Die Katze der Pfarrerin (2): Pizza und der Vorgeschmack auf die Ewigkeit

Nach all der Aufregung hatte meine Dosenöffnerin beschlossen, die Küche geschlossen zu lassen. Ach, das ist aber schade! Denn neben den Dosen fallen für mich manchmal Leckereien von ihrem Essen ab. Selbst als ich mein herzzerreißendes Miauen auspackte, erweichte sie nicht. Stattdessen verschwand sie plötzlich in die Dunkelheit der kalten Dezembernacht. Diese Dosenöffner sind äußerst seltsam. Mich würde diese Kälte nicht reizen. Dafür strecke und räkle ich mich gerne vor dem warmen Ofen und lasse mich von dem Knistern in den Schlaf singen.

Als meine Dosenöffnerin kurze Zeit später zwei köstlich duftende, bunte Packungen auf den Küchentisch stellte und sich mit der Nachwuchs-Dosenöffnerin hinsetzte, sprang ich auf ihren Schoß und dann, um es noch genauer sehen zu können, auf meinen Lieblings-Aussichtspunkt, den sie „Schultern“ nennt. Dort werde ich zumeist verlässlich und stabil durch die Wohnung getragen.

Heute aber schüttelte meine Dosenöffnerin ein herzhaftes Lachen. Neugierig beugte ich mich noch weiter nach vorne, um genau zu sehen, was der eigentliche Grund ihres rätselhaften Verhaltens sein könnte, das das leckere Essen so lang heraus zögerte.

Aber hört doch selbst:

„Ein Vorgeschmack auf die Vergangenheit“ – so wie es auf der Pizzaverpackung steht, darauf habe ich so gar keine Lust. Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Zeit vor meinem jetzigen Katzentempel, aber das, was ich noch weiß, ist dunkel und düster.

Obwohl ich mir Mühe gab, erhielt ich keinen einzigen Bissen der lecker duftenden Pizza. Also blieb mir nichts weiter als es mir nach deren Festmahl auf dem Schoß meiner Dosenöffnerin gemütlich zu machen. Kaum war ich eingenickt, stand sie auf und holte sich ein großes Glas Wasser, das sie in einem Zug lehrte. Ja, ja, diese Pizza – sie riecht immer lecker und die Salami darauf soll angeblich vorzüglich schmecken, aber zusammen mit dem Käse ist es doch eher eine recht salzige Angelegenheit. Kein Wunder also, dass sie so viel Durst hatte! Dabei murrte sie vor sich hin und schimpfte über die Aufschrift auf der Pizzaverpackung. Ich sehe, wir verstehen uns! Dabei kramte sie in einem dicken Buch, das sie „Bibel“ nennt und las eine Geschichte von Jesus, der in eine Stadt gekommen war und eine Frau um Wasser bat:

Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Speise zu kaufen. Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du, ein Jude, erbittest etwas zu trinken von mir, einer samaritischen Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. – Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser.
Spricht zu ihm die Frau: Herr, du hast doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendiges Wasser? Bist du etwa mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Söhne und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.

Joh 4,7-14 LUT

Etwas verwirrend finde ich diese Geschichte schon, denn wenn man so wie die Dosenöffnerin an Jesus glaubt, sollte man doch keinen Durst haben? Vielleicht ist damit aber etwas anderes gemeint als der Durst, der uns nach einer salzigen Pizza zum Wasserhahn treibt? Der Durst nach Ewigkeit, sagt sie, wird durch den Glauben an den Messias gelöscht. So wie es die Geschichte von Jesus und der Frau aus Samarien erzählt.

Wie bedauerlich, dass es heute Abend nicht auch für den körperlichen Durst meiner Dosenöffnerin gilt. Kaum habe ich es mir wieder auf ihrem Schoß gemütlich gemacht, steht sie schon wieder auf und eilt zum Wasserhahn. Ja, seltsam sind sie oft, diese Dosenöffner.

Heute Abend bin ich nach einem langen anstrengenden Tag wieder satt und müde. Durst habe ich im Gegensatz zu ihr keinen. Wer weiß? Vielleicht habe ich etwas von diesem Wasser getrunken, von dem die Jesus-Geschichte erzählt? Auf jeden Fall träume ich heute Abend im Schein des Ofens von leckeren Dosen. Am liebsten von solchen gefüllt mit Pute mit Zucchini und wunderbar cremiger Sauce.

Die Katze der Pfarrerin

Es gibt nichts Schöneres als an einem kalten Winterabend sich vor dem warmen Feuer zu räkeln. Darf ich vorstellen? Mein Name ist Otello. Ja, ihr habt richtig gehört. Wie der berühmte Feldherr aus der gleichnamigen Oper von Guiseppe Verdi. Etwas rätselhaft ist mir mein Name schon, denn ich habe weißes Fell mit einigen roten Flecken. Eigentlich hätte ich analog zur italienischen Oper, nach der ich benannt wurde, mindestens braunes, vielleicht sogar schwarzes Fell haben müssen. Aber so sind sie, diese Dosenöffner, die auf zwei Beinen durch die Welt laufen.

Apropos Dosenöffner: ich habe eine Dosenöffnerin. Am liebsten sitze ich auf ihrer Schulter. So kann ich alles gut überblicken und habe meinen Katzentempel im Griff. Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meiner Dosenöffnerin. Zumeist stellt sie mir das richtige Essen bereit. Nicht selten lacht sie über meinen Namen, den ich aus dem Tierheim mitgebracht habe. Umbenennen kam für sie nicht in Frage, denn mit dem weißen Fell meint sie könne man irgendwie dem Rassismus in unserer Welt ein symbolisches Gegenbild setzen.

Eigentlich macht meine Dosenöffnerin einen ganz guten Job. Neben diesem Hauptberuf ist sie nebenberuflich als Pfarrerin tätig. Tagsüber arbeitet sie außerhalb meines Katzentempels, am Spätnachmittag und Abend kümmert sie sich um den Dosenöffner-Nachwuchs. Auch der ist wichtig, denn er steht bereit, wenn sie einmal keine Zeit hat. Außerdem steckten sie mir ab und an noch so manche Leckerei zu. Der Tag meiner Dosenöffnerin ist leider eng getacktet – in der verbleibenden Zeit liest sie gerne in unsinnig zusammengebundenem Papier, das sie „Buch“ nennt. Meistens geht es darin um den Glauben oder um Geschichte. Ich würde ja verstehen, wenn es darin um Futter oder die Jagd ging, aber solche Themen überlasse ich gern ihr. Das ist mir einfach zu anstrengend. Letztens hat sie sogar ein Buch über einen Rabbiner und seine Katze gelesen. Sicher ein Versuch, es mir irgendwie recht zu machen.

Aber was kümmern mich die Berufe anderer Dosenöffner und erst recht andere Katzen? Mein Leben ist stressig genug.

Wie gesagt: ich bin recht zufrieden. Heute Abend bin ich satt und müde. Ich räkle mich noch etwas im Schein des Holzofens, dann ist es Zeit endlich nach einem langen, anstrengenden Tag zu schlafen und von leckeren Dosen träumen. Am liebsten von solchen gefüllt mit Lachs, Hühnchenfilet und wunderbar cremiger Sauce.