Sport & Gebet – von Notfallnummern und wichtigen Mechanismen der Gesunderhaltung

Meine Lauffrequenz hatte sich nach anfänglichen Mühen eingependelt. Mit jedem Schritt, den ich auf der roten Tartanbahn vorankam, wurde ich ruhiger während das vor wenigen Minuten Gehörte sich langsam ordnete und der Nebel des Seelsorgegesprächs sich allmählich lichtete. Mein Atem folgte nun einem geordneten Rhythmus während mein Gebet zu Gott aufstieg, indem ich Ihm anvertraute, was eine Person mir erzählt hatte.

Vor einigen Wochen war ich auf einer Podiumsdiskussion von einem Gast gefragt worden, wie ich mit der Last des Erlebten, die Polizistinnen und Polizisten ertragen und durchleben müssten, als Seelsorgerin umgehen würde. Welche Mechanismen oder Möglichkeiten hätte ich, damit auch ich dienstfähig und gesund bliebe? Meine Antwort war einfach und simpel: Sport & Gebet. Nicht wenige waren überrascht.

Ich will nicht verleugnen, dass ich in den dreieinhalb Jahren Polizeiseelsorge in Bamberg eine Vielzahl von Personen begleitet habe, die aufgrund von Grenzsituationen belastet sind und daran auch zu zerbrechen drohen. Der Dienst eines Polizisten und einer Polizistin ist schwer – viele sehen Dinge, die wir Bürgerinnen und Bürger, wenn überhaupt (und Gott bewahre uns vor mehr) ein oder zwei große vehemente Erfahrungen erleben müssen. Für diese Berufsgruppe aber gehören Gewalt, Übergriffe und Verletzungen zu ihrem Alltag. Mich hat das, was ich in der Polizeiseelsorge höre und mit begleite, sehr demütig gemacht. Meine seelsorgerliche Begleitung in der Polizei, die vor über neun Jahren in New York ehrenamtlich begann und zu meiner gegenwärtigen Tätigkeit in der Bundespolizei führte, hat meinen eigenen seelsorgerlichen Horizont sehr erweitert.

Als ich das erste Mal vor meinem Büro stand, musste ich schmunzeln, denn die Zimmernummer trug die europaweite Notrufnummer 112. Ich hatte keine Ahnung, dass diese Nummer so gut zu meiner Tätigkeit im AFZ Bamberg passen würde. Wie stimmig die 112 ist, weiß ich nun einige Jahre später.

Auch in der Bibel gibt es eine Notfallnummer, die aber etwas länger ist: 5015. In Psalm 50 heißt es:

Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.

Psalm 50,15 (LUT)

Schon bald in meinem Dienst in Bamberg versuchte ich aufgrund der bewegenden Begleitungen einen gangbaren Mechanismus für mich zu finden. Denn das, was mir anvertraut wurde, nagte manchmal schwer in mir. Nach einiger Zeit war es Sport kombiniert mit dem Gebet als einem „Notruf“, die mir halfen. Ob Tartanbahn im AFZ oder Fitnessstudio, nach einiger Zeit kommt mein Körper durch die seit langem eingeübten Bewegungen zur Ruhe und mit ihm auch Geist und Seele. An dieser Schnittfläche öffnen sich meine Gedanken und mein Herz zum Gebet, das Gott das mir Anvertraute übergibt. Denn bei vielem kann ich nur zuhören, begleiten und einfach da sein. Dies sind für mich in meiner beruflichen Identität als Seelsorgerin menschliche Grenzerfahrungen, die ich erlebe, wenn ich andere in deren Grenzsituationen begleite, die sie im Dienst erleben müssen. Durch Sport und Gebet verharre ich nicht in der Hoffnungslosigkeit, sondern lege alles Leid und allen Schmerz, der mir als Seelsorgerin anvertraut wird, in Gottes Hände. Dafür bin ich dankbar und ohne diesen Mechanismus der göttlichen Notfallnummer könnte ich meinen Dienst nicht verrichten. Der Psalm drückt die Reaktion des Menschen auf eine solche Möglichkeit etwas antiquiert als „Preisen“.

Inzwischen wurden meine Schritte langsamer und gingen in ein schnelles Gehen über, während mein Atem anfing sich zu beruhigen. Mein Körper hatte die durch das Seelsorgegespräch ausgelösten Aggressionen abgebaut. Meine Gedanken waren wieder klar und mein Herz aufgrund des Gebetes ruhig. Nach einer Dusche würde ich wieder bereit sein für die nächsten dienstlichen Herausforderungen. Ich nickte einigen Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern, die gerade die Tartanbahn zum Sport betraten, aufmunternd zu und erfreute mich an ihrem herzlichen Grüßen. Ob im übertragenen Sinn 112 oder 5015 – da ist jemand, der zuhört und da ist. Entweder im Auftrag Gottes oder ganz direkt.


Bitte vergessen Sie nicht, dass Sie in schweren Situationen nie allein sind. Für viele Gläubige ist das Gebet der Ort, an dem die Last abgegeben werden kann. Aber manchmal versagt die Stimme unseres Herzens und wir brauchen eine Person, die uns zuhört und Zeit für unsere Sorgen und Nöte hat

In Oberfranken sei Ihnen die Nummer der Telefonseelsorge Oberfranken ans Herz gelegt. Alle Telefonseelsorgestellen sind über das deutsche Festnetz und per Handy gebührenfrei, vertraulich und anonym erreichbar. An 365 Tagen können Sie rund um die Uhr unter folgender Telefonnummer ein Person erreichen, die Ihnen zuhört:

0800/1110111 und 0800/1110222

Dabei können Sie sich darauf verlassen, dass alle Anrufe anonym und vertraulich sind. Ihre Rufnummer erscheint nicht auf dem Display und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterliegen so wie ich als Polizeiseelsorgerin der Schweigepflicht.

Von Cartoons, Müllvermeidung und biblischen Geschichten

Vorsichtig trocknete ich die frisch abgespülten „Druckverschlusstüten“ ab. Aus Übersee hatten wir einige wenige Packungen dieser praktischen Haushaltshelfer mitgebracht. Nun aber gingen sie nach dreieinhalb Jahren langsam zu neige. Ich grinste in mich hinein während ich mit dem weichen Geschirrtuch die Ecken austrocknete. Meine Großmutter (Gott hab sie selig) würde jubilieren, denn was uns als Enkel vor über vierzig Jahren befremdlich vorkam, war nun Teil meiner Haushaltsroutine geworden: Plastiktüten, erst recht die wertvollen Druckverschlusstüten, mehrfach zu verwenden. Damals kugelten wir Enkel uns heimlich vor Lachen, denn wozu sollte man sich solche Mühe um eine gebrauchte Plastiktüte machen? Sie gehörte in den Müll – es gab ja schließlich genug neue zu kaufen. Müllvermeidung war damals, so bitter dies nun zu lesen ist, noch kein großes gesellschaftliches Thema.

Nicht schlecht staunte ich bei der Eröffnung der Ausstellung „Jetzt noch die Kurve kriegen“ der Stadt Bamberg als mir zum Thema Plastikmüll eine sehr eindrückliche Visualisierung entgegentrat, die mir mahnend vor Augen führte, wie wichtig Vermeidung von Müll ist:

Ein völlig verärgerter Jesus geht über ein verschmutzte Wasseroberfläche und tritt dabei eine alte Dose wütend in die Luft. Eine weiße Gedankenblase gibt dabei Einblicke in seine Gedanken: „Wenn kein Wunder geschieht, kann bald jeder übers Wasser laufen…“

Rainer Unsinn

Als Theologin und Familienfrau hat es mir dieser Cartoon von Rainer Unsinn angetan, denn für mich klingt im Cartoon eine biblische Geschichte an, die mir sehr am Herzen liegt:

Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht!
Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?

Mt 14,25-31 LUT

Übers Wasser gehen. Ein Wunsch, den Petrus hegte. Ob wir das wirklich wollen? Unsere Meere und Gewässer so lange „zumüllen“ bis wir selbst als Menschen darauf laufen können? Schon jetzt befinden sich in unseren Weltmeeren gefährliche Ansammlungen an Müll. Griechische Fischer ziehen jedes Jahr unglaubliche 50 Millionen Tonnen Müll als „Beifang“ aus dem Meer.

Wird uns nicht dabei wie Petrus damals Angst und Bang? Während all der Müll unsere Meere verstopft und unsere Umwelt mit Makro- und Mikropartikel vergiftet werden? Ja, irgendwie sind wir doch Kleingläubige – kleinkariert bedacht auf unseren Vorteil, unsere Bequemlichkeit. Lieber keine Arbeit. Wo das Plastik dann letztendlich hinkommt, verliert sich im gedanklichen Nebel der eigenen Komodität.

Ich sah auf meine inzwischen handtuchtrockenen Druckverschlusstüten, die ich über die daneben stehenden Trinkgläser stülpte, damit sie vollständig austrocknen würden. Ganz Müll vermeiden würde in unserem Haushalt schwierig werden, aber ein wenig mehr Achtsamkeit, das würde sich lohnen und ganz nebenbei Erinnerungen an meine verstorbene Oma wecken.


Ausstellungstipp

Noch bis zum 22. Juli ist die Karikaturenausstellung im Eingangsbereich des Klinikum Bambergs für alle Besucherinnen und Besucher geöffnet. Es lohnt sich sehr und hilft, dass wir uns und unser Umweltengagement hinterfragen!

Anbei noch einige andere Impressionen: