Es gibt nichts Schöneres als an einem kalten Winterabend sich vor dem warmen Feuer zu räkeln. Darf ich vorstellen? Mein Name ist Otello. Ja, ihr habt richtig gehört. Wie der berühmte Feldherr aus der gleichnamigen Oper von Guiseppe Verdi. Etwas rätselhaft ist mir mein Name schon, denn ich habe weißes Fell mit einigen roten Flecken. Eigentlich hätte ich analog zur italienischen Oper, nach der ich benannt wurde, mindestens braunes, vielleicht sogar schwarzes Fell haben müssen. Aber so sind sie, diese Dosenöffner, die auf zwei Beinen durch die Welt laufen.
Apropos Dosenöffner: ich habe eine Dosenöffnerin. Am liebsten sitze ich auf ihrer Schulter. So kann ich alles gut überblicken und habe meinen Katzentempel im Griff. Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meiner Dosenöffnerin. Zumeist stellt sie mir das richtige Essen bereit. Nicht selten lacht sie über meinen Namen, den ich aus dem Tierheim mitgebracht habe. Umbenennen kam für sie nicht in Frage, denn mit dem weißen Fell meint sie könne man irgendwie dem Rassismus in unserer Welt ein symbolisches Gegenbild setzen.

Eigentlich macht meine Dosenöffnerin einen ganz guten Job. Neben diesem Hauptberuf ist sie nebenberuflich als Pfarrerin tätig. Tagsüber arbeitet sie außerhalb meines Katzentempels, am Spätnachmittag und Abend kümmert sie sich um den Dosenöffner-Nachwuchs. Auch der ist wichtig, denn er steht bereit, wenn sie einmal keine Zeit hat. Außerdem steckten sie mir ab und an noch so manche Leckerei zu. Der Tag meiner Dosenöffnerin ist leider eng getacktet – in der verbleibenden Zeit liest sie gerne in unsinnig zusammengebundenem Papier, das sie „Buch“ nennt. Meistens geht es darin um den Glauben oder um Geschichte. Ich würde ja verstehen, wenn es darin um Futter oder die Jagd ging, aber solche Themen überlasse ich gern ihr. Das ist mir einfach zu anstrengend. Letztens hat sie sogar ein Buch über einen Rabbiner und seine Katze gelesen. Sicher ein Versuch, es mir irgendwie recht zu machen.

Aber was kümmern mich die Berufe anderer Dosenöffner und erst recht andere Katzen? Mein Leben ist stressig genug.
Wie gesagt: ich bin recht zufrieden. Heute Abend bin ich satt und müde. Ich räkle mich noch etwas im Schein des Holzofens, dann ist es Zeit endlich nach einem langen, anstrengenden Tag zu schlafen und von leckeren Dosen träumen. Am liebsten von solchen gefüllt mit Lachs, Hühnchenfilet und wunderbar cremiger Sauce.
♥️♥️♥️
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Ach, die Kater/Katzen sind immer interessant!
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