschliche Logik an Grenzen stoßen. Die Botschaften sind so etwas wie „biblisches Titan“, das uns vielleicht in einer anderen Extremsituation hilft, wieder zusammenzuwachsen, zu heilen und neue Perspektiven für unser Leben zu finden.

Mitten hinein in diese Angst – vielleicht während wir vom Schmerz eines Bruches, einer Verletzung, eines Verlustes, eines schlimmen Fehlers fast erstickt werden, spricht Gott:

„Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“

Jer 31,3

Sehen wir doch einmal auf die Erzählung um Kain und Abel (Gen 4). Kain hatte aus lauter Eifersucht seinen jüngeren Bruder Abel erschlagen. Eine durch und durch widerliche Tat. Doch statt ihn der nach menschlicher Logik ausstehenden Konsequenz eines Totschlags auszuliefern, wird Kain ein wenn auch ruheloses Leben geschenkt und durch ein Zeichen geschützt. Ihm sollte das Unrecht nicht widerfahren, das er seinem eigenen Bruder angetan hatte. So wurde in letzter Konsequenz durch die göttliche Zusage eine Kette von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen.

„Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“

Da ist Rahab, die in der Bibel als Prostituierte in Jericho arbeitet (Jos 2). Ihre Tätigkeit sei hier nicht weiter eruiert. Trotz ihres gesellschaftlich diskutiertem Broterwerbs versprachen ihr die Männer, die sie schützte, das gleiche Recht zu. Als Jericho erobert wurde, hing sie wie vereinbart als Zeichen ein rotes Seil aus ihrem Fenster und wurde zusammen mit ihrer Familie verschont. Nicht immer handeln wir in unserem Leben ethisch korrekt. Der Beruf Rahabs steht für mich als Platzhalter für unsere eigene Gebrochenheit, die anderen und uns vielleicht schwieriges zumutet. Dennoch werden wir vor dem Schlimmsten bewahrt und erhalten die Möglichkeit eines Neubeginns.

„Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“

Zwei schwerfällige Geschichten, die von Menschen, die in Gefahr stehen zu zerbrechen, erzählen und von Gottes Güte, die sie zusammenhält. Es sind Extremgeschichten des Lebens. Wie oft stehen wir vor eigenen verheerenden Situationen. Die Titanplatte nebst Schrauben werden mich an beides erinnern: an einen schmerzhaften Unfall, aber auch die Möglichkeit wieder heilen und mit „neuer“ Hand zuversichtlich mein Leben unter Gottes Schutz und Begleitung weiter gehen zu dürfen.

Das wünsche ich Ihnen, lieber Blogleser, liebe Blogleserin, ebenso. Denn die Situation mag noch so verheerend sein, Gott liebt uns und zieht uns mitten in all dem Schlimmen zu sich aus lauter Güte.

Von Jahreswechsel und Segenswünschen

Das Jahr 2022 geht zu Ende. Wie sicherlich Millionen andere Menschen, gönne ich mir die Zeit zur Rückschau. Das fast vergangene Jahr zu würdigen ist für mich wie ein kleiner Abschluss dessen was war, und macht mich bereit für das Neue, das vielleicht kommen wird.

2022 war ein sehr durchwachsenes Jahr. Das erlebte Spektrum der zwölf Monate des fast vergangenen Jahres hat mich kaum zu Atem kommen lassen.

Faszinierende Höhen erleben und dunkle Tiefen meistern,

wunderbare Erfahrungen machen und tiefe Verletzungen überdauern,

neue Freunde gewinnen und liebe Menschen verlieren,

Glücksmomente auskosten und schmerzhafte Enttäuschungen verarbeiten,

nie geahnte Leistungen vollbringen und gesundheitliche Herausforderungen schultern,

geschenkte Liebe dankbar entgegennehmen und erlebten Haß stehen lassen…

All diese Geschenke und Herausforderungen des fast vergangenen Jahres seien in Gottes gute Hände zurück gelegt. Möge er alles zum Segen werden lassen.

Gebet am Altjahresabend
Pfarrerin Miriam Groß

Was wird 23 bringen? Über die Bedeutung der Zahl haben sich viele den Kopf zerbrochen.

23 ist ungerade und eine Primzahl.

Der Biorhythmus nach Swoboda/Fließ wiederholt sich alle 23 Tage.

Ein einfacher menschlicher Chromosomensatz besteht aus 23 Chromosomen.

Den Spekulationen möchte ich in meinem Blog keinen Raum einräumen. Doch tröstlich fündig bezüglich der neuen Jahreszahl wurde ich in der Bibel: Psalm 23 ist ein wunderschöner Glaubenstext, der von großem Vertrauen in Gott spricht. Die Worte haben viele Generationen getragen. Für mich steht dieses kommende Jahr unter dem Motto dieses Psalms. Aus eigener Erfahrung schätze ich die tiefe Weisheit der Worte, die in meinem Leben schon oft eine große Relevanz hatten.

Zum Jahreswechsel möchte ich euch angelehnt an Psalm 23 einen kleinen Segenswunsch weitergeben.

Ich danke euch, allen Leserinnen und Lesern meines kleinen Blogs, dass ihr meinen Worten und Gedanken Raum und Zeit geschenkt habt. Möge Gottes Segen euch in 2023 begleiten!

Eure Miriam Groß

Der HERR ist mein Hirte, Möge der HERR in diesem Jahr mit dir sein,

mir wird nichts mangeln. damit du nicht darben musst.

Er weidet mich auf einer grünen Aue Möge er für dich sorgen

und führet mich zum frischen Wasser. und dir alles Notwendige zukommen lassen.

Er erquicket meine Seele. Möge er deine Seele nähren.

Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Möge er dich auf rechtem Weg führen.

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, Und solltest du durch dunkle Zeiten gehen.

fürchte ich kein Unglück; wünsche ich dir, dass du furchtlos bist;

denn du bist bei mir, denn Gott wird mit dir sein,

dein Stecken und Stab trösten mich. denn er wird dich leiten und bewahren.

Du bereitest vor mir einen Tisch Er möge für dich sorgen –

im Angesicht meiner Feinde. gerade dann, wenn Menschen es schlecht mit dir meinen.

Du salbest mein Haupt mit Öl Möge dir Gutes entgegenkommen

und schenkest mir voll ein. und mögest du ab und an Überfluss an Schönem erleben.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, Dein ganzes Leben sollst du wissen, dass du gesegnet bist,

und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar. damit du dich traust, im Glauben Wurzeln zu schlagen.

Pfarrerin Miriam Groß

Anbei ein kleines Grußvideo mit Segenswunsch zum neuen Jahr:

Gedanken am Rand von Kirche 2: Gegenwart und Zukunft der Kirche

Schwer lag die kleine, schwere Glocke in meiner Hand. Ich wog sie nachdenklich hin und her, bevor ich sie zum Läuten brachte, um meine Familie an den reich gedeckten Abendessenstisch zu rufen. Wie unsere Familienglocke, so war es mir als ob die Institution Kirche in die Jahre gekommen war. Der Glanz ist weg und seit kurzem einem durchaus schmerzhaften Realismus gewichen. Seit gut eineinhalb Jahren arbeite ich nach vielen Jahren Gemeindedienst nicht mehr im Pfarramt und tauche nicht nur beruflich als Seelsorgerin bei der Bundespolizei in ein anderes Tätigkeitsfeld ein, sondern bin gemeinsam mit meiner Familie das erste Mal seit langer Zeit ein einfaches Gemeindeglied. Wochentag und Wochenende. Arbeitszeit und Freizeit. Es sind unbekannte Rhythmen, die mir neue, wertvolle Einblicke in die Realität eines Kirchenmitgliedes schenken. Ich sehne mich nach einer Gemeinschaft, die Freud und Leid, Höhen und Tiefen des Lebens mit uns teilt. Erleben darf ich sie an ganz anderer Stelle: im Bereich der Bundespolizei. Vereidigungen, Festtage, aber auch Tod und Trauer vereinen uns über Religions- und Konfesssionsgrenzen hinweg.

Kirchenmitgliedschaft ist dort alles andere als selbstverständlich. Durch meine Lehrtätigkeit als Polizeiseelsorgerin weiß ich, dass die meisten meiner Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter keiner verfassten Kirche angehören und sich sehr selten einer Religion zugehörig fühlen. Kirchenskepsis und starke Kirchenkritik prägen diese Generation von Auszubildenden, die zwischen 16 und Ende 30 sind. Der von Till Reiners kirchlich viel kritisierte Beitrag im Rahmen der „Heute-Show“ findet begeisterte Aufnahme. Man mag die Inhalte so viel diskutieren, wie man will- für viele ist das nur eine Bestätigung ihrer bereits geformten Meinung über Kirche und Glaube.

Ich erlebe nun in meiner Tätigkeit als Seelsorgerin die Zukunft dessen, was Kirchengemeinden erwarten wird: dass Kirche und Gläubige in der Minorität sein werden. Eher die Ausnahme als die Regel. Das sollte zumindest unsere evangelische Kirche wachrütteln. Für mich stellt sich angesichts meiner langjährigen Erfahrungen im In- und Ausland die Frage, was Kirche eigentlich ausmacht und wie sie trotz der bereits immanenten Krise sich als Botschafterin des Glaubens bewähren kann. Eine glaubwürdige Zeugin sollte sie wieder sein, die nach Innen und Außen wirkt und sich an ihre Berufung durch Jesus Christus orientiert. Von der Nabelschau auf unterschiedlichen kirchlichen Ebenen habe ich leider mehr als genug miterleben dürfen. Eine freudige Glaubensgemeinschaft wünsche ich mir, die in der Ambivalenz des Lebens nach Innen und Außen die hoffnungsvolle Zuversicht des Glaubens weiter schenkt.

Freude – wahre Freude. Keine durch Konsum evozierte, vergängliche, sondern eine Freude, die in den Höhen und Tiefen zusammenhält und trägt, weil sie aus der tiefen Quelle des Glaubens gespeist wird.

In New York und Bamberg durfte ich mehrere Schabbat-Gottesdienste besuchen. Ich war jedes Mal überwältigt von der Freude, die am Freitagabend in die gottesdienstlich versammelte Gemeinde einzog als der Schabbat wie eine geschmückte Braut freudig willkommen geheißen wurde. Nachdem wir aufstanden und sie symbolisch begrüßten, ging der Gesang in einen Jubel über, der uns alle erfasste. Ich vermisse solch eine überschwängliche, überfließende, sich anderen schenkende Freude in unseren lutherischen Gottesdiensten.

Die Theologin Angela Williams Gorrell hat ähnliche Erfahrungen rund um den Schabbat machen dürfen. Während ich offizielle Gottesdienste zum Beginn des Feiertages in New York und Bamberg mehrfach besucht habe, berichtet sie in ihrem Buch „The Gravity of Joy“ von einer anschließenden Einladung in einen Privathaushalt:

„After the worship service, we gathered in a dining hall that had been specially prepared for hours before sundown so that no work would be done during the dinner. The tables were set, the candles were lit, and the food had been cooked.

Our only job was to eat course after course and talk about life as we enjoyed the meal and conversation with one another.

About an hour into the dinner, a man stood up on a chair and started clapping and singing loudly – no instruments, just his energy and voice and hands sounding together. He invited everyone in the room to join hin.

We need other people to invite us to rejoice as much as we need other people to invite us to befriend anger and fear and open lament.

We need to be trained in crisis care, and we need to witness pain and respond meaningfully to suffering – but we need joy too. At different points in our lives, our capacity for joy is enhanced or restricted by what we are facing. People have different capacities of joy.“

Angela Williams Gorrell: The Gravity of Joy, Grand Rapids, Michigan, USA 2021, p. 174.

Es wäre doch schon mal ein gelingender Anfang, wenn wir diese Freude ausstrahlen würden, anstatt durch einen oftmals traditionellen Gottesdienst abzuschrecken, der nur noch von denen verstanden wird, die dessen Sprache gelernt haben zu sprechen. (Der kritische Leser wird anmerken, dass es durchaus moderne Formate gäbe. Dem kann ich nur zustimmen, wobei die meisten besuchbaren Gottesdienste klassisch gestaltet sind und moderne Formate die Ausnahme darstellen. Und welcher Jugendliche oder junge Erwachsene besucht schon gern um 9:30 Uhr oder 10 Uhr nach durchfeierter Nacht einen Gottesdienst?)

Ich läutete ungeduldig unsere kleine Essensglocke. Doch der Glockenklöppel verhakte sich immer wieder und gab nur einen dumpfen leisen Klopfton ab, der sicherlich nur schwer durch die Zimmertüren dringen würde. Ob es mir gelingen würde, meine eigenen Kinder für Kirche zu begeistern? Seit eineinhalb Jahren lag das nicht mehr in meiner Hand. Ich hatte über viele Jahre versucht, die Grundlagen dafür zu schaffen. Würde die Kirche als glaubhafte, zugewandte Glaubenszeugin, die Gemeinschaft stiftete und Sinn schenkte, zu ihnen durchdringen oder ihr Rufen vor deren Tür wie dumpfe Glockenschläge verklingen?

Von einem wertvollen Centstück und dem Scherflein der armen Frau

Hektisch hatte ich die Taschen meiner Winterjacke, dann meiner Lieblings-Fleecejacke durchsucht. Doch nirgends war das Centstück zu finden. Ich schüttelte leise vor mich hinmurmelnd den Kopf und dachte nochmals scharf nach als mir plötzlich die Idee kam, in meiner Jeanshose nachzusehen. Ich griff in die rechte Hosentasche der in die Jahre gekommenen Jeans und spürte das kühle, kleine runde Glatt der Münze in meiner Hand. Ein tiefer Seufzer der Erleichterung entwich mir. Endlich hatte ich das Centstück wieder gefunden.

Während ich die glänzende Münze in meiner Hand hin und her drehte, musste ich an die liebe Kundin denken, die mir diese vor einigen Wochen geschenkt hatte. Über die Kuchentheke der Tafel hinweg hatte sie mir freudestrahlend ein mit Centstücken gefülltes Glas hingehalten. „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht! Nehmen Sie als kleines Geschenk einen Cent heraus. Der soll Ihnen Glück bringen und Sie an mich erinnern. Durch Ihre Arbeit hier bei der Tafel helfen Sie mir und meiner Familie über die Runden zu kommen.“ Ich schluckte schwer während ich spürte, wie meine Augen sich mit Tränen füllten. Daher griff ich schnell in das Glas und lies das Centstück in die rechte Hosentasche meiner Jeans verschwinden. „Herzlichen Dank! Der Cent wird mich immer an Sie erinnern. … Was kann ich heute Gutes für Sie tun? … Wie immer etwas mit Schokolade für Ihre Kinder?“ Die Frau strahlte zurück und nickte während ich ihr ein schokoladiges Kuchenpaket zusammenstellte.

Das Centstück wurde ab diesem Tag zu einem wertvollen Erinnerungsstück an eine besondere Frau, die unverschuldet in eine schwere Notlage geraten war und ihre Familie mit der Hilfe der Bamberger Tafel über die Runden brachte. An diesem Nachmittag war ich sehr erleichtert, die wertvolle Münze wieder in meinen Händen zu halten.

Immer wieder erinnert mich das besondere Geschenk an die biblische Geschichte, die als „Das Scherflein der Witwe“ bezeichnet wird:

Und er [Jesus] lehrte sie und sprach: Seht euch vor vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern umhergehen und sich auf dem Markt grüßen lassen und sitzen gern obenan in den Synagogen und beim Gastmahl; sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.

Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller. Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Mk 12,38-44

Das Wort „Scherf“ oder Mittelhochdeutsch „scherben“, „scharben“, „einschneiden“ ist mit der dem Begriff der Scherbe verwandt. Früher hatten Silberpfennige Sollbruchstellen, damit sie für kleinere Werte geteilt werden konnten. Nach dem Brechen wurden sie als „Scherben“ bezeichnet. (1) Das Scherflein ist die Verkleinerungsform von Scherf. Martin Luther hatte in seiner Übersetzung von Mk 12,42 das Wort mit „Scherflein“ wiedergegeben und damit einen kleinen, aber anerkennenswerten Beitrag zum Ausdruck bringen wollen.

Die junge Familienfrau hatte mich durch ihr kleines Geschenk reich beschenkt, denn trotz ihrer Armut und Angewiesenheit auf Hilfe wie die der Tafel gab sie uns Helferinnen und Helfern von Herzen etwas von ihrem wenigen Hab und Gut. Dies mag nominell wenig sein, aber wie wir aus der biblischen Geschichte erfahren, ist es ungemein mehr als das einer reichen Person, die in Überfluss lebt.

Seit diesem Tag ist mir das kleine Centstück zu einer wichtigen Erinnerung und einem Ansporn geworden, den Segen, den Gott so vielfältig in mein Leben legt, mit anderen zu teilen, die im wahrsten Sinn des Wortes jeden Cent umdrehen müssen, um über die Runden zu kommen.


(1) Siehe: Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin/Boston 2001; Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer. 2., durchgesehene, verbesserte und ergänzte Auflage. Akademie, Berlin 1993; unter Scherflein.

My dear Jewish friend 7: Shabbat Shira, the New Year of the Trees and songs of praise

After riding with my bicycle through a cold starry January evening to the local synagogue in Bamberg, I thankfully entered the warm and cozy building. Rabbi Dr. Almekias-Siegl had invited me for the Shabbat service and the following festive evening of Tu B´Shvat. As I sat down in a pew, my cold and stiff limbs started to thaw with every word spoken and every song rising.

When Rabbi Dr. Almekias-Siegl explained in his sermon that this evening was Shabbat Shira, my thoughts immediately traveled across the miles to your synagogue and Rabbi Shira Milgrom. My heart silently began to sing as I was reminded of you. What a coincidence to be invited on Shabbat Shira to this synagogue. I suddenly understood why the Rabbi had pointed out to others that my first name was Miriam (as you know in Germany you usually call each other by the surname). It never occurred to me that the names „Shira“ and „Miriam“ are closely intertwined in such significant ways. This special Shabbat not only flabbergasted me, but helped me to understand more about our shared commitment. Shabbat Shira emphasises the Song of the Sea and the Miriams song, which has always has been near to my heart. It is one of the greatest songs of the Torah:

I will sing to the LORD, for he has triumphed gloriously;

horse and rider he has thrown into the sea.

The LORD is my strength and my might,

and he has become my salvation;

this is my God, and I will praise him,

my father’s God, and I will exalt him.

The LORD is a warrior;

the LORD is his name.

“Pharaoh’s chariots and his army he cast into the sea;

his picked officers were sunk in the Red Sea.

The floods covered them;

they went down into the depths like a stone.

Your right hand, O LORD, glorious in power—

your right hand, O LORD, shattered the enemy.

In the greatness of your majesty you overthrew your adversaries;

you sent out your fury, it consumed them like stubble.

At the blast of your nostrils the waters piled up,

the floods stood up in a heap;

the deeps congealed in the heart of the sea.

The enemy said, ‘I will pursue, I will overtake,

I will divide the spoil, my desire shall have its fill of them.

I will draw my sword, my hand shall destroy them.’

You blew with your wind, the sea covered them;

they sank like lead in the mighty waters.

Who is like you, O LORD, among the gods?

Who is like you, majestic in holiness,

awesome in splendor, doing wonders?

You stretched out your right hand,

the earth swallowed them.

In your steadfast love you led the people whom you redeemed;

you guided them by your strength to your holy abode.

The peoples heard, they trembled;

pangs seized the inhabitants of Philistia.

Then the chiefs of Edom were dismayed;

trembling seized the leaders of Moab;

all the inhabitants of Canaan melted away.

Terror and dread fell upon them;

by the might of your arm, they became still as a stone

until your people, O LORD, passed by,

until the people whom you acquired passed by.

You brought them in and planted them on the mountain of your own possession,

the place, O LORD, that you made your abode,

the sanctuary, O LORD, that your hands have established.

The LORD willI will sing to the LORD, for he has triumphed gloriously;

horse and rider he has thrown into the sea.

The LORD is my strength and my might,

and he has become my salvation;

this is my God, and I will praise him,

my father’s God, and I will exalt him.

The LORD is a warrior;

the LORD is his name.

“Pharaoh’s chariots and his army he cast into the sea;

his picked officers were sunk in the Red Sea.

The floods covered them;

they went down into the depths like a stone.

Your right hand, O LORD, glorious in power—

your right hand, O LORD, shattered the enemy.

In the greatness of your majesty you overthrew your adversaries;

you sent out your fury, it consumed them like stubble.

At the blast of your nostrils the waters piled up,

the floods stood up in a heap;

the deeps congealed in the heart of the sea.

The enemy said, ‘I will pursue, I will overtake,

I will divide the spoil, my desire shall have its fill of them.

I will draw my sword, my hand shall destroy them.’

You blew with your wind, the sea covered them;

they sank like lead in the mighty waters.

Who is like you, O LORD, among the gods?

Who is like you, majestic in holiness,

awesome in splendor, doing wonders?

You stretched out your right hand,

the earth swallowed them.

In your steadfast love you led the people whom you redeemed;

you guided them by your strength to your holy abode.

The peoples heard, they trembled;

pangs seized the inhabitants of Philistia.

Then the chiefs of Edom were dismayed;

trembling seized the leaders of Moab;

all the inhabitants of Canaan melted away.

Terror and dread fell upon them;

by the might of your arm, they became still as a stone

until your people, O LORD, passed by,

until the people whom you acquired passed by.

You brought them in and planted them on the mountain of your own possession,

the place, O LORD, that you made your abode,

the sanctuary, O LORD, that your hands have established.

The LORD will reign forever and ever. reign forever and ever.

Exodus 15:1-18

It is the song of the people of Israel at the Red Sea, when your people were saved from the pharaoh through G´d. Being named after biblical Miriam, I was always drawn to the story of the exodus. Many a times I shivered about the pressure, toil and hardship Israel had to bear in Egypt, the plagues, and the miracles Moses performed through G´d.

For me as a Lutheran pastor committed to seeking peace and justice, this story is a symbol of triumph after difficult times and that G´ds promise of justice and freedom can be reached. Many times it takes the struggles of numerous generations until justice becomes reality.

But how quickly do we get used to a peaceful and just surrounding? You and I, we both had the privilege to grow up in peaceful times. Through the history of our nations, which are intertwined through the murderous crimes of the Holocaust, we should remember with huge thankfulness that we are blessed with peace.

The nearness of Tu B´Shvat on this Shabbat may help us to remember that the Creator has provided us with everything we need. The New Year of the trees celebrates the fruit of the tree, the vegetables, the plants that give air to the world and so much more. As the Rabbi shared his memories of celebrating „the New Year of the Trees“ in Israel I could feel the joy spreading in the small diaspora synagogue and once more my longing to visit Israel has been awakened again. (I truly hope to be able to spend time there as soon as this pandemic is over.) As we entered the small communal space on the ground floor, a beautiful meal was prepared for us with more fruits than we could eat and we indulged in fruits, which came from your homeland Israel.

As I ate the carefully selected and beautifully presented fruits, I had to think of all the blessings laid into my life. I don’t have to worry about food or a roof over my head, and am blessed in so many ways. But how often do we forget that the basic things in life are small wonders in themselves? Working in your pantry, getting to know your synagogue, and experiencing how quickly even basic things like food can be taken from you, have changed my perspective both on the song of Miriam and the basic things in life.

I think it is our challenge, to recognise the everyday gifts received from above, and to share these blessings with those, who are less fortunate than us. For them they are wonders and free those, who are less fortunate from their bondage hunger and economical troubles. May our actions become very practical, recognisable songs of Miriam as we use our hands, hearts, and lips to give praise to the one, who has called us to pursue peace and justice.

Zu Gast bei Initiative 27. Januar

Am Abend des Epiphanienfestes war ich zu Gast bei Initiative 27. Januar. Im neuen, modernen Talkformat bei Instagram durfte ich mit Herrn Matthias Böhning meine biografischen und theologischen Zugänge zu Friedens- und Versöhnungsarbeit, Rassismus und Antisemitismus in Übersee und Deutschland sprechen. Es war eine spannende Unterhaltung, die mir sehr viel Spaß gemacht hat. Ich danke Herrn Böhning sehr für diese Einladung und lege die Initiative allen Leserinnen und Lesern ans Herz! Mitmachen könnt ihr bereits jetzt ganz konkret durch die Unterstützung des Projekts „Weiße Rosen und Briefe für Holocaustüberlebende“ (Link).

Hier ist der Zugang zum Video, der auf IGTV gepostet wurde:

Glaube verpflichtet – vom notwendigen Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus

„Justice is served“ – ich rieb meine Augen nach einer unruhigen Nacht und versuchte meinen noch müden Blick auf die Nachricht meiner amerikanischen Freundin zu fokussieren. Plötzlich war ich hellwach. Ich setzte mich im Bett viele Meilen weg von meiner vergangenen New Yorker Heimat auf und schaltete umgehend die Nachrichten ein. Während draußen die Natur langsam erwachte, wanderten die Bilder des vergangenen Jahres über meinen deutschen Bildschirm und riefen die Erinnerungen einer sehr bewegten Zeit in meinem Herzen wach.

„Justice is served“ – ein tiefer Seufzer entfuhr mir in Erleichterung um einen Schuldspruch, der so notwendig war und endlich ein deutliches Zeichen gegen Rassismus in den USA setzte. Vor einem guten Jahr war ich mit anderen auf die Straße gegangen, um gegen den Mord des schwarzen Amerikaners und den tief im Land verwurzelten Rassismus zu demonstrieren. Immer wieder brach dieser durch Polizeigewalt hervor.

Aber ich kannte als ehrenamtliche Polizeiseelsorgerin auch die andere Seite: Polizistinnen und Polizisten, die sich gegen ein zutiefst rassistisches System engagieren. Die selbst dunkle Hautfarbe trugen und versuchten von Innen heraus die Polizeikultur zu verändern. Fünfeinhalb Jahre durfte ich in New York als ehrenamtliche Seelsorgerin Polizistinnen und Polizisten begleiten, sie unterstützten, ihnen zuhören und als Brückenbauerin Verbindungen zwischen der örtlichen Polizeistation und den Anwohnern herstellen. Dies war besonders im vergangenen Jahr dringend notwendig geworden, um miteinander ins Gespräch zu kommen, gemeinsame gelingende Wege zu suchen und zu heilen.

Aus meiner Sicht ist es ungemein wichtig, dass wir uns aufgrund der engen geschichtlichen und wirtschaftlichen Verbindung von Deutschland und USA über die grundlegende und beunruhigende Nähe von Rassismus und Antisemitismus bewusst werden. Beide sind gefährliche Irrlehren, die zutiefst der christlichen Botschaft widersprechen. Sie sind ideologische Zwillinge, die nicht nur Hass verbreiten, sondern auch Menschenleben kosten.

Wie aber entsteht dieser Hass gegen Menschen? Unvergeßlich ist mir ein Seminar, das ich im Rahmen meines Zusatzstudiums bei Professorin Beverly Mitchell, die am Wesley Theological Seminary, Washington, D.C. lehrt, besuchen durfte. Sie stellte uns ihre Arbeit zum systemischen Vergleich von Konzentrationslagern und Sklavenplantagen vor. Die zum Himmel schreienden systemischen Analogien öffneten mir die Augen und ließen mich verstehen, warum sie bei Rassismus und Antisemitismus von „Zwillingen des Hasses“ (Engl.: „Twins of Hate“) sprach. Diese tödlichen Irrlehren haben ihre Wurzeln in der grundlegenden Ideologie, bestimmte Gruppen unter Verwendung von Ausschlussgesetzen, wirtschaftlicher Ausbeutung, Sklaverei, Mord und anderen Formen der Ungerechtigkeit auszuschließen und niederzudrücken.

Rassismus und Antisemitismus sind somit ideologische Zwillinge, die ihre Wurzeln tief in einer nährenden Grundlage haben: Im Hass gegen andere, in der Ausgrenzung, Ausbeutung und sogar Tötung wie im Falle George Floyds und zahlreichen anderen. Sie sind Irrlehren, die die von Gott geschenkte Gottebenbildlichkeit verletzen und mit dem uns von Jesus gebotenen Doppelgebot der Liebe brechen.

Dieses Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus, das tief verwurzelt in dem Gebot der Nächstenliebe und Gottebenbildlichkeit ist, begleitet mich auch nun als Seelsorgerin in der Bundespolizei in Bamberg als dem größten polizeilichen Aus- und Fortbildungszentrums Europas. Hier darf ich junge Polizeianwärterinnen und -anwärter in ihrer Ausbildung begleiten und für alle in dieser Lehreinrichtung Tätigen als Seelsorgerin arbeiten. Ein Privileg und gleichzeitig eine große Verantwortung.

„Justice is served“ – an diesem Morgen blickte ich mit Dankbarkeit auf die jubilierende Nachricht meiner amerikanischen Freundin. Der in der letzten Nacht getroffene Schuldspruch war von so unglaublicher Wichtigkeit, denn ein wertvolles Menschenleben war aufgrund einer rassistischen Einstellung ermordet worden. Gleichzeitig verpflichtet er rund um die Welt Menschen, dass sie überall dort, wo Menschen als Ebenbilder Gottes verletzt und ermordet werden, aufstehen im Namen des Schöpfers unserer Welt und sich für Gerechtigkeit und Frieden jenseits von Hautfarbe, Nation, Herkunft und finanzieller Leistungsfähigkeit einsetzen. Dafür will ich einstehen, wo mich Gott in den Dienst beruft.

Mit der Osterkrippe die Kar- und Osterzeit erleben

Wie können wir die Kar- und Osterwoche in dieser turbulenten Zeit der Pandemie begehen? Gerade in der gegenwärtigen Situation braucht es liebgewonnene Rituale, die zu uns sprechen und die tief in unserer Erinnerung verankert sind.

Solch ein Ritual ist unsere Osterkrippe, die sich in der Kar- und Osterwoche vielfach verändert und uns die Geschichte von Kreuz und Auferstehung Jesu Christi vor Augen führt. Ich wünsche euch viel Freude beim Betrachten der Bilder und Videos und grüße herzlich aus Bamberg.

Palmsonntag

Video mit Osterkrippe und Bibeltext:

Joh 12,12-19:
Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht (Sacharja 9,9): »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte.
Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

Gründonnerstag: Garten Gethsemane

Video mit Bibeltext:

Mk 14,43-52:

Und alsbald, während er noch redete, kam herzu Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten und Ältesten. Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist’s; den ergreift und führt ihn sicher ab. Und als er kam, trat er alsbald zu ihm und sprach: Rabbi!, und küsste ihn. Die aber legten Hand an ihn und ergriffen ihn. Einer aber von denen, die dabeistanden, zog sein Schwert und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm ein Ohr ab.
Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich gefangen zu nehmen? Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen und habe gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen. Aber so muss die Schrift erfüllt werden. Da verließen ihn alle und flohen.
Und ein junger Mann folgte ihm nach, der war mit einem Leinengewand bekleidet auf der bloßen Haut; und sie griffen nach ihm. Er aber ließ das Gewand fahren und floh nackt.

Karfreitag

Video mit Bibeltext:

Mk 15, 20-41

Und sie führten ihn hinaus, dass sie ihn kreuzigten. Und zwangen einen, der vorüberging, Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater des Alexander und des Rufus, dass er ihm das Kreuz trage. Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte. Und sie gaben ihm Myrrhe im Wein zu trinken; aber er nahm’s nicht.
Und sie kreuzigten ihn. Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los darum, wer was bekommen sollte. Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten. Und es stand geschrieben, welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der Juden. Und sie kreuzigten mit ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.
Und die vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Ha, der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir nun selber und steig herab vom Kreuz! Desgleichen verspotteten ihn auch die Hohenpriester untereinander samt den Schriftgelehrten und sprachen: Er hat andern geholfen und kann sich selber nicht helfen. Der Christus, der König von Israel, er steige nun vom Kreuz, damit wir sehen und glauben. Und die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn auch.
Und zur sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Und einige, die dabeistanden, als sie das hörten, sprachen sie: Siehe, er ruft den Elia. Da lief einer und füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, gab ihm zu trinken und sprach: Halt, lasst uns sehen, ob Elia komme und ihn herabnehme!
Aber Jesus schrie laut und verschied.
Und der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied, sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!
Und es waren auch Frauen da, die von ferne zuschauten, unter ihnen Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome, die ihm nachgefolgt waren, als er in Galiläa war, und ihm gedient hatten, und viele andere Frauen, die mit ihm hinauf nach Jerusalem gegangen waren.

Karsamstag

Video mit Bibeltext:

Mk 15, 42-47

Und als es schon Abend wurde und weil Rüsttag war, das ist der Tag vor dem Sabbat, kam Josef von Arimathäa, ein angesehener Ratsherr, der auch auf das Reich Gottes wartete; der wagte es und ging hinein zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Pilatus aber wunderte sich, dass er schon tot war, und rief den Hauptmann und fragte ihn, ob er schon länger gestorben wäre. Und als er’s erkundet hatte von dem Hauptmann, überließ er Josef den Leichnam. Und der kaufte ein Leinentuch und nahm ihn ab vom Kreuz und wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab, das war in einen Felsen gehauen, und wälzte einen Stein vor des Grabes Tür. Aber Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Joses, sahen, wo er hingelegt war.

Ostersonntag

Video mit Bibeltext:

Mk 16, 1-10

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.
Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.
[Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren, die da Leid trugen und weinten.]

Goodbye, New York!

Voller Anspannung sah ich aus dem Fenster während das Rollgeräusch des Flugzeuges immer lauter wurde bis es schließlich behände in die Luft abhob. Ich presste mein Gesicht gegen die Scheibe und betrachtete ein letztes Mal die New Yorker Skyline, die mir in den letzten sechseinviertel Jahren so vertraut geworden war und nun in der Ferne verschwand.

Nun musste ich Abschied nehmen von leibgewonnenen Personen und Orten, die mich tief geprägt hatten. Unweigerlich kamen mir zahlreiche biblische Abschiedsgeschichten in den Sinn, die jeweils einen Abschied durchlebt hatten:

  • Abraham musste von seiner Heimat Abschied nehmen, weil Gott ihn an einen neuen, unbekannten Ort rief (Gen 12).
  • Jakob zog mit seiner gesamten Familie nach Ägypten und findet dort eine neue Heimat. (Gen 46)
  • Der Prophet Samuel legt nach langer Dienstzeit sein prophetisches Richteramt nieder. Bei seiner Verabschiedung vom Volk legt noch einmal Rechenschaft über sein Amt ab und lässt sich von den Zuhörenden entlasten. (1. Sam 12)
  • Der Apostel Paulus unternahm viele Reisen, um das Evangelium an verschiedene Orte zu bringen. Dabei nahm er immer und immer wieder Abschied von Menschen, die er kennengelernt hatte und die ihm ans Herz gewachsen waren. (Zum Beispiel Apg 20,17ff.)
  • Im Johannesevangelium hören wir Abschiedsreden Jesu. Hier spricht er davon, dass er seine Jünger verlassen und zum Vater zurückkehren muss. Aber er lässt sie nicht trostlos zurück. Vielmehr macht er ihnen Mut und stärkt sie durch den Tröster, indem er ihnen den Heiligen Geist schenkt. (Joh 14,16ff.)

Diese Wolke der Zeugen sprach mir durch die vielen biblischen Geschichten mutmachend entgegen. Ich wusste: viele ließen Gewohntes, Liebgewonnenes, aber auch Schweres los, und richteten sich auf Neues aus -so wie ich mich in diesem Flugzeug mitten in einer Pandemieauf den Weg zu einer neuen Berufung in meinem Heimatland aufmachte. Denn letztendlich wusste ich, dass wir als Menschen hier keine bleibende Statt haben, sondern die zukünftige suchen. (siehe Hebr 13,14)

Natürlich stellte meine gerade begonnene Reise einen großen Abschied da, der auch einen Lebensabschnitt abschloss. Und dennoch wusste ich tief in meinem Herzen: Es würde nicht der letzte Abschied sein, denn unser menschliches Leben besteht durch und durch aus großen und kleinen Abschieden. Solange wir leben, sind wir unterwegs auf der Durchreise in die Ewigkeit und nehmen von etwas Abschied. Manchmal bewusster. Manchmal weniger bewusst.

Während die Skyline New Yorks unter der dichten Wolkendecke verschwand, legte ich in einem einem stillen Gebet alles in Gottes Hände, was ich in den letzten sechseinviertel Jahren erlebt hatte. An mir zogen Zeiten der Freude und Fülle vorüber. Aber ebenso Zeiten der Trauer, der Entmutigung und des Scheiterns. Am Big Apple hatte ich die gesamte Bandbreite des Lebens erlebt. Alles war in Gottes guten Händen wohl aufgehoben während mich das Flugzeug in den neuen Lebensabschnitt trug.

Ich lehnte mich zurück und schloss vertrauensvoll meine Augen, denn ich wusste, dass Gott, wie Er Abraham, Jakob, Samuel, Jesus, Paulus und so viele biblische Zeugen begleitet hatte, durch die Kraft des Heiligen Geistes auch bei mir sein würde.