Lesen gegen Hass (7) : Visuelle und sprachliche Mahnung mit ironischer Würze

Sehen, hören, riechen, schmecken und tasten – mit diesen fünf Sinnen nehmen wir Menschen physiologisch zumeist unsere Umwelt wahr. In diesem Blogeintrag möchte ich drei Bücher vorstellen, die Sie und euch wappnen soll gegen Hass, wie er im Nationalsozialismus in verheerender Weise Deutschland, Europa und die ganze Welt erfasst hat.

Visuell durch das Betrachten eines grafischen Romans.

Auditiv durch die Reflexion von Sprache anhand eines berühmten Notizbuchs.

Gustatorisch und olfaktorisch durch ein ironisch-makaberes Kochbuch.

„Die letzten 100 Tage Hitlers“ von Jean-Pierre Pécau, Filip Andronik, Senad Mavric und Jean Verney, erschienen in der deutschen Ausgabe bei Knesebeck 2025

Die Graphic Novel führt die letzten hundert Tage des grausamen NS-Regimes in all seiner Brutalität visuell vor Augen und zeigt das erbarmungslose und wahnhafte Festhalten an einer krankhaften Ideologie. Eine Mahnung gegen das Erstarken rechtsextremer Strömungen und die Gefahren der „Neuen Rechten“, die sich gleicher Mittel bedienen und die Menschenwürde mit Füßen treten.

Wenn auch aufgrund des Umfangs verkürzt, so ist diese packende Graphic Novel historisch gut fundiert vom Stauffenberg-Attentat bis zum Nerobefehl und künstlerisch beeindruckend mit interessanten Details ausgestaltet. Die Brutalität des mörderischen Regimes wird in eindrücklich bewegender Weise dargestellt und zeigt auf, das sich diese in einer makaberen Zuspitzung selbst gegen das eigene Land und dessen Bewohnter richtete als eine Niederlage abzusehen war:

„Was sagt Hitler dazu?“ … „Ich zitiere wortwörtlich: „Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil. Es ist besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrig bleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.“

S. 61

Die betrachtenden Personen begleiten den Wahnsinn, die Ängste und die tiefen Abgründe des Naziregimes bis in die letzten Stunden im Berliner Führerbunker. Eine visuelle Chronik einer grausamen Zeit, die die Betrachter vehement anregt über das Geschehene nachzudenken, damit es nie wieder in dieser oder anderer brutaler Weise geschehe.

„LTI – Notizbuch eines Philologen“ von Victor Klemperer, erschienen bei Reclam 1975 (Erstveröffentlichung 1947)

Eine auditive Wahrnehmung ist für unseren Alltag grundlegend. Sprache umgibt uns als Hörende und Sprechende. Nicht immer reflektieren wir unseren eigenen Wortschatz oder das uns entgegenkommende Wort. Victor Klemperer hat uns durch seine tiefsinnige Dokumentation ein Sprachwissen überliefert, das uns in einer Zeit erstarkendem Extremismus hellhörig werden lassen sollte.

Bereits der Titel des Notizbuchs enthält den ersten massiven Seitenhieb gegen ein mörderisches Regime, das zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung zwei Jahre zuvor brutal zu Ende gegangen ist. Victor Klemperer als Autor dieses wichtigen Buches nimmt uns persönlich beschreibend in fachlich tiefer Reflexion mit in das wohl wirkungsreichste Mittel des mörderischen Nationalsozialismus: die deutsche Sprache.

Victor Klemperer (1881-1960) als Jude geboren, zum Protestantismus konvertiert und Professor der Sprachwissenschaft, war durch die Rassengesetze der NS-Diktatur von dessen Auswirkungen direkt betroffen. 1947 veröffentlichte er die vorliegende Sprach-Analyse des Dritten Reiches, „LTI“ (Lingua Tertii Imperii), um vor den Gefahren von Sprache als Waffe zu warnen.

Die Sprache des Nationalsozialismus wurde „… 1933 aus einer Gruppen- zu einer Volkssprache…“ (S. 25) und bemächtigte sich „… auch, und sogar mit besonderer Energie, des Heeres; aber zwischen Heeressprache und LTI liegt eine Wechselwirkung vor, genauer: erst hat die Heeressprache auf die LTI gewirkt, und dann ist die Heeressprache von der LTI korrigiert worden.“ (S. 25)

Der Sprachwissenschaftler dokumentierte die um sich greifende Versachlichung und „Maschinisierung“ menschlicher Existenz und Identität, der sich als „Erlöserfigur“ darstellende Führer, Verniedlichung von massiven Eingriffen in Bürgerrechte und -pflichten und so vieles mehr.

[…] die stärkste Wirkung wurde nicht durch Einzelreden ausgeübt, auch nicht durch Artikel oder Flugblätter, durch Plakate oder Fahnen, sie wurde durch nichts erzielt, was man mit bewußtem Denken oder bewußtem Fühlen in sich aufnehmen musste.

Sondern der Nazismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewußt übernommen wurden.

S.21

Schnell wird dem Leser und der Leserin bewusst, welch eine Macht Sprache tagtäglich auf uns ausübt und wie sehr sie uns im Denken und Handeln lenken kann. Daher sei dieses Buch allen dringend zur Lektüre anempfohlen.

Nazi Goreng. 33 urdeutsche Rezepte – ganz ohne Fremdobst, Exotik und Geschmack von Horst Kessel, erschienen bei riva 2023

Mit dem vorliegenden „Kochbuch“ wird es nun gustatorisch und olfaktorisch (bei dessen Durchführung) interessant für jeden, der sich gegen Hass auch in der Küche „wappnen“ möchte. Denn die Grundsätzlichkeit und Wichtigkeit des Essens ist uns allen gut bekannt.

Mit scharfem, dunklen Humor warnt der Autor durch seine dreiunddreißig Rezepte sprachlich tiefgründig vor Rechtsextremismus. Nach einem Grundrezept der „braunen Soße“ wird Kochwissen in Vor-, Haupt-, Süß- und Nachspeisen weitergegeben. „Deutsche Buchstabensuppe“, „Himmleermarmelade“, „Leckeres Apfelmussolini“ sind nur einige der vielen Rezepte, die durch geschickte Wortspiele dunkelste NS-Zeit bissig aufs Korn nehmen.

Zu „Heilbutt in Dill-Senf-Soße“ schreibt der Autor:

Das besondere an diesem Gericht ist, dass man es selbstverständlich ausschließlich mit der linken Hand zubereiten kann, da die rechte ja beschäftigt ist.

S. 29

Im Buchgeschäft wurde ich beim Kauf darauf hingewiesen, dass die Rezepte auch tatsächlich zubereitet werden könnten. Das Lesen derselbigen war erhellend und führt die Macht der Sprache in praktischer Weise vor Augen. Ein „Nachkochen“ überlasse ich lieber anderen, doch die Warnung wirkt nachhaltig und sensibilisierend.

Lesen gegen Hass 6: Nie wieder, schon wieder, immer noch!

Voller Erstaunen drückte ich auf den rot beleuchteten Knopf in meinem iPhone-Display und starrte auf die bunte Vielfalt der verschiedenen Apps. Das kann doch jetzt nicht wahr sein. Der Hörer hatte frech, aber kokett danach gefragt, warum ich immer wieder Partei für Jüdinnen und Juden ergreifen würde. Ich sei doch Christin und gehörte einer anderen Religion an. Das alles ginge mich nichts an. Und ob es dies tut!, hatte ich gekontert. Wenn er als sogenannter Christ wirklich Bibel lesen würde, wüsste er um die tiefe Verbundenheit, die wir als Christen mit dem Judentum haben.

Plötzlich war das „Nie wieder“, das ich immer wieder betonte, vor meinen Augen zu einem „Schon wieder“ geworden.

Jesus war Jude, entgegnete ich. Und Paulus schrieb davon, dass nicht wir die Wurzel tragen, sondern die Wurzel uns. (Röm 11,18; siehe Anmerkung 1) In den darauf folgenden Versen führte der Völkerapostel an die Gemeinde in Rom aus, dass ganz Israel erwählt und erlöst sei.

Schweigen am anderen Ende der Leitung. Und just wurde aus dem „Schon wieder“, das eigentlich ein „Nie wieder“ sein sollte, ein „Immer noch“.

Daher ist es mir wichtig, in diesem Blogeintrag für Pädagoginnen und Pädagogen, Lehrende und Interessierte zwei wichtige Bücher zu dieser Auseinandersetzung vorzustellen. Er ist einzureihen in eine Folge von Leseempfehlungen gegen den Hass, die ich vor geraumer Zeit begann. Die weiteren Einträge seien ebenso ans Herz gelegt.

Der 7. Oktober mit dem Hamas-Terroranschlag auf Israel erscheint mir wie eine Zeitenwende – wie ein tiefer Einschnitt in der gesellschaftlichen und politischen Struktur, der Antisemitismus unverhohlen hervortreten lässt. Es geht um nichts weniger als um unsere Demokratie, die damit auf dem Spiel steht. Aus dem „Nie wieder“, scheint ein „Schon wieder“ geworden zu sein – vielleicht aber handelt es sich, wie Philipp Peyman Engel bitter betrachtet, um ein „Immer noch“.

Daher sei Ihnen, liebe Blogleserin, lieber Blogleser, die beiden folgenden Bücher besonders sehr ans Herz gelegt.

„Nie wieder? Schon wieder! Alter und neuer Antisemitismus“ von Michael Wolffsohn, erschienen 2024 bei Herder

Wie oft betonen viele, dass nie wieder geschehen darf, was einst durch ein mörderisches NS-System geschah. Dieses Bekenntnis scheint aber vielfach leicht ausgesprochen, nun aber aufgrund des blutigen Angriffs der Hamas ins Wanken zu geraten. Im vorliegenden Buch geht der bekannte Historiker Michael Wolffsohn auf den menschenverachtenden Hass des Antisemitismus ein.

Antisemitismus, genauer: Antisemitismen, gibt es seit 3000 Jahren. […] Unsere nun wieder auch zunehmend – freilich nicht ausschließlich – sichtbar antisemitische Gegenwart knüpft an die Vergangenheit an. Sie ist ein reaktionärer Rückfall, auch wenn einige seiner Träger sich als Vorreiter des Fortschritts verstehen und präsentieren.

Wolffsohn: Nie wieder? Schon wieder! S. 12.

Nach diesen Ausführungen sind im Buch zum einen die nicht gehaltene Rede „Der deutsche 9. November – Gedanken zum Gedenken“ sowie die gehaltene Rede „85 Jahre „danach“ – Antisemitismus, hausgemacht und importiert“ enthalten.

Die erste Rede atmet vor dem 7. Oktober 2023 einen gewissen „Optimismus“, wage ich zu schreiben, der an eine Herzensbildung glaubt:

Das dringend notwendige neue deutsche Gedenken an Kristallnacht, Judenmorde und andere NS-Verbrechen muss nicht nur am oder zum Jahrestag des 9. November zielgruppengerechte Gedanken und vor allem eine Ethik entwickeln, sprich: Herzensbildung für die Sicherung und Festigung unserer humanen und notwendigerweise wehrhaften Demokratie.

Wolffsohn, Nie wieder? Schon wieder!, S. 46

Die zweite Rede wurde von Herrn Wolffsohn nach dem dem Hamas-Terrorüberfall auf Israel verfasst. In ihr schlägt er wichtige und deutliche Töne an, die uns alle nicht nur nachdenklich machen sollte, sondern uns zum Handeln bringen sollten. Deutschland steht auf einem sehr gefährlichen Grad.

Die Jüdische Weltgeschichte zeigt: Wo und wenn es Juden gut geht, geht es dem Land gut. Deutschland hatte bis 1933 die Wahl. Es entschied falsch, und es erging ihm schlecht. Es hatte ab 1949 wieder die Wahl – und entschied richtig. Deutschland ging es bestens. Heute steht Deutschland wieder vor der Wahl. Wie wird es entscheiden? So wie die zahlreichen echten Freunde, die Juden und Israel in Deutschland haben? Hoffen wir es.

Wolffsohn, Nie wieder? Schon wieder!, S. 67

„Deutsche Lebenslügen. Der Antisemitismus, wieder und immer noch“ von Philipp Peyman Engel, erschienen 2024 bei dtv

Philipp Peyman Engel zeigt in seinem Buch „Deutsche Lebenslügen“ die schmerzhafte Realität des Antisemitismus in Deutschland auf und rechnet mit denen ab, die zum Terror schweigen. Hierbei zeigt er auf, dass sich unser Land in einer tiefen moralischen Krise befindet, die nichts weniger als unsere Demokratie gefährdet.

Dabei greift er ein Tabuthema auf: Islamistischer Antisemitismus, dessen Entstehung und Verbreitung in Deutschland.

[…] Noch immer ist es in Deutschland ein Tabu, den enthemmten Hass auf Juden unter muslimischen Migranten anzusprechen.

Engel, Deutsche Lebenslügen, S. 11

Ein schmerzhaft ehrliches und direktes Buch, das mich als Leserin hineingenommen hat in eine unglaubliche Welt des Hasses. Ich bin sehr dankbar um den Mut, den der Autor hier erwiesen hat, um uns die Augen für die Vorgänge in Deutschland zu öffnen. Denn der Zyklus dieses Hasses wurde von Deutschen im Nationalsozialismus begonnen und kehrt nun in Gestalt des islamistischen Antisemitismus zu uns zurück.

Folgt man der These von Jeffrey Herf, haben die Deutschen den muslimischen Antisemitismus in dieser Form überhaupt erst erschaffen – und er kehrt nun über Einwanderer und Migranten aus vielen arabischen und muslimischen Staaten zu uns zurück. In ihm verbindet sich das antijudaistische Element des Korans mit dem rassistisch-mörderischen des Nationalsozialismus.

Engel, Deutsche Lebenslügen, S. 160

Beide Bücher rütteln auf ihre jeweils eigene, aber direkte Sprache, klare Worte und Einblicke in das durch Antisemitismus ausgelöste Leid auf. Das Lesen beider Bücher wird nicht spurlos an den Lesenden vorüberziehen. Nun ist zu hoffen, dass darauf auch Taten in vielerlei Weise zum Schutz von Jüdinnen und Juden sowie unserer Demokratie darauf folgen mögen.


(1) Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.

Lesen gegen Hass 3: Vergesst den Ukraine-Krieg nicht!

Während ich den in Orange-, Grün- und Gelbtönen gehaltenen Graphic-Novel las, umgab mich leise Begleitmusik. Als ich zur nächsten Seite umblätterte, musste ich erstaunt innehalten.

I’m gonna lay down my burden, 
Down by the riverside,  
Down by the riverside,  
Down by the riverside.  
Gonna lay down my burden,  
Down by the riverside,  
Down by the riverside. 


I ain’t go study war no more,  
study war no more, 
ain’t go study war no more. 
I ain’t go study war no more, 
study war no more, 
ain’t go study oh war no more.

Gospel „Down by the riverside“

Ich erhöhte die Lautstärke während ich verdutzt die nächste Seite des Graphic Novel umblätterte. In der elften Kalenderwoche erzählten eine ukrainische Journalistin und ein russischer Künstler jeweils von der sie umgebenden Traurigkeit über einen Krieg, der beide zutiefst betraf. In dieser Woche hatte der russische Künstler ein Konzert des ukrainischen Sängers Ivan Dorn besucht, währenddessen dieser Aufnahmen aus dem Krieg zeigte, die zu Tränen rührten.

Sich mit Krieg nicht auseinanderzusetzen wie dies im alten Gospel beschrieben wird, ist gegenwärtig unmöglich. Hilfreich ist es zu wissen, dass dieser höchstwahrscheinlich im Anschluss an den Sezessionskrieg im Juni 1865 bzw. des ersten Weltkrieges als Ausdruck einer Kriegsmüdigkeit entstand. Die Gospel-Lyrik von „Down by the Riverside“ hat biblische Wurzeln, die in vielfacher menschlicher Ungerechtigkeitserfahrung und dem Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit ihre sehnsuchtsvolle Quelle haben. Grundlage für diesen Gospel waren Bibelabschnitte wie Mi 4-5 und die zu Tage tretende Diskrepanz zwischen Sehnsucht nach einem Friedensreich und harter, ja manchmal sogar brutaler Realität in Auseinandersetzung, Gewalt und Tod.

Als Christin und Theologin sehne ich mich ebenso nach einem solchen Friedensreich, aber angesichts der vielen Kriege, vor allem des Ukraine- und Israel-Gaza-Krieges werde ich ratlos. Was soll ich meinen Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern sagen? Welchen Deutungshorizont kann ich ihnen in dieser schwierigen Zeit geben? Selbstverständlich könnte ich multiple Lehren wie sie beim biblischen Pazifismus, bei Augustin, Thomas von Aquin und Kant zu finden sind, im Unterricht ausbreiten. Aber reichen diese ethischen Modelle und postulierten Handlungsmaximen? Sind sie nicht vielmehr überheblich, wenn auf sie allein zurück gegriffen wird – noch dazu wenn die lehrende Person, die in einem sicheren Land lebt, keine Kriegserfahrung und – betroffenheit hat?

Daher werde ich in meinem berufsethischen Unterricht andere zu Wort kommen lassen und hierdurch einen Anknüpfungspunkt für einen Umgang mit Krieg und Frieden suchen, der in einer persönlichen Perspektive Betroffener liegt. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass Polizistinnen und Polizisten in ihrer Handlungskompetenz eine ganz konkrete Schlüsselkompetenz für unsere Demokratie und Gesellschaft übertragen bekommen, die sich in der Wahrung der Menschen- und Grundrechte im Umgang mit dem Einzelnen ausdrückt.

Einen Zugang zu einer persönlichen Perspektive kann der Graphic Novel „Im Krieg“ von Nora Krug schenken. Nach „Heimat: ein deutsches Familienalbum“ und „Über Tyrannei – zwanzig Lektionen für den Widerstand“ ist dies der dritte Graphic Novel von Nora Krug, den ich in meiner Reihe „Lesen gegen Hass“ vorstelle. Dieser ist in Englisch, Deutsch und Koreanisch erschienen.

In diesem Bildroman begleitet die deutsch-amerikanische Illustratorin eine ukrainische Journalistin und einen russischen Künstler. Aus einem persönlichen Blickwinkel werden zwei Leben im Krieg portraitiert und zwei Tagebücher über ein Jahr nebeneinander Woche um Woche dargestellt. Hierzu hatte Nora Krug wenige Tage nach der russischen Invasion der Ukraine zu einer ukrainischen Journalistin in Kiew und einem russischen Künstler in Sankt Petersburg aufgenommen. Es sind persönliche Einblicke, die dem Leser und der Leserin in deren Leben geschenkt wird. Wir begleiten sie in ihrem Kriegserleben zu ihren Familien und Freunden, zu ihrer Arbeit und dem Meistern eines Lebens, das durch den Krieg komplett auf den Kopf gestellt wurde.

Der Bildroman schafft eine persönliche Ebene, die Betroffenheit und Nähe schenkt und damit einen Zugang für einen Unterricht jenseits abstrakter Kriegs- und Friedenstheorie ermöglicht. Dies ist wichtig, denn Polizistinnen und Polizisten handeln stets im Konkreten und beeinflussen unter Umständen Leben nachhaltig in deren Verlauf.

Ich gebe zu, dass auch ich manchmal angesichts der vielen Kriege, vor allem des Überfalls der Hamas auf Israel und Russlands auf die Ukraine trotz meiner Lebenswirklichkeit in einem demokratischen Land zu leben, in dem Frieden herrscht, kriegsmüde werde. Gerne würde ich mit in den Gospel einstimmen und singen: „I ain’t go study war no more“. Aber ich bin es denen schuldig, die konkret unter Krieg, Gewalt und Tod leiden, dass die gestärkt werden, die für unsere Demokratie einstehen werden. Gegenwärtigen und zukünftige Generationen, die durch Bildung und Unterricht zugerüstet werden.

In meinem Falle sind es die angehenden Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei. Wie diese Frieden und Gerechtigkeit umsetzen, kann im Rahmen des geltenden Gesetzes und des eigenen Gewissens nur jeweils die einzelne Person entscheiden und in ihrem Handeln transparent werden lassen. Und bei anderen sind es die jeweiligen Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, Kinder, Enkel oder Patenkinder, die ihnen anvertraut sind.

Ich drehte die Musik noch etwas lauter – meine Gedanken verloren sich im sehnsuchtsvollen Klang des Gospels und Bildern von Musikerinnen und Musikern rund um den Globus, die diesem Sehnen vielgestaltig Ausdruck verliehen.