Von Cartoons, Müllvermeidung und biblischen Geschichten

Vorsichtig trocknete ich die frisch abgespülten „Druckverschlusstüten“ ab. Aus Übersee hatten wir einige wenige Packungen dieser praktischen Haushaltshelfer mitgebracht. Nun aber gingen sie nach dreieinhalb Jahren langsam zu neige. Ich grinste in mich hinein während ich mit dem weichen Geschirrtuch die Ecken austrocknete. Meine Großmutter (Gott hab sie selig) würde jubilieren, denn was uns als Enkel vor über vierzig Jahren befremdlich vorkam, war nun Teil meiner Haushaltsroutine geworden: Plastiktüten, erst recht die wertvollen Druckverschlusstüten, mehrfach zu verwenden. Damals kugelten wir Enkel uns heimlich vor Lachen, denn wozu sollte man sich solche Mühe um eine gebrauchte Plastiktüte machen? Sie gehörte in den Müll – es gab ja schließlich genug neue zu kaufen. Müllvermeidung war damals, so bitter dies nun zu lesen ist, noch kein großes gesellschaftliches Thema.

Nicht schlecht staunte ich bei der Eröffnung der Ausstellung „Jetzt noch die Kurve kriegen“ der Stadt Bamberg als mir zum Thema Plastikmüll eine sehr eindrückliche Visualisierung entgegentrat, die mir mahnend vor Augen führte, wie wichtig Vermeidung von Müll ist:

Ein völlig verärgerter Jesus geht über ein verschmutzte Wasseroberfläche und tritt dabei eine alte Dose wütend in die Luft. Eine weiße Gedankenblase gibt dabei Einblicke in seine Gedanken: „Wenn kein Wunder geschieht, kann bald jeder übers Wasser laufen…“

Rainer Unsinn

Als Theologin und Familienfrau hat es mir dieser Cartoon von Rainer Unsinn angetan, denn für mich klingt im Cartoon eine biblische Geschichte an, die mir sehr am Herzen liegt:

Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht!
Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?

Mt 14,25-31 LUT

Übers Wasser gehen. Ein Wunsch, den Petrus hegte. Ob wir das wirklich wollen? Unsere Meere und Gewässer so lange „zumüllen“ bis wir selbst als Menschen darauf laufen können? Schon jetzt befinden sich in unseren Weltmeeren gefährliche Ansammlungen an Müll. Griechische Fischer ziehen jedes Jahr unglaubliche 50 Millionen Tonnen Müll als „Beifang“ aus dem Meer.

Wird uns nicht dabei wie Petrus damals Angst und Bang? Während all der Müll unsere Meere verstopft und unsere Umwelt mit Makro- und Mikropartikel vergiftet werden? Ja, irgendwie sind wir doch Kleingläubige – kleinkariert bedacht auf unseren Vorteil, unsere Bequemlichkeit. Lieber keine Arbeit. Wo das Plastik dann letztendlich hinkommt, verliert sich im gedanklichen Nebel der eigenen Komodität.

Ich sah auf meine inzwischen handtuchtrockenen Druckverschlusstüten, die ich über die daneben stehenden Trinkgläser stülpte, damit sie vollständig austrocknen würden. Ganz Müll vermeiden würde in unserem Haushalt schwierig werden, aber ein wenig mehr Achtsamkeit, das würde sich lohnen und ganz nebenbei Erinnerungen an meine verstorbene Oma wecken.


Ausstellungstipp

Noch bis zum 22. Juli ist die Karikaturenausstellung im Eingangsbereich des Klinikum Bambergs für alle Besucherinnen und Besucher geöffnet. Es lohnt sich sehr und hilft, dass wir uns und unser Umweltengagement hinterfragen!

Anbei noch einige andere Impressionen:

Von segensreichen Umwegen

Auf dem grauen Beton des erhaltenen Mauerabschnittes der Berliner East Side Gallery erhob sich Fuji-san mit einer japanischen Pagode während im Hintergrund die Flagge Japans als rote Sonne aufging. Voller Faszination betrachtete ich diesen von insgesamt ursprünglich 106 Bildern, die von 118 Künstlern aus 21 Ländern an der ehemaligen Mauer geschaffen worden waren, die Deutschland bis 1989 in schmerzlicher Weise geteilt hatte.

Das Mauerkunstwerk „Detour To The Japanese Sector“ war von Thomas Klingenstein gestaltet worden. Der ostdeutsche Künstler hatte sich früh für Japan interessiert, ein persönliches Kennenlernen und Bereisen dieses ostasiatischen Landes war ihm aufgrund der Reiseeinschränkungen der DDR unmöglich gewesen. Weil er am 3. Oktober 1979 an einem Treffen mit Robert Havemann, Katja Havemann und Gregor Gysi teilgenommen hatte, wurde er nach seinem Abitur 1981 in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Die politische Wende in Deutschland 1989 erlebte Klingenstein in Japan, wo er 1984 bis 1995 lebte.

Das Bild des Künstlers brachte in mir viel zum Klingen. Die japanische Kultur hatte mich ebenfalls früh interessiert, aber im Gegensatz zu ihm wuchs ich in der Freiheit des Westens auf. Reisen gehörte aufgrund meines binationalen Aufwachsen integral zu meiner Lebensstruktur. Dennoch machte auch ich einen Umweg über Japan, der nun Jahre später segensreich ist, damals aber zunächst einigen Unmut hervorgerufen hatte.

Als junge Theologiestudentin hatte ich mich zielstrebig um die Zulassungsvoraussetzungen für das kirchliche Examen erkundigt, damit ich schnellstmöglich meinen Wunschberuf einer Pfarrerin ergreifen konnte und meine Studienkosten, die ich nach Abschluss abzuzahlen hatte, durch ein zügiges Studieren möglichst gering halten konnte. Eine wichtige Bedingung war der Nachweis eines „Praxisjahres für Theologiestudierende“. Mindestens ein Jahr Arbeitserfahrung sollten Theologiestudentinnen und -studenten vorweisen. Ich brachte meinem Unmut über diesen beruflichen Umweg, der kirchlich vorgeschrieben worden war, in vielen Unterhaltungen zum Ausdruck. Dann aber machte ich die Not zur Tugend und bewarb mich bei Japan Airlines, um meine Reiseaffinität und die finanziellen Konsolidierung unter einen Hut zu bekommen. Eineinhalb segensreiche Jahre als Flugbegleiterin bei Japan Airlines folgten, die mich aus dem kirchlichen Studium hinaus in die Welt führten und mir nebenbei ermöglichten in die bis dahin wenig bekannte japanische Sprache und Kultur einzutauchen.

Der kirchlich institutionalisierte Umweg lehrte mich viel für meine spätere Tätigkeit im Pfarramt, von Menschenkenntnis über Umgang mit Extremsituationen bis hin zum direkten Kontakt mit anderen Religionen und Kulturen. Mein Ethikunterricht für angehende Polizistinnen und Polizisten in der Bundespolizei speist sich in einigem ebenfalls von denen bei Japan Airlines gesammelten Erfahrungen: ob dies die Notfallausbildung für Extremsituationen ist, der Umgang mit randalierenden Passagieren oder medizinische Notfallsituationen in der Luft…

Der folgende Artikel, der während meiner Studienzeit erschien und den Anfang meiner kirchlichen Medienarbeit darstellt, gibt einige Einblicke in diese für mich beruflich prägende Zeit:

Die persönliche „Detour To The Japanese Sector“ war für mich ein segensreicher Lebensabschnitt, der meine Arbeit als Pfarrerin mit geprägt hat und nun hilfreich ist für meine Tätigkeit als Seelsorgerin in der Bundespolizei um die zu verstehen, die für unsere Sicherheit an Grenzen, im Bahn- und Flugbereich sowie im Ausland sorgen. Manchmal sind Umwege diejenigen, die uns auf unserem Lebensweg bereichern und uns auf den von Gott gewünschten Pfad gehen lassen.

Ob Thomas Klingenstein dies auch so empfindet? Ich werde den bekannten Künstler wahrscheinlich nie kennenlernen, aber ich wünsche ihm, dass der Umweg nach Japan in der Retroperspektive für ihn gleichfalls segensreich ist. Die wunderschöne Ausgestaltung des Mauerabschnittes zeugt von so viel Kraft, Anmut und politisch Auseinandersetzung mit der persönlichen Vergangenheit, die mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.