Digitale Trauerfeier & Co.

Ich hob meine Hände zur Segensgeste, um der digital versammelten Gemeinde den Segen für die Trauerzeit als Stärkung zuzusprechen. Nach einem Moment des Schweigens, der mir fast wie eine kleine Ewigkeit vorkam, verabschiedete sich eine nach der anderen Person von der betroffenen Familie und verließ das Zoom-Meeting bis auch ich mich letzte verbleibende Person von ihnen verabschiedete und das digitale Treffen schloß.

Müde rieb ich mir die Augen während die plötzlich um mich eingesetzte Stille laut in meinem Kopf dröhnte. Trauerfeiern zu gestalten fordert viel von denen, die diese gestalten und Betroffene in einer schweren und wichtigen Lebenssituation begleiten. Der Zuspruch von Trost und Hoffnung durch den Glauben angesichts des Versterben eines nahestehenden Menschen steht für mich als Pfarrerin im Mittelpunkt der inhaltlichen Gestaltung und des liturgischen Handelns. Doch an diesem Samstagvormittag musste ich vieles vor allem liturgisch und technisch neu denken, da uns aufgrund von COVID die Durchführung einer Trauerfeier vor Ort untersagt worden war. So begab ich mich mit dem Angebot einer digitalen Trauerfeier auf pfarramtliches „Neuland“, das nötig geworden war, um trotz allem Trost und Hoffnung in einem sicheren Rahmen zu schenken. 

Vieles muss in der Pandemie in Kirche neu gedacht werden. Bereits vor dem Ausbruch von COVID hatte ich aufgrund der großen Fläche meiner Auslandsgemeinde, die sich über drei US-amerikanische Bundesstaaten erstreckt, einen digitalen Konfirmandenunterricht angeboten. Daher verlief auch eine Umstellung unserer Gottesdienste, Andachten und Treffen zügig und problemlos.

Schmerzhaft jedoch waren und sind die Momente, in denen ich Nähe nicht oder nur modifiziert anbieten kann. Besonders ein Trauerfall bedarf auch der physischen Nähe, um Trost und Geborgenheit spenden zu können. Einer Familie sagen zu müssen, dass man am Sterbebett nur via digitaler Möglichkeiten dabei sein könne, oder erst nach vielen Diskussionen und Telefonaten unter massiven Sicherheitsvorkehrungen den Kranken vor Ort durch Gebet zu begleiten, hat Spuren hinterlassen. Eine Umarmung, wie physische Nähe insgesamt lassen sich nicht durch digitale Mittel abbilden. Ich verstehe die Worte von Margot Käßmann, der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden, die sich gegen eine erneute Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Trauerfeiern aussprach, dennoch steht das Wohl der Teilnehmenden in diesem Moment im Mittelpunkt und muss gegenüber einer physischen Gestaltung präferiert werden. Dies kann bedeuten, dass man komplett umdenken und kirchliche Begleitung von Lebensstationen neu denken muss, wie zum Beispiel durch das Angebot einer digitalen Trauerfeier.

Ich bin froh um die digitalen Möglichkeiten, die uns vor zehn oder fünfzehn Jahren so nicht zur Verfügung gestanden haben. Sie haben mir geholfen, meinem Auftrag als Pfarrerin auch in der extremen Situation der Pandemie und unter erschwerten Bedingungen durchführen zu können. So können wir als Kirche trotz der Hürden und notwendiger Sicherheitsvorkehrungen präsent und erfahrbar sein, um Gottes Trost und Seine Begleitung anderen zuzusprechen.

4 Gedanken zu “Digitale Trauerfeier & Co.

  1. Reinhilde Ruprecht

    Danke für diese Schilderung und die Nach-Gedanken. Die großen Zahlen alleine sind es sicher nicht – was hilft es, dass in NRW 150 Personen zu Trauerfeiern zugelassen sind wenn in die Friedhofskapelle mit Abstandsregeln noch nicht einmal 10 passen und die Kirchen zwar größer sind, aber mehr leisten müssen, Desinfizieren, Namenslisten, Masken austeilen für die Vergesslichen. Und personell an Werktagen nicht darauf eingestellt sind. Da ist es schon banal, dass nach dem Erdwurf die Schaufel schnell auf die Seite geschafft wird, damit keine zweite Person den Stil berührt. Zwei praktische Tipps, eher für good old Germany: Statt nacheinander in ein Körbchen mit Blütenblättern oder Grünzeug zu greifen lieber kurzstilige Rosen aufstellen, die sich berührungsfrei nehmen lassen. Und statt Beerdigungskaffee eine Lunchtüte packen, die einzeln von einem Tisch mitgenommen werden können. Wir hatten eine kleine Osterkerze von Anne Fischer, etwas zu essen (Bäckerei hatte es einzeln in Kekstüten aus Cellophan verpackt), einen Nachruf, der auch etwas die Auswahl der biblischen Texte der Trauerfeier erläuterte, und zwei Fotos. Erinnert zwar etwas an Kindergeburtstag, kam aber gut an. Die Leute haben sich zu Hause einen Kaffee gekocht und gelesen.

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  2. Pingback: Hybride Trauung – wenn das Ja-Wort durch digitale Medien Distanzen überwindet – Miriam Gross

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