Sport & Gebet – von Notfallnummern und wichtigen Mechanismen der Gesunderhaltung

Meine Lauffrequenz hatte sich nach anfänglichen Mühen eingependelt. Mit jedem Schritt, den ich auf der roten Tartanbahn vorankam, wurde ich ruhiger während das vor wenigen Minuten Gehörte sich langsam ordnete und der Nebel des Seelsorgegesprächs sich allmählich lichtete. Mein Atem folgte nun einem geordneten Rhythmus während mein Gebet zu Gott aufstieg, indem ich Ihm anvertraute, was eine Person mir erzählt hatte.

Vor einigen Wochen war ich auf einer Podiumsdiskussion von einem Gast gefragt worden, wie ich mit der Last des Erlebten, die Polizistinnen und Polizisten ertragen und durchleben müssten, als Seelsorgerin umgehen würde. Welche Mechanismen oder Möglichkeiten hätte ich, damit auch ich dienstfähig und gesund bliebe? Meine Antwort war einfach und simpel: Sport & Gebet. Nicht wenige waren überrascht.

Ich will nicht verleugnen, dass ich in den dreieinhalb Jahren Polizeiseelsorge in Bamberg eine Vielzahl von Personen begleitet habe, die aufgrund von Grenzsituationen belastet sind und daran auch zu zerbrechen drohen. Der Dienst eines Polizisten und einer Polizistin ist schwer – viele sehen Dinge, die wir Bürgerinnen und Bürger, wenn überhaupt (und Gott bewahre uns vor mehr) ein oder zwei große vehemente Erfahrungen erleben müssen. Für diese Berufsgruppe aber gehören Gewalt, Übergriffe und Verletzungen zu ihrem Alltag. Mich hat das, was ich in der Polizeiseelsorge höre und mit begleite, sehr demütig gemacht. Meine seelsorgerliche Begleitung in der Polizei, die vor über neun Jahren in New York ehrenamtlich begann und zu meiner gegenwärtigen Tätigkeit in der Bundespolizei führte, hat meinen eigenen seelsorgerlichen Horizont sehr erweitert.

Als ich das erste Mal vor meinem Büro stand, musste ich schmunzeln, denn die Zimmernummer trug die europaweite Notrufnummer 112. Ich hatte keine Ahnung, dass diese Nummer so gut zu meiner Tätigkeit im AFZ Bamberg passen würde. Wie stimmig die 112 ist, weiß ich nun einige Jahre später.

Auch in der Bibel gibt es eine Notfallnummer, die aber etwas länger ist: 5015. In Psalm 50 heißt es:

Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.

Psalm 50,15 (LUT)

Schon bald in meinem Dienst in Bamberg versuchte ich aufgrund der bewegenden Begleitungen einen gangbaren Mechanismus für mich zu finden. Denn das, was mir anvertraut wurde, nagte manchmal schwer in mir. Nach einiger Zeit war es Sport kombiniert mit dem Gebet als einem „Notruf“, die mir halfen. Ob Tartanbahn im AFZ oder Fitnessstudio, nach einiger Zeit kommt mein Körper durch die seit langem eingeübten Bewegungen zur Ruhe und mit ihm auch Geist und Seele. An dieser Schnittfläche öffnen sich meine Gedanken und mein Herz zum Gebet, das Gott das mir Anvertraute übergibt. Denn bei vielem kann ich nur zuhören, begleiten und einfach da sein. Dies sind für mich in meiner beruflichen Identität als Seelsorgerin menschliche Grenzerfahrungen, die ich erlebe, wenn ich andere in deren Grenzsituationen begleite, die sie im Dienst erleben müssen. Durch Sport und Gebet verharre ich nicht in der Hoffnungslosigkeit, sondern lege alles Leid und allen Schmerz, der mir als Seelsorgerin anvertraut wird, in Gottes Hände. Dafür bin ich dankbar und ohne diesen Mechanismus der göttlichen Notfallnummer könnte ich meinen Dienst nicht verrichten. Der Psalm drückt die Reaktion des Menschen auf eine solche Möglichkeit etwas antiquiert als „Preisen“.

Inzwischen wurden meine Schritte langsamer und gingen in ein schnelles Gehen über, während mein Atem anfing sich zu beruhigen. Mein Körper hatte die durch das Seelsorgegespräch ausgelösten Aggressionen abgebaut. Meine Gedanken waren wieder klar und mein Herz aufgrund des Gebetes ruhig. Nach einer Dusche würde ich wieder bereit sein für die nächsten dienstlichen Herausforderungen. Ich nickte einigen Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern, die gerade die Tartanbahn zum Sport betraten, aufmunternd zu und erfreute mich an ihrem herzlichen Grüßen. Ob im übertragenen Sinn 112 oder 5015 – da ist jemand, der zuhört und da ist. Entweder im Auftrag Gottes oder ganz direkt.


Bitte vergessen Sie nicht, dass Sie in schweren Situationen nie allein sind. Für viele Gläubige ist das Gebet der Ort, an dem die Last abgegeben werden kann. Aber manchmal versagt die Stimme unseres Herzens und wir brauchen eine Person, die uns zuhört und Zeit für unsere Sorgen und Nöte hat

In Oberfranken sei Ihnen die Nummer der Telefonseelsorge Oberfranken ans Herz gelegt. Alle Telefonseelsorgestellen sind über das deutsche Festnetz und per Handy gebührenfrei, vertraulich und anonym erreichbar. An 365 Tagen können Sie rund um die Uhr unter folgender Telefonnummer ein Person erreichen, die Ihnen zuhört:

0800/1110111 und 0800/1110222

Dabei können Sie sich darauf verlassen, dass alle Anrufe anonym und vertraulich sind. Ihre Rufnummer erscheint nicht auf dem Display und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterliegen so wie ich als Polizeiseelsorgerin der Schweigepflicht.

Vom Ringen um Recht und Gerechtigkeit – eine bewegende Fahrt im Orient-Express

Gespannt hielt ich den Atem an, während der belgische Detektiv Hercule Poriot zu den Schlussworten der Inszenierung des wohl bekanntesten Romans von Agatha Christie ansetzte. Ich kannte den Verlauf dieses Krimis aufgrund seiner vielfachen Inszenierung und Verfilmung recht gut. Doch dieses Mal mitten im wunderschönen mittelfränkischen Feuchtwangen riß mich die turbulente Fahrt im Orient-Express in atemberaubender Weise mit.

Als ich wenig später neben Gerd Lukas Storzer, der die Hauptfigur des Detektivs spielte, sowie dem Intendanten Johannes Kaetzler und Dramaturgin Dr. Maria Wüstenhagen als Teil eines Diskussionspanels Platz nahm, wurde mir mulmig. Sie hatten in solch vorzüglicher Weise ein Thema mit der lockeren Heiterkeit und notwendigen Tiefe umgesetzt, das mich seit Jahrzehnten in meinem Dienst als Pfarrerin und Seelsorgerin umtreibt: das Ringen um Recht und Gerechtigkeit.

(Bilder: Barbara Becker)

Barbara Becker, MdL und Herbert Lindörfer hatten mich in meiner Funktion als Pfarrerin und Polizeiseelsorgerin an diesem Nachmittag des EKA Bayern zur Mitgestaltung der nachfolgenden Diskussion eingeladen.

Zugegebener Maßen stockte mir am Anfang die Stimme, denn mein Herz war noch ganz in der Inszenierung gefangen während mehrere dienstliche Erinnerungen gleichzeitig präsent wurden. Dass ich gegenwärtig in der Bundespolizei als einer Sicherheitsbehörde arbeite, liegt an den vielen Erfahrungen in der Begleitung von Menschen, die sich in diesem Ringen um eine bessere Gegenwart und Zukunft befinden. Privatpersonen, die von einem Mord, von Vergewaltigung und Übergriffen betroffen waren. Polizistinnen und Polizisten, Ermittlerinnen und Ermittler, die diese Situationen aus- und im Namen der Gerechtigkeit durchhalten mussten. Aber auch diejenigen, die diese schlimmen Taten vollbracht haben, waren ebenso in meiner seelsorgerlichen Betreuung gewesen. Innerhalb meines Berufsweges habe ich viele Menschen begleitet, die sich auf dem Grat von Recht und Unrecht aus dem einen oder anderen Grund bewegten. Seit meiner Rückkehr aus New York, USA tauche ich nach fünfeinhalb Jahren ehrenamtlicher Seelsorge bei der NYPD als Pfarrerin hauptamtlich in eine Sicherheitsbehörde ein. Diese Erfahrung lehrt mir Respekt und dankbare Demut. Denn vieles, was die mir anvertrauten Polizistinnen und Polizisten mit begleiten und durchleben, werden wir Bürgerinnen und Bürger kaum oder (hoffentlich) gar nicht erleben.

Recht und Gerechtigkeit. Ein heikles Thema. Durch Agatha Christies unnachahmliches Genie wird dieses Thema im Orient-Express auf eine surreal leichte Art und Weise transportiert. An diesem Nachmittag fieberte ich am traditionsreichen Festspielort mit und vergaß die Welt um mich herum während ich als blinde Passagierin unweigerlich hineingezogen wurde in eine sich vor mir entfaltenden Selbstjustiz.

Die Ermordung eines Mörders, der von der Justiz nicht belangt wurde, wurde an diesem Nachmittag in unnachahmlicher Weise mit einer leichten Prise von Humor und Witz inszeniert. Makaberer Weise handelt es sich im Kern um einen Fall von „doppelter Selbstjustiz“, denn im Verlauf nehmen nicht nur Mitreisende das Richten des Täters in die eigene Hand, sondern der Hauptdarsteller Poriot.

Was für einen Polizisten oder eine Polizistin undenkbar ist, da diese als Vertreter unseres Grundgesetzes zu rechtschaffenem Handeln verpflichtet und vereidigt sind, wird die Selbstjustiz in Agatha Christies „Mord im Orient-Express“ durch die Handelnden bewusst in die Hand genommen. Die Zuschauenden werden hierdurch zum eigenen Nachdenken gezwungen und der Frage ausgesetzt: Wie würde ich handeln? Und was ist Recht und Gerechtigkeit? Die Bibel setzt sich an vielen Stellen zentral mit diesem Thema auseinander und bietet Möglichkeiten, Antworten zu finden, wie sich dies in dem jüdischen Konzept von מִשְׁפָּט (Mishpat) und צדקה (Zedaka) niederschlägt. Die Bibel erzählt aber auch von Menschen, die Recht und Gerechtigkeit in eklatanter Weise brechen und z.B. durch das Handeln der Propheten und vor allem Jesu wieder in Gottes Auftrag zurückgerufen werden oder eine neue Chance erhalten.

Es ist ein schwerer Grad, auf dem sich diejenigen bewegen, die Recht umsetzen und für Gerechtigkeit sorgen müssen. Aber es ist auch eine Frage, derer wir alle nicht entkommen und uns stellen müssen: Sind unsere Handlungsweisen gerecht? Und als Christin ist mir das Doppelgebot der Liebe als Maßstab aufgegeben. So leicht dessen Formulierung sein mag, so schwer ist dessen tätige Umsetzung.

Ich seufzte zum einen erleichtert, zum anderen nachdenklich als Detektiv Hercule Poriot zu den letzten Sätzen des Stückes anhob:

„Mesdames et Messieurs, dieser Fall hat mich gelehrt, dass die Waage der Justizia nicht immer ausgeglichen sein kann. Und ich muss dieses eine Mal lernen, mit dem Ungleichgewicht zu leben. Es gibt hier keine Mörder, nur Menschen, die eine Chance auf Heilung verdient haben. Die Polizei hat meine erste Lösung des Falls akzeptiert, der einzelne Täter, der entkommen konnte. Ich verlasse hier den Zug für die restlichen Formalitäten. Mögen Sie hiermit Ihren Frieden schließen, mögen wir das alle.“

Während nun die Zugfahrt im Orient-Express mit diesen Worten mitten im beschaulichen mittelfränkischen Feuchtwangen beendet war, wurde ich mit einer unweigerlichen Wehmut umgeben: das Ringen um Recht und Gerechtigkeit ist so alt wie unsere Menschheit und wird weiter bestehen. So ist es wohl jeder Person aufgegeben, einer gerechteren Welt mehr Raum zu verschaffen. Ich sehe dies gegenwärtig in der Unterstützung derjenigen, die unser Grundgesetz vertreten und die Menschenwürde schützen. Ein anderer mag einen ganz anderen Ort für dies finden. Wichtig ist, dass wir uns gemeinsam für eine gerechtere Welt einsetzen. Denn das ist letztendlich Gottes Wille und Wunsch für uns.

Welch ein Segen, dass Frau Becker und Herr Lindörfer als engagierte Christen in der Politik mich und alle Teilnehmenden durch ihre Veranstaltung des EAK daran erinnerten.

(v.l.n.r.: Gerd Lukas Storzer, Miriam Groß, Barbara Becker, Johannes Kaetzler, Herbert Lindörfer; Bild: Barbara Becker)

Von Cartoons, Müllvermeidung und biblischen Geschichten

Vorsichtig trocknete ich die frisch abgespülten „Druckverschlusstüten“ ab. Aus Übersee hatten wir einige wenige Packungen dieser praktischen Haushaltshelfer mitgebracht. Nun aber gingen sie nach dreieinhalb Jahren langsam zu neige. Ich grinste in mich hinein während ich mit dem weichen Geschirrtuch die Ecken austrocknete. Meine Großmutter (Gott hab sie selig) würde jubilieren, denn was uns als Enkel vor über vierzig Jahren befremdlich vorkam, war nun Teil meiner Haushaltsroutine geworden: Plastiktüten, erst recht die wertvollen Druckverschlusstüten, mehrfach zu verwenden. Damals kugelten wir Enkel uns heimlich vor Lachen, denn wozu sollte man sich solche Mühe um eine gebrauchte Plastiktüte machen? Sie gehörte in den Müll – es gab ja schließlich genug neue zu kaufen. Müllvermeidung war damals, so bitter dies nun zu lesen ist, noch kein großes gesellschaftliches Thema.

Nicht schlecht staunte ich bei der Eröffnung der Ausstellung „Jetzt noch die Kurve kriegen“ der Stadt Bamberg als mir zum Thema Plastikmüll eine sehr eindrückliche Visualisierung entgegentrat, die mir mahnend vor Augen führte, wie wichtig Vermeidung von Müll ist:

Ein völlig verärgerter Jesus geht über ein verschmutzte Wasseroberfläche und tritt dabei eine alte Dose wütend in die Luft. Eine weiße Gedankenblase gibt dabei Einblicke in seine Gedanken: „Wenn kein Wunder geschieht, kann bald jeder übers Wasser laufen…“

Rainer Unsinn

Als Theologin und Familienfrau hat es mir dieser Cartoon von Rainer Unsinn angetan, denn für mich klingt im Cartoon eine biblische Geschichte an, die mir sehr am Herzen liegt:

Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht!
Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?

Mt 14,25-31 LUT

Übers Wasser gehen. Ein Wunsch, den Petrus hegte. Ob wir das wirklich wollen? Unsere Meere und Gewässer so lange „zumüllen“ bis wir selbst als Menschen darauf laufen können? Schon jetzt befinden sich in unseren Weltmeeren gefährliche Ansammlungen an Müll. Griechische Fischer ziehen jedes Jahr unglaubliche 50 Millionen Tonnen Müll als „Beifang“ aus dem Meer.

Wird uns nicht dabei wie Petrus damals Angst und Bang? Während all der Müll unsere Meere verstopft und unsere Umwelt mit Makro- und Mikropartikel vergiftet werden? Ja, irgendwie sind wir doch Kleingläubige – kleinkariert bedacht auf unseren Vorteil, unsere Bequemlichkeit. Lieber keine Arbeit. Wo das Plastik dann letztendlich hinkommt, verliert sich im gedanklichen Nebel der eigenen Komodität.

Ich sah auf meine inzwischen handtuchtrockenen Druckverschlusstüten, die ich über die daneben stehenden Trinkgläser stülpte, damit sie vollständig austrocknen würden. Ganz Müll vermeiden würde in unserem Haushalt schwierig werden, aber ein wenig mehr Achtsamkeit, das würde sich lohnen und ganz nebenbei Erinnerungen an meine verstorbene Oma wecken.


Ausstellungstipp

Noch bis zum 22. Juli ist die Karikaturenausstellung im Eingangsbereich des Klinikum Bambergs für alle Besucherinnen und Besucher geöffnet. Es lohnt sich sehr und hilft, dass wir uns und unser Umweltengagement hinterfragen!

Anbei noch einige andere Impressionen:

Das trotzige Prinzip des Osterwunders – oder: Die Osterkerze, die nicht aufgeben wollte

Der Ostermorgen war endlich angebrochen. Auf unserem Rückweg von der Osternacht tauchten wir in den Gesang der Vögel ein – fast fühlte es sich so an, als ob sie für uns frühe Gottesdienstbesucherinnen und -besucher einen vielstimmigen Osterjubel angestimmt hatten. Unsere vier Kinder hatten ihre Osterkerzen in die Fahrradkörbe gestellt und waren voraus gefahren. Trotz des alljährlichen Wettbewerbs, wessen Osterlicht erfolgreich leuchtend nach Hause kam, spurteten sie eilig voraus. Schließlich wartete nach der langen Fastenzeit ein buntes Osterfrühstück mit allerlei Leckereien, auf die sie viele Wochen verzichtet hatten.

Ich lief mit dem Osterlicht in der einen und dem Fahrradlenker in der anderen Hand hinter ihnen her und war einfach nur froh, dass endlich Ostern war. Nach mehreren Wochen durchzogen mit vielen dienstlichen Herausforderungen und einer Erkrankung, der ich nicht die Aufmerksamkeit schenken konnte, die sie eigentlich gebraucht hätte, waren das Wunder des Osterfestes das, was meine Seele brauchte.

Unser ältester Sohn wartete lachend auf mich während er auf seinen Fahrradkorb nebst Schutzblech deutete. „Schau mal, Mama!“, er schüttelte den Kopf, „Die Kerze war umgekippt, aber hat noch gebrannt.“ Auch ich musste das Lachen anfangen, denn das Schutzblech sah aus als ob Vögel im Tiefflug sich fleissig erleichtert hatten. „Das sieht ja aus als ob dein Fahrrad direkt unter einem beliebten Baum für Vögel stand.“

Von Vögeln schrieb auch Hilde Domin in einem Gedicht, das für mich in vielerlei Weise emotional mit Ostern verbunden ist und für mich fast wie eine kleine Anleitung darstellt, wie ich dem Osterwunder gegenübertreten sollte:

Nicht müde werden /

sondern dem Wunder /

leise wie einem Vogel /

die Hand hinhalten

Hilde Domin

Nicht müde werden in Herausforderungen. In Trübsal. Krankheit. Tod. Das ist schwer. Und manchmal will man vielleicht auch gar nicht mehr die Hand hinhalten, weil die Muskeln aufgrund des Widerstands und der vielfach wiederholten Bewegung schmerzen, die Knochen sich anfühlen als ob sie unter dem Druck brechen.

Doch das Osterfest spricht mitten hinein in solche Situationen ein trotziges Trotzdem und streckt Herausforderungen, Trübsal, Krankheit und Tod mutig die Stirn entgegen. Denn Jesus verspricht uns, auch in den Dunkelheiten des Lebens präsent zu sein und die Finsternis als Licht des Lebens zu erleuchten.

Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Joh 8,13

Dieses Versprechen Jesu nimmt kaum die uns umgebende Finsternis weg, aber so wie ein einziges Licht in der Dunkelheit Orientierung schenkt, so hält er die Situation mit aus und schenkt trotz allem Hoffnung.

Das trotzige Prinzip des Osterwunders.

Die Osterkerze, die nicht aufgeben wollte, hatte mich daran erinnert. Diese Hoffnung ist nicht immer wunderschön, sondern kommt manchmal wie ein unkontrollierter Ansturm von Vögeln und deren erleichternder Spuren einher. Ein wunderbar unlogisches Trotzdem im Chaos des menschlichen Lebens.

Ausgang und Eingang – Gedanken in der Karwoche

Endlich hatte ich die Osterkrippe aufgebaut. Zwei Tage zu spät. Nach Palmsonntag war mir nicht gewesen, noch hatte ich die Kraft dazu. Traurigkeit, Verärgerung und Fieber hatten in den letzten Tagen das erste Mal in vielen, vielen Jahren ihren Tribut gefordert: das erste Mal brach ich mit der über Jahrzehnte lieb gewonnenen Tradition unsere Osterkrippe mit unseren Kindern an Palmsonntag feierlich aufzubauen.

Heute früh aber war es Zeit dafür geworden. In der Stille der Morgenstunden platzierte ich vorsichtig die fragilen Figuren auf dem Untergrund der Osterkrippe. Flugs hatte sich eine Menge vor den Toren der aus Holz bestehenden Stadt Jerusalem versammelt, die sich Jesus auf dem Eselsfüllen zugewandt hatte und ihm freudig entgegen jubelten. Dabei summte ich leise einen wohlbekannte Kanon vor mich hin.

Ausgang und Eingang. Anfang und Ende.

Mein Blick fiel auf den Weihnachtsstern, der nichts besseres zu tun hatte, als ausgerechnet zum herannahenden Osterfest zu blühen. Ich schüttelte den Kopf über die Launen der Natur, musste aber auch Lächeln. Irgendwie hatte er ja recht, dieser störrische Weihnachtsstern, denn Ausgang und Eingang lagen so nah beieinander. Weihnachten und Ostern. Der Einzug Jesu und sein Tod.

In diesem Jahr fehlte etwas, das sonst nie Platz in unserer Osterkrippe hatte: Weihnachten. Also suchte ich unsere kleine, übersichtliche Krippe mit ihren zarten Figuren und stellte sie auf die andere Seite des Weihnachtssterns.

Ausgang und Eingang. Anfang und Ende.

Ich musste schlucken. Heute würde die Trauerfeier eines Kollegen der Bundespolizei stattfinden. Als Seelsorgerin begleitete ich meine Polizeischülerinnen und -schüler, die ihn kannten und um ihn trauerten, dorthin. Viel zu jung wurde er in Gottes Ewigkeit gerufen und hinterließ eine Witwe, die ihr ungeborenes Kind unter ihrem Herzen trug. Auf einmal waren Ausgang und Eingang so schmerzhaft nah, dass es ein Beben in unserem Innersten auslöste. Sterben und neues Leben. Weihnachten und Ostern. Alles kam an diesem Tag in einem Menschenschicksal zusammen.

Im Psalm heißt es vorher:

Der HERR behüte dich vor allem Übel,
er behüte deine Seele.

Psalm 121,7

Vor allem Übel hatte der Herr den Kollegen nicht bewahrt, aber seine Seele war nun in Gott geborgen. Ostern würde in einigen Tagen anbrechen und hoffentlich die österliche Botschaft, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, auch die Betroffenen mit Zuversicht mitten in dieser schweren Zeit erfüllen.

Denn auch wenn wir es als Menschen kaum ergründen können:

Ausgang und Eingang, Anfang und Ende, liegen bei dir, Herr, füll uns die Hände.

Der Duft der Erinnerung

Vorsichtig drückte ich auf die leicht verblichene Creme-Tube, damit nur nicht zu viel des wertvollen Inhaltes herauskam. Während ich mich damit einkremte, verbreitete sich umgehend der wohlbekannte Duft von süßer Vanille im Raum und würde mich in den nächsten Stunden wie eine unsichtbare Hülle begleiten.

Ich schloss meine Augen und wurde weggetragen aus meiner verregneten deutschen Stadtwohnung ins ferne USA. Länger zurückliegende Kindheitserinnerungen, aber auch schöne Erinnerungen an meine Zeit in New York waren mir durch diesen speziellen Vanille-Duft wieder gedanklich so nah. Die Creme war die letzte, die ich als Souvenir vor drei Jahren mitgebracht hatte. Nun würde sie bald zu neige gehen.

Wie Weihrauch werdet ihr Duft verströmen und aufblühen wie eine Lilie. Erhebt eure Stimme zum Lobgesang und preist den Herrn für all seine Werke. Verherrlicht seinen Namen und stimmt in sein Lob ein mit Singen und Klingen,…

Sir 39,14-15a

So steht es in Jesus Sirach geschrieben. Ich stockte in meinen Gedanken. Selbstverständlich preise ich Gott für all das, was Er getan hat. In meinem Leben sehe ich viele Segensspuren:

Meine Familie…

Gesundheit…

Genug zu Essen und ein Dach überm Kopf…

Menschen, die mir vertrauen…

Personen, die mir nahestehen…

Auslandserfahrungen…

… und so vieles mehr. Aber es gibt auch Zeiten, an denen der Duft der Erinnerung verblasst oder gar nicht mehr da ist. Wo anstatt süßer, verheißungsvoller Vanille andere Nuancen schwer in der Luft schweben und das Atmen erschweren. Manchmal in mir sogar das Gefühl des Erstickens hervorrufen.

Als ich an diesem Tag wieder so haderte während meine Creme fast zu neige war, half mir ein Blick in die Bibel. Dort steht nämlich weiter:

… preist ihn und sprecht so:
Alle Werke des Herrn sind sehr gut; und was er gebietet, geschieht zur rechten Zeit. Und man darf nicht sagen: Was soll das? Wozu ist das? Denn zur rechten Zeit tritt alles ein. Durch sein Wort stand das Wasser wie eine Mauer und durch seine Rede die Wasser, als wären sie eingefasst. Jeder seiner Befehle zeigt sein ganzes Wohlgefallen, und wenn er rettet, kann’s keiner hindern.
Aller Menschen Werke sind vor ihm, und vor seinen Augen ist nichts verborgen. Er blickt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und nichts ist unbegreiflich vor ihm. Man darf nicht sagen: Was soll das? Wozu ist das? Denn jedes Ding ist zu seinem Zweck geschaffen. […]

Sir 39,19b ff.

Ich nahm mir fest vor, nicht mehr so viel an Gottes Plan zu hadern und zu hinterfragen. Gottvertrauen war es, das ich mir selbst mahnend vornahm, in den Mittelpunkt zu stellen.

Einige Tage später bummelte ich durch eine lokale Drogeriekette. Wie magisch angezogen griff ich ein saisonales Duschgel aus dem Regal. Sein Inhalt aus Vanille, Macadamia und Kakaobutter verhieß Wunderbares. Ich öffnete den Deckel des Duschgels und wurde umgehend eingehüllt von einem wohlbekanntem Duft. Wer weiß, vielleicht würden sich nach drei schweren, sehr durchwachsenen Jahren zurück in Deutschland doch irgendwann auch hier Erinnerungen einstellen, die ich gerne mit auf meinen Lebensweg nehmen könnte… Das passende Duschgel jedenfalls stand nun als Ablösung zur amerikanischen Creme bereit.

Lesen gegen Hass 3: Vergesst den Ukraine-Krieg nicht!

Während ich den in Orange-, Grün- und Gelbtönen gehaltenen Graphic-Novel las, umgab mich leise Begleitmusik. Als ich zur nächsten Seite umblätterte, musste ich erstaunt innehalten.

I’m gonna lay down my burden, 
Down by the riverside,  
Down by the riverside,  
Down by the riverside.  
Gonna lay down my burden,  
Down by the riverside,  
Down by the riverside. 


I ain’t go study war no more,  
study war no more, 
ain’t go study war no more. 
I ain’t go study war no more, 
study war no more, 
ain’t go study oh war no more.

Gospel „Down by the riverside“

Ich erhöhte die Lautstärke während ich verdutzt die nächste Seite des Graphic Novel umblätterte. In der elften Kalenderwoche erzählten eine ukrainische Journalistin und ein russischer Künstler jeweils von der sie umgebenden Traurigkeit über einen Krieg, der beide zutiefst betraf. In dieser Woche hatte der russische Künstler ein Konzert des ukrainischen Sängers Ivan Dorn besucht, währenddessen dieser Aufnahmen aus dem Krieg zeigte, die zu Tränen rührten.

Sich mit Krieg nicht auseinanderzusetzen wie dies im alten Gospel beschrieben wird, ist gegenwärtig unmöglich. Hilfreich ist es zu wissen, dass dieser höchstwahrscheinlich im Anschluss an den Sezessionskrieg im Juni 1865 bzw. des ersten Weltkrieges als Ausdruck einer Kriegsmüdigkeit entstand. Die Gospel-Lyrik von „Down by the Riverside“ hat biblische Wurzeln, die in vielfacher menschlicher Ungerechtigkeitserfahrung und dem Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit ihre sehnsuchtsvolle Quelle haben. Grundlage für diesen Gospel waren Bibelabschnitte wie Mi 4-5 und die zu Tage tretende Diskrepanz zwischen Sehnsucht nach einem Friedensreich und harter, ja manchmal sogar brutaler Realität in Auseinandersetzung, Gewalt und Tod.

Als Christin und Theologin sehne ich mich ebenso nach einem solchen Friedensreich, aber angesichts der vielen Kriege, vor allem des Ukraine- und Israel-Gaza-Krieges werde ich ratlos. Was soll ich meinen Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern sagen? Welchen Deutungshorizont kann ich ihnen in dieser schwierigen Zeit geben? Selbstverständlich könnte ich multiple Lehren wie sie beim biblischen Pazifismus, bei Augustin, Thomas von Aquin und Kant zu finden sind, im Unterricht ausbreiten. Aber reichen diese ethischen Modelle und postulierten Handlungsmaximen? Sind sie nicht vielmehr überheblich, wenn auf sie allein zurück gegriffen wird – noch dazu wenn die lehrende Person, die in einem sicheren Land lebt, keine Kriegserfahrung und – betroffenheit hat?

Daher werde ich in meinem berufsethischen Unterricht andere zu Wort kommen lassen und hierdurch einen Anknüpfungspunkt für einen Umgang mit Krieg und Frieden suchen, der in einer persönlichen Perspektive Betroffener liegt. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass Polizistinnen und Polizisten in ihrer Handlungskompetenz eine ganz konkrete Schlüsselkompetenz für unsere Demokratie und Gesellschaft übertragen bekommen, die sich in der Wahrung der Menschen- und Grundrechte im Umgang mit dem Einzelnen ausdrückt.

Einen Zugang zu einer persönlichen Perspektive kann der Graphic Novel „Im Krieg“ von Nora Krug schenken. Nach „Heimat: ein deutsches Familienalbum“ und „Über Tyrannei – zwanzig Lektionen für den Widerstand“ ist dies der dritte Graphic Novel von Nora Krug, den ich in meiner Reihe „Lesen gegen Hass“ vorstelle. Dieser ist in Englisch, Deutsch und Koreanisch erschienen.

In diesem Bildroman begleitet die deutsch-amerikanische Illustratorin eine ukrainische Journalistin und einen russischen Künstler. Aus einem persönlichen Blickwinkel werden zwei Leben im Krieg portraitiert und zwei Tagebücher über ein Jahr nebeneinander Woche um Woche dargestellt. Hierzu hatte Nora Krug wenige Tage nach der russischen Invasion der Ukraine zu einer ukrainischen Journalistin in Kiew und einem russischen Künstler in Sankt Petersburg aufgenommen. Es sind persönliche Einblicke, die dem Leser und der Leserin in deren Leben geschenkt wird. Wir begleiten sie in ihrem Kriegserleben zu ihren Familien und Freunden, zu ihrer Arbeit und dem Meistern eines Lebens, das durch den Krieg komplett auf den Kopf gestellt wurde.

Der Bildroman schafft eine persönliche Ebene, die Betroffenheit und Nähe schenkt und damit einen Zugang für einen Unterricht jenseits abstrakter Kriegs- und Friedenstheorie ermöglicht. Dies ist wichtig, denn Polizistinnen und Polizisten handeln stets im Konkreten und beeinflussen unter Umständen Leben nachhaltig in deren Verlauf.

Ich gebe zu, dass auch ich manchmal angesichts der vielen Kriege, vor allem des Überfalls der Hamas auf Israel und Russlands auf die Ukraine trotz meiner Lebenswirklichkeit in einem demokratischen Land zu leben, in dem Frieden herrscht, kriegsmüde werde. Gerne würde ich mit in den Gospel einstimmen und singen: „I ain’t go study war no more“. Aber ich bin es denen schuldig, die konkret unter Krieg, Gewalt und Tod leiden, dass die gestärkt werden, die für unsere Demokratie einstehen werden. Gegenwärtigen und zukünftige Generationen, die durch Bildung und Unterricht zugerüstet werden.

In meinem Falle sind es die angehenden Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei. Wie diese Frieden und Gerechtigkeit umsetzen, kann im Rahmen des geltenden Gesetzes und des eigenen Gewissens nur jeweils die einzelne Person entscheiden und in ihrem Handeln transparent werden lassen. Und bei anderen sind es die jeweiligen Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, Kinder, Enkel oder Patenkinder, die ihnen anvertraut sind.

Ich drehte die Musik noch etwas lauter – meine Gedanken verloren sich im sehnsuchtsvollen Klang des Gospels und Bildern von Musikerinnen und Musikern rund um den Globus, die diesem Sehnen vielgestaltig Ausdruck verliehen.

Von Jahreswechseln und Segenswünschen für 2024

Und wieder geht ein Jahr zu neige – 365 sehr durchwachsene Tage liegen nun fast hinter mir. Für mich ist der Altjahressabend ein Tag der Rückschau und Ausrichtung auf ein neues Jahr.

2023 hat mich kaum zur Ruhe kommen lassen. Ein paar kleine Gedanken und Wahrnehmungen möchte ich hierzu mit euch allen fern und nah teilen – hierbei geht es um ein sehr persönliche Sicht, die keinerlei Allgemeingültigkeit beansprucht:

Auseinandersetzungen in Gesellschaft und Politik sind härter und aggressiver geworden – oft mit wenig Bemühen um ein konstruktives Aufeinanderzugehen.

Stress in Arbeit und Freizeit nimmt weiter zu ohne dass wir wirklich voran kommen. Der Soziologe Hartmut Rosa benennt dies als „rasenden Stillstand“. Dem kann ich leider nur beipflichten.

Aufgrund der Kriege in der Ukraine und im Heiligen Land bin ich dünnhäutiger geworden. Ihr vielleicht ebenso? Ich sehne mich so sehr nach Frieden.

Was wird 24 bringen?

Ein Tag hat 24 Stunden. Diese Einteilung geht auf die Babylonier zurück.

Für die Pythagoreer war 24 die vollkommene Zahl, weil das griechische Alphabet 24 Buchstaben hat. der letzte Buchstabe ist Omega. Für die Pythagoreer war es unmöglich, sich vorzustellen, dass etwas in dieser Welt die 24 übertreffen könnte. Sie ist die Zahl der Totalität dieser Welt, der Harmonie des Kosmos mit der Erde und aller Sphären.

Als „doppelte Zwölf“ taucht diese Zahl sowohl im ersten als auch im zweiten Testament auf: da denke ich an die zwölf Stämme Israels und die Jünger Jesu. Die Offenbarung des Johannes erwähnt konkret 24 Älteste. Ferner besteht der Tanach als heilige Schrift des Judentums aus 24 Büchern.

Im Internet wird oftmals ein Domainname mit der Zahl 24 am Ende ergänzt, um darauf hinzuweisen, dass diese im Gegensatz zu anderen Informationsquellen oder Ladengeschäften 24 Stunden am Tag erreichbar seien.

Als internationaler Standard ist bei Filmaufnahmen und -projektionen 24 Bilder pro Sekunde festgesetzt (wobei dies seit kurzem bei manchen Anbietern abweicht).

Viele Publikationen konzentrieren sich auf die Jahreslosung der Kirchen. Auch ich finde sie inspirierend, möchte aber analog zum letzten Jahreswechsel werde ich meine Segenswünsche zum kommenden neuen Jahr 2024 an Psalm 24 in Auszügen anlehnen.

Ich danke euch, allen Leserinnen und Lesern meines kleinen Blogs, dass ihr meinen Worten und Gedanken Raum und Zeit geschenkt habt. Möge Gottes Segen euch in 2024 begleiten!

Eure Miriam Groß

Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen.
Denn er hat ihn über den Meeren gegründet
und über den Wassern bereitet.

Möge Gott, der Schöpfer unseres Lebens und dieser Welt, dich im neuen Jahr schützend begleiten.
Möge Er dich mit Respekt und Ehrfurcht vor seiner Schöpfung erfüllen, damit sie auch für kommende Generationen bewahrt werde.

Wer darf auf des HERRN Berg gehen,
und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?

Möge Gott dich an heilige Stätten führen, die dir Kraft und Zuversicht schenken.
Möge er dich darüber hinaus über all hin begleiten, wo dich dein Lebensweg hinführen möge.

Wer unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist, wer nicht bedacht ist auf Lüge und nicht schwört zum Trug: der wird den Segen vom HERRN empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heiles.

Möge Gott dich ermutigen stets ehrlich in deinem Tun und Lassen zu sein. Möge der Segen des Schöpfers dich erfüllen und Gerechtigkeit wie ein Regen über die Felder deines Lebens strömen.

So segne und behüte dich Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist in 2024.

Pfarrerin Miriam Groß

Von biblischen Sprüchen, dem Umgang mit anderen und wichtigen Prägungen

Predigt zur Vereidigung des 80. Studienjahrgangs am 6. Oktober 2023

Was gibt man jungen Kolleginnen und Kollegen mit auf den Ausbildungs- und Studienweg, wenn sie mit dem Eid den wichtigsten Schwur ihres Berufslebens sprechen? Als Pfarrerin beschäftigt mich diese Frage mal um mal. Es ist eine große Verantwortung, denn ich erinnere mich noch sehr genau an meine eigene Ordination, an dessen Wortlaut und die Predigt des zuständigen Oberkirchenrates Herrn Völkel. Daher hoffe ich, dass die Worte meiner Predigt sie auf ihrem beruflichen Weg stärken, begleiten und vielleicht auch herausfordern.

Für den 80. Studienjahrgang habe ich einen besonderen biblischen Vers ausgewählt, der den Umgang mit anderen und wichtige Prägungen in den Blick nimmt:

Anbei der Wortlaut meiner Predigt – hierbei sei darauf hingewiesen, dass das gesprochene Wort gilt:

Vor wenigen Wochen durften wir Sie, liebe Polizeikommisarsanwärterinnen und -anwärter, in Bamberg begrüßen. Für viele war es so, als ob sich ein neues Universum öffnete und sie sich in einer neuen Welt und einem anderen Kontext befanden.

Vielleicht hat Sie auch ein kleines Star Wars-ähnliches Gefühl ereilt, frei nach dem Motto:

[Vor langer Zeit] in einer Galaxie, weit, weit entfernt…

Weit entfernt von dem, wie Ihr Leben vorher strukturiert war. Mit den Notwendigkeiten, bürokratischen Erfordernissen, aber auch den Vorzügen einer großen Sicherheitsbehörde.

Sie tauchen nun Stück für Stück in die dienstliche Welt der Bundespolizei ein, die Sie auf einen wichtigen und essentiellen Beruf vorbereiten wird, damit Demokratie und Menschenwürde geschützt und gestärkt werden.

Der wichtigste Bestandteil Ihrer Studienzeit stellen all diejenigen da, die Ihnen helfen in dieser Galaxie Bundespolizei zu wachsen, geformt und geschliffen zu werden – ob Lehr-, Stamm- oder Rahmenpersonal – viele Lehrmeisterinnen und Lehrmeister werden für Sie da sein und sie begleiten.

Durch das Zusammentreffen und den Umgang mit unterschiedlichsten Personen werden Sie einen besonderen Schliff erhalten, der Sie befähigen wird, diesen verantwortungsvollen Beruf durchzuführen.

Nicht umsonst heißt es im Buch der Sprüche 27,17:

Eisen wird mit Eisen geschärft, und ein Mensch bekommt seinen Schliff durch Umgang mit anderen.

Die Beziehung zu Personen, von denen wir lernen und durch die wir wachsen können, ist ein elementarer Bestandteil jeder Ausbildung, jedes Studiums und jeder weiteren Fortbildung.

In der neuen Disney Plus Star Wars-Serie „Ahsoka“, deren 8. und erst einmal letzte Folge vorgestern veröffentlicht wurde – vielleicht hat der eine oder die andere sie ebenso am Mittwoch angesehen- , wird die Beziehung zwischen der Lehrmeisterin „Ahsoka“ und ihrem Padawan bzw. Lehrling Sabine zum eigentlichen Mittelpunkt eines Geschehens, das sich rund um die junge Republik im Star Wars-Universum dreht und den Gefahren eines wiedererstarkenden, bösen Imperiums, gegen das es sich zu wehren gilt.

Während erstere demokratische Werte vertritt und die Würde jedes Lebewesens hochhält, ist das dunkle Imperium an Macht und Gewinn, aber wenig an einem Recht Einzelner orientiert.

Die beiden Hauptfiguren machen mitten in dieser Auseinandersetzung von Demokratie und Diktatur transparent, wie wichtig das Vertrauen zu anderen ist. Ob romantischer, freundschaftlicher, familiärer oder disziplinierender Natur – die Suche nach einer authentischen Beziehung zu einer anderen Person erfordert Mut und Vertrauen.

Lehrmeisterin Ahsoka aber tut sich aufgrund ihrer vorhergehenden Erfahrungen schwer, solchen Mut und solches Vertrauen anderen gegenüber aufzubringen. Viel lieber gibt sie ihr Schicksal in die Hände des Droiden Huyang als einem Repräsentaten künstilicher Intelligenz. Manchmal frage ich mich, ob auch wir mehr technischen Mitteln – einem Computer, einem Smartphone oder unserer Digitaluhr – näherstehen, als Menschen aus Fleisch und Blut.

Der biblische Vers soll uns Mahnung und Anspruch zugleich sein, denn er nimmt zwar das Bild eines technischen Mittels, nämlich des Eisens auf, überträgt aber das Geformt- und Geprägt-Werden auf den menschlichen Umgang mit anderen.

Die Star Wars-Serie zeigt durch Ahsoka eine Person, die hadert, sich auf andere zu verlassen. Nur zögerlich lässt sie ihre ehemalige mandalorianische Padawan Sabine aufgrund einer strategischen Notwendigkeit wieder in ihr Leben.

Dabei heißt es:

Eisen wird mit Eisen geschärft, und ein Mensch bekommt seinen Schliff durch Umgang mit anderen.

Ahsoka und Sabine sind beide auf ihre Art eisern und gleichzeitig fällt es ihnen schwer, sich gegenseitig zu schärfen. Erst als Ahsoka beschließt, Sabine zu vertrauen und sie zusammenarbeiten, wachsen sie jeweils auf eine unterschiedliche Art und Weise. Und doch weigern sie sich an vielen Stellen, sich voll und ganz auf eine solche Teamarbeit einzulassen, und entscheiden sich gelegentlich immer noch dafür, Herausforderungen allein anzunehmen.

Das erinnert mich an Worte Jesu in Johannes 15, wo Jesus die Metapher des Weinstocks und der Reben verwendet, und sagt, dass „keine Rebe aus sich selbst Frucht bringen kann“. Wir stehen nie im luftleeren Raum, sondern sind in soziale Systeme, dienstliche Institutionen und Organisationen eingeflochten.

Das Prinzip einer tiefverbundenen Gemeinschaft und dessen Notwendigkeit ist auch Ihr Studieren und Ihren Dienst in der Bundespolizei von essentieller Wichtigkeit.

Oder anders ausgedrückt: Wenn wir versuchen, ein Leben in Selbstgenügsamkeit und Isolation wie Ahsoka zu führen, machen wir uns anfällig für eine Vielzahl von Fallstricken, die wir hätten vermeiden können, wenn wir jemanden gehabt hätten, auf den wir uns stützen könnten.

Erst am Anfang dieser Woche hat eine Studiengruppe aus Ihrem Jahrgang im berufsethischen Unterricht davon erzählt, dass sie eine starke Dienstgemeinschaft durch das Studium hindurch und darüber hinaus sein möchte, die sich stützt und trägt, aber auch an der einen oder anderen Stelle ermahnt und eventuell korrigiert.

Ein praktischer Ausdruck des heutigen Bibelverses:

Eisen wird mit Eisen geschärft, und ein Mensch bekommt seinen Schliff durch Umgang mit anderen.

Möge Gott Sie auf dem Weg Ihres Studiums begleiten und möge Er Ihnen Menschen auf diesem Weg schenken, durch deren Umgang Sie den nötigen Schliff und Prägung für Ihren Dienst in der Bundespolizei erhalten.

Amen.

Predigt anlässlich der Vereidigung des 80. Studienjahrgangs am 6. Okt 2023

Von Achterbahnen und Halt im Leben

Das lange Warten hatte endlich ein Ende. Nun stand ich direkt vor dem Einstieg der Achterbahn „Silver Star“, einer der größten und höchsten Stahlachterbahnen Europas. Die 73 m hohe und bis zu 130 km/h schnelle Achterbahn des Europapark Rust lockt vor allem mit ihren rasanten Höhenflügen und enormen Fliehkräften.

Während aufgeregte Fahrgäste den mir zugewiesenen Schlitten jauchzend, manche ächzend, andere etwas unsicher taumelnd hurtig entstiegen und Platz machten, nutzte ich die kurze Wartezeit, um meinen baldigen Sitzplatz näher zu inspizieren. Neben einer ergonomisch eng anliegenden Form der Sitzschale gab es einen robusten Schoßbügel, der dafür sorgen würde, dass ich festangeschnallt die turbulente Fahrt sorgenfrei genießen konnte. Der Betreiber des Europaparks versprach Fliehkräfte bis 4 g und „[…] eine besondere Kombination des Gefühls, der Geschwindigkeit und der Schwerelosigkeit […].“ 1

Nun aber war es Zeit einzusteigen und sich auf das Erlebnis einzulassen. Der Geschwindigkeitsmesser war bereits am Laufen und gut verstaut. Ich lehnte mich zurück und genoß den steilen Lifthill und dessen Anfahrt zur ersten Abfahrt. „Irgendwie gleicht mein Leben einer Achterbahn“, ging mir dabei durch den Kopf. Doch über mehr konnte ich nicht mehr nachdenken, denn die Schlitten kippten auf dem Schienensystem bereits der ersten Abfahrt entgegen. Weder Angst noch Bedenken erfüllten mich in diesem Moment, denn ich wusste mich gut im Spezialsitz aufgehoben.

Mein Leben gleicht in vielem tatsächlich einer Achterbahnfahrt. Viele Höhen und Tiefen habe ich erlebt: die Geburten meiner Kinder, aber auch schwere eigene Krankheiten. Wunderschöne Orte durfte ich erleben und an dunklen Plätzen habe meinen Dienst versehen. Japan – Schottland – Deutschland – New York – Deutschland. Dabei habe ich als Pfarrerin wertvolle Innenansichten verschiedener Konfessionen und Religionen erhalten: lutherische, reformierte und methodistische Kirche; Buddhismus, Shintoismus, Judentum. Eine wahrlich internationale dienstliche Achterbahnfahrt durch Länder, Konfessionen und Religionen. Viele spektakuläre Höhen darf ich mein Eigen nennen, aber auch schmerzhafte Tiefen, bei denen ich manchmal dachte, dass es nicht tiefer gehen würde.

Sicherheit hierbei gab mir in all den Herausforderungen – und hierbei sei unterstrichen: nicht nur die negativen, sondern auch die positiven! – die tägliche Bibellese, die mir Tag um Tag Mut, Stärkung, manchmal auch Kritik zuspricht. Psalm 119 spricht von der Sicherheit, die das Wort Gottes schenken kann:

Du bist mein Schutz und mein Schild; ich hoffe auf dein Wort.

Psalm 119,114

Ein wenig würde ich das tägliche Lesen in Gottes Wort mit einem solchen sichernden Spezialsitz wie dem der „Silver Star“ vergleichen, denn in der Achterbahn meines Lebens hatte ich durch diese Worte sicher Höhen und Tiefen gemeistert. Egal wie hoch die Fliehkraft gewesen sein mag und ich fürchtete, aus der Bahn geworfen zu werden.

Viel zu schnell war die Achterbahnfahrt zu Ende. Ich stieg glücklich jauchzend aus. Nicht schlecht staunten wir als Familie über die nebenbei eruierte Geschwindigkeitsmessung: 4 g war mehrfach auf unserer Fahrt erreicht worden. An einer Stelle sogar 6 g.

Ja, es gab Situationen, in denen es sich anfühlte als würde ich aus dem „Lebenssitz“ geschleudert werden. Krankheit, Verlust, Trennung von liebgewonnenen Orten und Menschen… Das ist das 6g des Lebens, das uns durchaus mit Angst erfüllt. Keiner von uns weiß, was wir vielleicht morgen für Fliehkräfte aushalten müssen. Mögen wir uns dann getragen wissen von Gottes Wort und seiner Zusage bei uns zu sein.

Aufgeregt tauschten meine Kinder und ich die jeweiligen Erfahrungen aus – dabei waren wir uns alle sehr schnell einig: Eine wirklich tolle Achterbahnfahrt, die nach Wiederholung nur so lechzte.


  1. https://www.europapark.de/de/freizeitpark/attraktionen/silver-star ↩︎