Von Achterbahnen und Halt im Leben

Das lange Warten hatte endlich ein Ende. Nun stand ich direkt vor dem Einstieg der Achterbahn „Silver Star“, einer der größten und höchsten Stahlachterbahnen Europas. Die 73 m hohe und bis zu 130 km/h schnelle Achterbahn des Europapark Rust lockt vor allem mit ihren rasanten Höhenflügen und enormen Fliehkräften.

Während aufgeregte Fahrgäste den mir zugewiesenen Schlitten jauchzend, manche ächzend, andere etwas unsicher taumelnd hurtig entstiegen und Platz machten, nutzte ich die kurze Wartezeit, um meinen baldigen Sitzplatz näher zu inspizieren. Neben einer ergonomisch eng anliegenden Form der Sitzschale gab es einen robusten Schoßbügel, der dafür sorgen würde, dass ich festangeschnallt die turbulente Fahrt sorgenfrei genießen konnte. Der Betreiber des Europaparks versprach Fliehkräfte bis 4 g und „[…] eine besondere Kombination des Gefühls, der Geschwindigkeit und der Schwerelosigkeit […].“ 1

Nun aber war es Zeit einzusteigen und sich auf das Erlebnis einzulassen. Der Geschwindigkeitsmesser war bereits am Laufen und gut verstaut. Ich lehnte mich zurück und genoß den steilen Lifthill und dessen Anfahrt zur ersten Abfahrt. „Irgendwie gleicht mein Leben einer Achterbahn“, ging mir dabei durch den Kopf. Doch über mehr konnte ich nicht mehr nachdenken, denn die Schlitten kippten auf dem Schienensystem bereits der ersten Abfahrt entgegen. Weder Angst noch Bedenken erfüllten mich in diesem Moment, denn ich wusste mich gut im Spezialsitz aufgehoben.

Mein Leben gleicht in vielem tatsächlich einer Achterbahnfahrt. Viele Höhen und Tiefen habe ich erlebt: die Geburten meiner Kinder, aber auch schwere eigene Krankheiten. Wunderschöne Orte durfte ich erleben und an dunklen Plätzen habe meinen Dienst versehen. Japan – Schottland – Deutschland – New York – Deutschland. Dabei habe ich als Pfarrerin wertvolle Innenansichten verschiedener Konfessionen und Religionen erhalten: lutherische, reformierte und methodistische Kirche; Buddhismus, Shintoismus, Judentum. Eine wahrlich internationale dienstliche Achterbahnfahrt durch Länder, Konfessionen und Religionen. Viele spektakuläre Höhen darf ich mein Eigen nennen, aber auch schmerzhafte Tiefen, bei denen ich manchmal dachte, dass es nicht tiefer gehen würde.

Sicherheit hierbei gab mir in all den Herausforderungen – und hierbei sei unterstrichen: nicht nur die negativen, sondern auch die positiven! – die tägliche Bibellese, die mir Tag um Tag Mut, Stärkung, manchmal auch Kritik zuspricht. Psalm 119 spricht von der Sicherheit, die das Wort Gottes schenken kann:

Du bist mein Schutz und mein Schild; ich hoffe auf dein Wort.

Psalm 119,114

Ein wenig würde ich das tägliche Lesen in Gottes Wort mit einem solchen sichernden Spezialsitz wie dem der „Silver Star“ vergleichen, denn in der Achterbahn meines Lebens hatte ich durch diese Worte sicher Höhen und Tiefen gemeistert. Egal wie hoch die Fliehkraft gewesen sein mag und ich fürchtete, aus der Bahn geworfen zu werden.

Viel zu schnell war die Achterbahnfahrt zu Ende. Ich stieg glücklich jauchzend aus. Nicht schlecht staunten wir als Familie über die nebenbei eruierte Geschwindigkeitsmessung: 4 g war mehrfach auf unserer Fahrt erreicht worden. An einer Stelle sogar 6 g.

Ja, es gab Situationen, in denen es sich anfühlte als würde ich aus dem „Lebenssitz“ geschleudert werden. Krankheit, Verlust, Trennung von liebgewonnenen Orten und Menschen… Das ist das 6g des Lebens, das uns durchaus mit Angst erfüllt. Keiner von uns weiß, was wir vielleicht morgen für Fliehkräfte aushalten müssen. Mögen wir uns dann getragen wissen von Gottes Wort und seiner Zusage bei uns zu sein.

Aufgeregt tauschten meine Kinder und ich die jeweiligen Erfahrungen aus – dabei waren wir uns alle sehr schnell einig: Eine wirklich tolle Achterbahnfahrt, die nach Wiederholung nur so lechzte.


  1. https://www.europapark.de/de/freizeitpark/attraktionen/silver-star ↩︎

Ein Gedanke zu “Von Achterbahnen und Halt im Leben

  1. Avatar von Arthur Turfa aturfa

    2004 im Europa Park gab es keinen Silver Star. Unser Sohn hätte ihn gern genossen. Seine Eltern aber nicht.

    Gottes Wort spricht zu in den Tiefen und Höhen unseres Lebens

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