Die Turnschuhe glitten über den roten Belag der Laufbahn. Ich drückte meine AirPods fest und grüßte mit einer Handbewegung meinen Kollegen, der ebenso im nebligen Halbdunkel des Morgens seine Bahnen auf dem leeren Sportplatz des polizeilichen Ausbildungszentrums zog. Mein Atem nahm einen regelmäßigen Rhythmus an, der sich langsam an das dumpfe Laufgeräusch meiner Füße anglich. Es tat gut, den Herbstmorgen so zu begrüßen und Kraft zu sammeln, denn ein langer und spannender Fortbildungstag zur Berufsethik stand uns bevor.

In vielem gleicht unser Dienst als Seelsorgerinnen und Seelsorger bei der Bundespolizei einem Lauftraining, bei dem es gilt Ausdauer zu zeigen, Etappenziele zu erreichen und nie das Ziel eines gelingenden berufsethischen Unterrichtes und einer einfühlsamen Seelsorgebegleitung derer, die uns anvertraut sind, aus dem Blick zu bekommen. Die berufsethische Fortbildung, die ich im südlichen Schwarzwald besuchte, war hierbei eine Art „Lauftraining“, die mir half Atem zu finden, Lauftechniken zu erlernen und mit anderen „Laufpartnerinnen und -partnern“ zu trainieren. Doch an diesem Morgen hatte ich jenseits der Fortbildung einen besonderen Grund trotz der Müdigkeit und der frühen Morgenstunde auf die Laufbahn zu treten: In dieser Woche sammelte das Aus- und Fortbildungszentrum, an dem ich Seelsorgerin war, im Rahmen des bundesweiten Schulnetzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ Schritte gegen rechts.
Paulus selbst war das Bild des Laufens sehr bekannt. Während seines eineinhalbjährigen Aufenthalts in Korinth im Jahr 51 und 52 hatte er Isthmischen Spiele besucht, die nach den Olympischen Spielen die zweitgrößte Sportveranstaltung der Welt waren. Hierbei war der Streckenlauf einer der Königsdiziplinen gewesen.
Nachdem Paulus diese pulsierende und kosmopolitische Hafenstadt verlassen hatte, schrieb er an die Gemeinde einen Brief, indem er das Bild des Laufes aufnahm, um ihnen Trost in ihren Herausforderungen zu spenden:
24 Wisst ihr nicht: Die im Stadion laufen, die laufen alle, aber nur einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. 25 Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. 26 Ich aber laufe nicht wie ins Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust nicht wie einer, der in die Luft schlägt, 27 sondern ich schinde meinen Leib und bezwinge ihn, dass ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.
1. Kor 9,24-27
Seine Worte klangen an diesem milden Herbstmorgen, an dem sich der Südschwarzwald von seiner lieblichen Seite zeigte, allzu vertraut. Als Christinnen und Christen befinden wir uns kontinuierlich auf einem Lauf immer das Ziel von Gottes Gerechtigkeit und einer besseren Welt im Blick. Dabei gilt es, dass wir uns selbst herausfordern und erden, damit nicht anderen predigen, selbst den gesetzten Maßstäben aber nicht entsprechen. Da ich mit vielen anderen im Aus- und Fortbildungszentrum mich für eine „Schule ohne Rassismus“ einsetzte, war es ein Muss soviel Schritte wie möglich in dieser Woche zu sammeln und nicht nur darüber zu reden.
Inzwischen ging mein Atem schwer und ich sog die kalte Luft in großen Atemzügen ein. Es fühlte sich an als ob meine Lunge zu brennen beginnen würde. Noch zwei Runden, sprach ich mir selbst zu, dann hast du dein Etappenziel erreicht und eine Menge Schritte gelaufen. Ich freue mich über diese und andere Initiativen, die ein Zeichen gegen Extremismus und für eine gerechtere Welt, die allen Menschen so wie sie gemacht sind, einen Platz schenkt. Für eine Bildungseinrichtung ist dieses Projekt eine wunderbare Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv in positiver Weise mitzugestalten und bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt vorzugehen. Ein wichtiges Signal nach innen und außen, das die Bundespolizei damit setzt – in dieser Woche durch das Sammeln von Schritten und dem Laufen für Gerechtigkeit und Inklusion. Ein wahrhaft biblisches Bild, das Paulus gut verstanden hätte. Leise nickte ich, während ein verschmitztes Lächeln über meine Lippen glitt. Ob Paulus auch ein Morgenläufer war? Zu gerne hätte ich das gewusst.
Ich konzentrierte mich wieder auf meinen morgendlichen Lauf, denn die Anstrengung forderte meine ganze Aufmerksamkeit. Endlich kam die Ziellinie der letzten Runde in den Blick. Ich nahm die letzten Kraftreserven zusammen und sprintete auf die Ziellinie zu.

Sehr interessant, besonders mit dem Paulus-Teil!
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