Mehr als Fußnoten – von feministischer Literatur und Hoffnungsmomenten

Auf nachtblauem Hintergrund hielt eine in Chagallblau gehaltene Frau in stolzer Haltung ein Schwert vor sich. Goldene Akzente betonten ihr ritterliche Kleidung und durchzogen in feinen und gröberen Zügen den Nachthimmel. Meine Hand streifte vorsichtig über den Einband, während ich den Form des Buchtitels auf dessen Oberfläche erspüren konnte.

Die zahlreichen Seiten der Fantasy-Dilogie „Sisters of Sword and Shadow“ der britischen Autorin und Feministin Laura Bates waren in den letzten Tagen im Nu an mir vorübergeeilt. Ich war eingetaucht in eine Welt zur Zeit König Arthurs, in der Frauen weder Macht, noch Reichtum, geschweige denn eine Förderung gemäß ihrer Begabungen und ihres Potentials erhielten. Die Hauptfigur Cass, die von ihrer Familie für eine arrangierte Ehe bestimmt worden war, träumt von Freiheit, Selbstbestimmung und Verwirklichung ihrer eigenen Gaben. Durch eine Verkettung von Umständen folgt sie einer fremden Frau und wird in geheime Schwesternschaft weiblicher Ritter aufgenommen. Hier lernt sie zu kämpfen um die geheime Gemeinschaft zu schützen und durch Männer entstandenes Unrecht wiedergutzumachen. Als Leserin tauchte ich in eine Welt tödlicher Fehden ein und erlebte mit, wie die Hauptfigur ihre besonderen Fähigkeiten allen Widerständen zum Trotz entdeckte und zu sich selbst fand.

Jenseits aller fantastischer Ausschmückung tat mir die im Buch dargestellte Solidarität sehr gut, die innerhalb der Frauengemeinschaft gelebt wurde. Denn nicht selten erlebe ich eine andere Realität. Frauen, die anderen Frauen keine Förderung gönnen. Frauen, die anderen Frauen angebotene Möglichkeiten zerstören statt ihnen zu helfen, das von Gott geschenkte Potenzial zu leben. Frauen, die sich mit einem in-sich-geschlossenen männlichen System solidarisieren, um Vorteile zu nutzen, als zu ihren Kolleginnen zu stehen.

Laura Bates weiß, wovon sie schreibt: als Gründerin des „Everyday Sexism Project“ hat sie über 250.000 Schilderungen von Alltagssexismus gesammelt. Die zu Tage getretene Ungleichheit, der versteckte oder offenen Sexismus gegenüber Frauen, der hierdurch offen gelegt wurde, führte in Großbritannien zu Veränderungen in Schul-Curricula, Facebook-Regelungen und hatten sogar großen Einfluss im Vorgehen der „British Transport Police“ hinsichtlich sexuellen Übergriffen.

Während Romane nicht das angestammte Metier von Laura Bates sind, lege ich ihr Buch „Fix the System – Not the Women“ jeder Person ans Herz, die sich mit sexualisierter Gewalt und der ihr zugrundeliegenden Vorurteilen gegenüber Geschlechtern auseinandersetzen will.

Im Gegensatz zu den oft bitteren realen Schilderungen sexualisierter Gewalt gegen Frauen, die in diesem Projekt gesammelt wurden, findet die Hauptfigur Cass allen Widerständen zum Trotz zu sich und ihrem Potential. Sie und einige andere weibliche Figuren treten damit in das Zentrum des Romans, um eine andere, eine Welt aus weiblich-selbstbewusster Sicht aufzuzeigen. Wie oft wurde und wird unsere Welt aus männlicher Sicht beschrieben oder deren Sicht niedergeschrieben. Denken wir doch einfach an viele Sagen, Legenden oder Erzählungen, biblische Bücher und so vieles mehr. Aber Frauen wollen mehr sein als nur eine Fußnote. Das nimmt die Autorin in ihrem Buch ernst und entfaltet dies in ihrem Nachwort:

Cass is a heroine I hope will resonate with the young people I work with – finding her inner power in a world that wants to force her into a footnote. She rejected the minor, submissive, supporting role that has been written for her, and exchanges it instead for an exhilarating life of adventure, power and sisterhood. Above all, she finds the strength to write her own story. This is everything I wish for my readers.

Vielleicht braucht es genau solch eine fiktionale Figur, die inspirieren kann, dass Frauen nicht nur eine Fußnote im Text des Lebens und der Geschichte sein wollen, sondern ihrem Gaben gemäß sich entfalten können. Das mag in vielem der oftmals gesellschaftlich zugewiesenen Rolle entgegenstehen, aber nicht jede Frau – und auch nicht jeder Mann!- findet sich darin wieder, sondern möchte sich in anderer Weise in unsere Gesellschaft einbringen.

Nachdenklich schlug ich das Buch endgültig zu. Es lag schwer in meiner Hand als ich es an seinen neuen Platz in meinem Bücherregal zur Frauenliteratur stellte. Das Chagallblau der Frau strahlte mir inmitten all dem Rosa, Violett und Pink der meisten anderen Gleichstellungsliteratur aufmunternd entgegen als ob es mir sagen wollte, dass wir Frauen allen erlebten Widerständen zum Trotz die Hoffnung nicht aufgeben sollte – Frauen dürfen und sollen mehr sein dürfen als Fußnoten in der gesellschaftlichen Struktur.

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